„House of Cards“-Kanzler für Arme?

18. Mai 2016

Mit den Worten „Damit ist alles klar.“ präsentiert Michael Häupl Faymann-Nachfolger und neuen Bundeskanzler Christian Kern.  Die hohe Stirn des Wiener Bürgermeisters glänzt dabei verschwitzt unter dem Blitzlichtgewitter der Presse. „Es ist ein ganz großartiges Ergebnis“ meint Häupl und fügt betont hinzu: „für dich, Christian“. Ein interessanter Zusatz, war es doch Häupl, der bis zuletzt auf Gerhard Zeiler als Kanzlerkandidaten gesetzt hatte. Von einem Komplott gegen Faymann will man allerdings nichts mehr wissen. Als ausgemachter Stratege und durchaus berechnend wird der neue Kanzler von vielen beschrieben. Ein aalglatter Managertyp.

Rückkehr in der Genossen Schoß

Der ehemalige ÖBB-Manager und SPÖ-Kanzler Kern wirkt zu Beginn seiner ersten offiziellen Pressekonferenz ungewohnt unsicher und versucht „seine Lockerheit“ wieder zu gewinnen, wie er den Journalisten mitteilt. Seine Angespanntheit wich jedoch sehr schnell seiner Selbstsicherheit und dem Fokus auf die einstudierte Rede. Gleich zu Beginn rechtfertigt sich der neue Kanzler, wieso ihn die Politik nach zwanzig Jahren Scheinabstinenz wieder hat. Unter Vranitzky war Kern im Kabinett von Staatssekretär Peter Kostelka, bevor er später in die Privatwirtschaft wechselte. Die Frage, die oft im Raum stünde, sei, wieso sich jemand das „antun“ würde. Ein ordentliches Einkommen und eine gemütliche Position hätte er doch bei der ÖBB gehabt, würden viele „seiner Freunde“ sagen und zeigten sich verwundert über seine Kanzleramtsambitionen. Immerhin verdiente Kern als Manager bei der ÖBB und zuvor beim Verbund das Zigfache eines Kanzlergehalts. Wenn das Hauptmotiv kaum Geld sein kann, dann ist es Machtstreben. Aus Liebe zur Heimat und aus Verantwortungsbewusstsein Kanzler werden zu wollen sind abgedroschene Auszüge aus Sonntagsreden. Sich im Haifischbecken der Politik behaupten zu wollen, setzt unweigerlich gewisse Machtansprüche voraus.

Tausch: Geld gegen Macht

Networking, das englische Synonym für gute Netzwerkpflege, für manche gar das Unwort unserer Zeit, ist bei jeglichen beruflichen Ambitionen kaum noch zu umgehen. Smalltalk und Kontaktfreudigkeit werden zu wichtigen Qualifikationen und ebnen den Weg für das Erklimmen manch steiler Karriereleiter. Kern beherrscht die Kunst des Netzwerkens. Das zeigte die große Zustimmung aus den Ländern und der traditionell einflussreichen Gewerkschaft im Vorfeld der Kanzlerkandidatur. Während Zeiler sich gerne in die erste Reihe drängte und seine guten Kontakte mit alten SPÖ-Granden pflegte, agierte Kern leise und strategisch. Der Kanzler sicherte sich die „Freundschaft“ der Länder. Für Kanzlerambitionen braucht es eben ein wenig mehr. „Geld ist das Fertigbauhaus, das nach zehn Jahren auseinanderfällt. Macht ist das alte Haus aus Stein, das Jahrhunderte überdauert“, erklärt schon Frank Underwood in House of Cards.

„House of Cards für Arme“

Von einem quasi Coup gegen Faymann, wie zeitweiliger Kanzlerkandidat und Medienmanager Gerhard Zeiler im ZIB Interview anklingen ließ, will Kern nichts wissen. Zeiler hatte von Absprachen zwischen ihm und Kern gesprochen, in denen es um die Nachfolge Faymanns ging. Sollte Faymann nicht abtreten, wollte Zeiler gegen ihn kandidieren. Da sich dies mittlerweile erübrigt hat, lässt Zeiler Kern den Vortritt mit ganz viel „Solidarität“, wie er beteuert. Die Geschichte klingt nach den Iden des März und einer Brutus-Verschwörung, natürlich aus redlichen Motiven heraus, wie Zeiler klarstellt. Um die Sozialdemokratie zu retten. Als „House of Cards für Arme“ tut der neue Kanzler diese Behauptung Zeilers als Hirngespinst ab. Häupl macht eine „Der Mund ist zu, der Schlüssel fort“-Bewegung und schweigt. Kern lächelt fast genüsslich und amüsiert. Hier stellt sich auch die entscheidende Frage: „Wieso erzählt Gerhard Zeiler von solchen Plänen? Und sind sie wirklich unwahr?“ In einem Kurier-Interview letzten Jahres kündigte Zeiler an, bereit für Verantwortung zu sein. Die Gerüchteküche brodelte und Faymann wurde medial schon öfter totgesagt. Der Favorit war allerdings seit langem schon Kern. Er pflegte seine Kontakte mit Bedacht und lauert auf diesen einen Augenblick. Zeiler baute vor allem auf die Unterstützung Häupls und sein alter Freund wollte ihm diese auch gewähren. Doch die beiden unterschätzten den gewieften ÖBB-Manager, der sich mit den Landesparteien gutstellte und sich deren Empfehlungen sicherte. Nachdem ein Land nach dem anderen sich für Kern aussprach, blieb Zeiler nichts anderes übrig, als das Handtuch zu werfen. Kern hat das Spiel der Macht für sich entschieden. Zeilers Auftritt in der ZIB: eine Retourkutsche? Es zeigt zumindest eines sehr deutlich: „Damit ist alles berechnet“.

 

 

 

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