„Ich dachte, sie stecken mich ins Gefängnis“

14. November 2022

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Russland Viiktoria
Viiktoria ist Russin, aber unterstützt Putin nicht ©Olga

„Wer Putin unterstützt, befürwortet auch den Krieg“. Eine Russin in der Diaspora in Turin erzählt, welche Konsequenzen demonstrieren für sie hat, warum sie fast im Gefängnis gelandet ist und weshalb ihr Traum von einem Auslandsstudium wegen ihres politischen Aktivismus fast zerplatzt wäre.  

„Glaubst du, wird die Polizei Tränengas verwenden oder Demonstrant:innen verhaften“? Wir waren am Weg zur Solidaritätskundgebung für die im Iran gestorbene Mahsa Amini. Viiktoria ist 22 Jahre alt, Russin und in der Hafenstadt Nakhodka aufgewachsen, in der sie regelmäßig an Demonstrationen gegen Putin teilnahm. Mehrere Male wurde sie abgeführt, einmal stand sogar die Polizei vor der Türe und wollte sie verhaften. Kein Wunder, dass sie mir Fragen zu Polizeigewalt gegenüber Demonstrant:innen stellt. „Hier in Turin/Italien kannst du protestieren, ohne Angst zu haben“, beruhigte ich sie.

Seit Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine wurden 19.335 Leute in Zusammenhang mit Anti-Kriegs Demos in Russland inhaftiert. Bei den Protesten gegen die Teilmobilmachung Russlands vergangenen September waren es alleine 710 Personen (*OVD-Info) „Wenn du in Russland gegen das Regime protestierst, musst du davon ausgehen, dass du von der Polizei geschlagen oder abgeführt wirst“, erzählt Viiktoria. Das ist trotzdem kein Grund für sie gewesen, nicht ihre Stimme zu erheben und auf Demonstrationen zu gehen. Sie möchte gehört werden und zumindest einen kleinen Beitrag leisten. Dass sie schon öfters von der Polizei abgeführt wurde, Fotos von ihrem Gesicht gemacht und Fingerabdrücke genommen wurden, hat sie nie eingeschüchtert. Bis zu dem Zeitpunkt, als sie fast ins Gefängnis kam: „Ich habe ein Foto von dem Ukrainischen Pass einer Freundin auf Twitter gepostet. Fünf Jahre später stand die Polizei vor meiner Haustüre und wollte mich verhaften. Sie nahmen mich als pro – ukrainische Aktivistin wahr. Meine Mutter und ich schafften die Situation zu regeln – ich weiß gar nicht mehr genau wie. Zu realisieren, dass die russische Polizei mich wegen etwas inhaftieren wollte, dass ich Jahre zuvor gepostet habe, hat mich schockiert". Nach dem Vorfall hat sie ihr Twitter gelöscht. Danach ist Viiktoria auf keiner Demonstration mehr gewesen. Die Angst war zu groß, in größere Schwierigkeiten mit der Polizei zu geraten. Sie wollte immer ins Ausland studieren gehen – wenn sie ein weiteres Mal negativ aufgefallen wäre, hätte sie keine Chance auf ein Stipendium und somit auf ein Auslandsstudium gehabt.
Seit September studiert Viiktoria in Turin. Die Sanktionen gegen russische StaatsbürgerInnen haben es ihr nicht leicht gemacht, wegzuziehen. Visaprobleme und bürokratische Hürden erschweren täglich ihr Leben. Trotzdem ist sie froh, in Italien zu wohnen. Sie möchte als Russin in der Diaspora Widerstand gegen Putin leisten und Menschen über Russland informieren. „Ich bin Russin und ich bin stolz drauf". 
Sie würde sich wünschen, dass Leute Russland nicht mit Putins Politik gleichsetzen. „Mein Land hat so viel Schönes zu bieten, aber niemand nimmt Russland unabhängig vom Krieg wahr. Putin ist nicht Russland“. Daran möchte Viiktoria jeden erinnern.

 

*OVD - Info ist ein unabhängiges Menschenrechtsmedienprojekt, das politische Verfolgungen in Russland dokumentiert.

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Kommentare

 

Eine Verhandlungslösung zum jetzigen Zeitpunkt ist ausgeschlossen. Zuerst muss sichergestellt werden das die Russen keine Gefahr mehr darstellen für den Rest Europas in den nächsten Jahrzehnten. Man kann natürlich auch drauf verhandeln das Russland zukünftig nur noch eine Armee von 8000 Mann mit leichten Waffen unterhält, monatlich durch die UNO kontrolliert. Darauf wird Russland aber nicht eingehen. Also muss man diese Mannstärke eben mit westlichen Waffen herbeiführen.

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