Hobby: Saufen

09. Juni 2017

Egal ob Kübel, Shotglas oder Becher – Hauptsache Alkohol. Laut Studien gibt es im Vergleich zu den vergangenen Jahren einen Rückgang der durchschnittlichen Konsummenge an Alkohol bei Jugendlichen. Zeitgleich sieht man immer mehr Freundeskreise die sich nur treffen um zusammen betrunken zu werden.

Es ist ein ganz normaler Mittwoch in einer Wiener Bar. Am nächsten Tag ist kein Feiertag, es ist erst 19 Uhr aber die ersten Cocktails werden bestellt. Eine Gruppe von Freunden sitzt zusammen an einem Tisch und es wird gelacht und getrunken – so wie sie es mehrmals die Woche tun. Einen Geburtstag oder einen anderen Grund zum Anstoßen gibt es nicht. Man trinkt um betrunken zu sein. Die Gruppe der 18- bis 20-Jährigen findet es nicht komisch, dass sie unter der Woche trinken, immerhin waren sie ja auch schon am Montag hier und morgen geht es vielleicht in eine andere Bar. Jetzt wo es langsam wärmer wird, können sie auch endlich wieder der gewohnten Bar draußen sitzen und ihre alkoholischen Getränke genießen. Für einen wird der Genuss noch böse ausgehen. Er wird sich heute übergeben und zwei seiner Freunde müssen ihn bis nach Hause bringen.

Die Freundesgruppe ist aber kein Einzelfall. Immer mehr Bekanntenkreise treffen sich nur um zusammen zu trinken, bis eine/r speibt. Vorglühen bevor man in eine Diskothek geht ist out. Man lässt das Tanzen gleich weg und trinkt stattdessen noch etwas mehr. Der Alkohol verbindet sie miteinander, zusammen haben sie ein Hobby: Saufen.

„Mit Alkohol fühlt man sich wie ein König“

Unter der genannten Freundesgruppe befindet sich auch der 20-jährige Rafael*. Er hat vor Kurzem sein Studium abgebrochen und sucht jetzt nach einem Studienfach, das besser für ihn geeignet ist. Im Kreise seiner Freunde leert er einen billigen Cocktail nach dem anderen. Immerhin ist er ja noch jung. „Ich muss meine Jugend noch ausnutzen. Mit 25 sollte man sich dann Sorgen machen – in meinem Fall vielleicht sogar schon mit 23“, meint er.

Seine Freunde sieht Rafael meistens gleich beim Trinkengehen. Kein Wunder auch, die Gruppe trifft sich mindestens zwei bis vier Mal die Woche um zusammen betrunken zu werden. Montag und Mittwoch ist ein Muss, da gibt es eine Happy Hour die sich die Freunde nicht entgehen lassen können. Dann trifft man sich noch am Donnerstag, Freitag und/oder Samstag. Für die Freunde nichts Ungewöhnliches, sondern einfach schon Standard geworden. Dabei haben sich kein Problem damit durchschnittlich 20 bis 30 Euro auszugeben, manchmal auch mehr. Ein paar Tage zuvor waren sie auch noch in einem Club und Rafael war danach um 55 Euro leichter.

Für Rafael ist das Gefühl, das dank dem Alkohol kommt, jeden Cent wert. Auf die Frage, wieso er so oft und so viel trinkt antwortet er: „Mit Alkohol hat man einfach Spaß. Du hast eine gute Zeit mit deinen Freunden und fühlst dich auch noch wie ein König.“ Nur alleine würde er nie trinken.

Kein männliches Phänomen

Die Europäische SchülerInnenstudie zu Alkohol und anderen Drogen 2015 ergab, dass der Alkoholkonsum bei Jugendlichen sich verringert hat, ganz besonders bei Burschen. Die haben im Vergleich zu 2003 ihren Konsum eingeschränkt. Bei Mädchen jedoch nicht. Auch wenn bei ihnen der Durchschnitt noch immer unter dem der Jungs liegt, gleichen sich die Geschlechter anscheinend zunehmend an. Die einzige Gleichstellung der Geschlechter, die wir in nächster Zeit also beobachten können. 

Die Arbeitskolleginnen Sandra* und Alina* bewegen sich in einem anderen Freundeskreis als Rafael. Die beiden arbeiten nicht nur zusammen, sondern verstehen sich auch privat sehr gut. Trotzdem treffen sie sich fast immer nur, um zusammen saufen zu gehen. Meistens sind auch andere Freunde oder Arbeitskollegen dabei. Alina erinnert sich, dass sie vor ein paar Monaten mehrmals unter der Woche etwas trinken waren, sobald ihre Schicht zu Ende war. Dabei lernt man die Leute aus dem Betrieb besser kennen und hat zusammen eine gute Zeit. Wer nicht mitkommt, gehört nicht wirklich zu der Gruppe dazu.

„Was sollen wir auch sonst tun außer trinken gehen?“, fragt Sandra. Ihre Freunde fragen meist nicht einmal mehr, ob man noch zusammen etwas anderes unternimmt. Man trifft sich meistens am Abend, wenn die Schule oder die Arbeit vorbei ist und endlich alle Zeit haben. „Da fragen einen die Freunde nicht einmal, ob man etwas anderes machen will. Von den Freunden wird man gleich gefragt, ob man saufen gehen will.“ Für die 20-Jährige steht fest, dass meistens der gemeinsame Alkoholkonsum einfach ein Ersatz für die fehlenden „Gruppenhobbys“ ist. „Die Wenigsten, die ich kenne, haben ein Hobby, das man mit Freunden machen kann. Ich mache gerne Sport, aber lieber allein. Alina sieht gerne Serien oder shoppt und das ist eben nichts für mich“, erklärt sie. Der gemeinsame Nenner ist immer der Alkohol.

Weitersaufen, trotz Nebenwirkungen

Laut Alkohol ohne Schatten werden etwa 10 Prozent der ÖsterreicherInnen in ihrem Leben alkoholkrank. Durch die Abhängigkeit wird die Lebenserwartung bei Frauen durchschnittlich um 20 und bei Männern um 17 Jahre verringert. Momentan machen sich meine Ansprechpersonen jedoch noch keine Sorgen. 

Trotz den vielen negativen Nebenwirkungen von hohem Alkoholkonsum steht für Rafael fest: „Solange ich keine Beschwerden habe, mache ich mir noch keine Sorgen.“

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