Jihad oder Daniel? – Integration bis zur Selbstaufgabe

22. August 2018

Ich mag meinen Namen eigentlich. Sarah ist zeitlos und klingt in allen Sprachen gut. Gleichzeitig ist Sarah so verbreitet, dass ich mir manchmal einen außergewöhnlicheren Namen gewünscht habe. Ein Bekannter von mir hat seinen Namen vor Kurzem abgelegt. Nicht, weil er so durchschnittlich war, sondern weil er ständig für einen potenziellen Islamisten oder Terroristen gehalten wurde. 

Sein Name war Jihad. Jihad kennen die meisten nur in Verbindung mit dem sogenannten „Islamischen Staat“ und islamistischem Terror. Aber in islamisch geprägten Ländern ist es ein ganz normaler Vorname, wie auch Muslim oder Islam. Hier fühlte er sich dennoch so mit Vorurteilen und Abwertung konfrontiert, dass Jihad jetzt Daniel heißt. Ganz offiziell, mit neuem Pass.

"Ich habe mir meinen Namen und meine Religion nicht ausgesucht."

Daniel floh 2015 vor dem syrischen Bürgerkrieg nach Europa. Als Geflüchteter und als Muslim hatte er seit seiner Ankunft in Österreich ohnehin schon allerlei Stigmata anhaften. Stigmata, die vielen Menschen mit Migrationshintergrund auch in späterer Generation noch nachhängen: „Und woher kommst du wirklich?“, lautet dann die Frage, weil dunklere Haut und schwarze Haare für viele immer noch keinen Platz im Bild vom blonden, blauäugigen Österreich haben. Aber die meisten von ihnen kommen wirklich aus Österreich, nur ihre Eltern oder Großeltern vielleicht nicht. 

Diese Oberflächlichkeit und Unreflektiertheit wird wohl auch Daniel noch oft genug erfahren, denn sein arabisches Aussehen kann er nicht ablegen. Jetzt hat er nicht nur seine Familie und Freund*innen in Syrien zurückgelassen, sondern auch seinen Namen. Und damit ein Stück seiner Identität. Es ist schon schwer genug, sich in einem fremden Land mit einer fremden Kultur und Sprache zurechtzufinden, auch ohne politische oder mediale Hetze. Die eigene Persönlichkeit und das Weltbild müssen angesichts solcher Erfahrungen oft komplett neu ausgehandelt werden. Einen österreichischen Namen anzunehmen, um die Herkunft zu verbergen, ist dabei ein ziemlich radikaler Integrationsversuch; Integration sollte jedoch nicht Selbstverleugnung verlangen. Aber schon im Asylverfahren wurde Daniel direkt auf seinen alten Namen angesprochen: „Das hat mich sehr gestört, dass das die erste Frage war. Da habe ich eh gewusst, dass die Leute diesen Namen nicht respektieren und verstehen werden. Seit ich Daniel bin, habe ich viele Freunde. Aber es tut mir weh, weil ich mit zwei ganz verschiedenen Identitäten lebe.“

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Der spirituelle Jihad

Wenn hier in den Medien über den Syrien-Krieg oder Anschläge berichtet wird, dann bekommen wir undifferenziert Bezeichnungen wie Jihadisten, Salafisten, Islamisten und Extremisten entgegengeworfen; für viele sind das mittlerweile einfach nur Synonyme für Terrorismus. Das arabische Wort Jihad bedeutet eigentlich Anstrengung oder Bemühung (auf dem Weg zu Gott). Wie so oft in Religionsangelegenheiten gibt es auch hier unterschiedliche Interpretationsweisen, was einige islamische Theologen den Begriff militarisieren ließ. Heute missbrauchen viele islamistische Gruppierungen dieses Wort für ihre Gewalt. „Die meisten Leute, die ich kennenlerne, fragen mich zuerst, was mein Name bedeutet und behaupten dann sofort, es würde 'Heiliger Krieg' heißen“, meint Daniel. Der Jihad soll aber vorwiegend moralisch und spirituell sein: die Anstrengung, ein guter Mensch zu sein.

Integration bedarf auch großer Mühe. Wir reden ständig davon, eine Leistungsgesellschaft zu sein. Aber anscheinend reicht auch Leistung nicht mehr aus, um anerkannt zu werden, wenn man den falschen – oder einfach einen fremden – Namen trägt. Das gilt hier nicht nur für Jihad, ebenso für Fatima, Sergej, Xavier und viele andere. Aber ein Name sollte kein Grund für Verallgemeinerungen oder Vorurteile sein, auch wenn er mit Terrorismus assoziiert wird. Kevins wissen wahrscheinlich, wovon ich rede. 

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