Mario, der Ghettoneurotiker

25. November 2015

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mario lucic, comedian, kultura
Mario Lučić verändert mit seiner Migranten-Comedy das Verständnis von Kabarett. (Foto: Marko Mestrović)

Die Premiere von „Der Ghettoneurotiker“, das Comeback-Programm von Comedian Mario Lučić, füllte Dienstagabend das Theater am Alsergrund. Über AMS, Balkan-Großmütter und Selbstmordgedanken.

Ein schlaksiger, ziemlich nervöser Mario Lučić betritt zu Hip-Hop-Klängen die Bühne und leitet gleich das erste Thema des Abends ein: Masturbieren. Es stellt sich bald heraus, dass die Hauptthemen das eben genannte Masturbieren, AMS-Eskapaden und Anekdoten aus dem Krankenhaus sein werden. Wieso? Weil Bananensaftpressen Mario extrem entspannt, er beim AMS Dauergast ist und eine schwere Krankheit hinter sich hat, die ihn fast das Leben gekostet hätte. Klingt ein bisschen trist? Keineswegs, denn der Kabarettist hat es geschafft, jede Scheiße, die ihm jemals untergekommen ist, in Witze aus purem Gold zu verwandeln.

Realness aus dem Gemeindebau

Dass er im Gemeindebau am Rennbahnweg lebt und aufgewachsen ist, macht sein Programm umso glaubhafter. Eben diese verrückt-liebenswürdigen Menschen aus der Problemsiedlung, mit denen er aufgewachsen ist, sind seine größte Inspiration. Deshalb schreiben sich seine Sketches wie von selbst. „Ich weiß nicht, was andere ein Jahr schreiben, ich hatte mein Programm in fünf Tagen fertig“, erzählt Mario und man glaubt ihm das auf Anhieb.

Seine Show ist irrsinnig spontan, man hat fast das Gefühl, dass er die ganze Zeit improvisiert, ein richtiger Stand-up-Comedian eben. Der bosnische Kroate hat kein Alter Ego auf der Bühne, er ist einfach er selbst und so sympathisch und locker wie im echten Leben.
 

Migranten-Alltag auf leiwand

Seine Show hat keine lebensverändernde Message, sein Ziel ist es eben, Leute zum Lachen zu bringen. Dennoch behandelt er Themen und Schwierigkeiten, denen sich hauptsächlich oder ausschließlich MigrantInnen in Wien stellen müssen: Rassismus, Diskriminierung und dieses Gefühl, von der Gesellschaft abgeschossen zu werden. Frei nach dem Motto: AMS und Krankenkassa sind generell oasch, aber noch viel gschissener, wenn du ein Tschusch bist. Aber in der Opferrolle zeigt er sich keineswegs, am meisten verarscht er eh die eigenen Leute.

Mario Lučić scheißt übrigens in seiner Show komplett auf „political correctness“: Tschuschen, Kanacken, Zigeuner – geht ihm alles leicht über die Lippen. Genau durch dieses Bedienen aller erdenklichen Stereotypen und Klischees ist sein Programm alles, nur nicht politisch korrekt und genau deshalb so erfrischend und sauwitzig. Am meisten hasst er übrigens Birkenstock-Bio-Nazis und lauwarme "Ich bin ja kein Rassist, aber..."-Nazis, einfach generell Nazis.
 

Genau das hat gefehlt

Mario bedient mit seiner „Ethno-Comedy“ eine Nische, die bisher niemand in Österreich getroffen hat. Schon zuvor mit seinen Vines und Memes auf Social Media, jetzt auch mit seinem Soloauftritt.

„Der Ghettoneurotiker“ ist ein Programm, über das alle mit Mutationshintergrund herzhaft lachen werden, weil sie sich wiederfinden und wissen, dass es genauso ist. Alle anderen bekommen einen Einblick in diese kleine eigene Parallelwelt und verlassen das Theater garantiert mit einer ungewohnt starken Sympathie für Jugos und Arbeitslosengeldbezieher.

Termine:

13.12.2015 – Aera

09.01.2016 – Theater am Alsergrund

02.02.2016 – Aera

03.02.2016 – Spektakel (gemeinsamer Abend mit Elias Hirschl / Poetry Slammer)

08.03.2016 – Theater am Alsergrund

03.04.2016 – Aera

03.05.2016 – Aera

08.06.2016 – Aera

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