Studentendemo gegen neues Gesetz - Wir waren vor Ort

13. Januar 2021

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Foto: Yasmin Maatouk
Foto: Yasmin Maatouk

Trotz Pandemie und kaltem Wetter demonstrierten am Dienstag vor dem Bildungsministerium hunderte Menschen gegen das neue Universitätsgesetz. Wir waren vor Ort und haben mit den OrganistorInnen sowie der ÖH-Vorsitzenden gesprochen. 

 

von Tansu Akinci, Benjamin Jaffery und Yasmin Maatouk

Foto: Yasmin Maatouk
Foto: Yasmin Maatouk

Konkret ging es um die umstrittene Universitätsgesetz-Novelle, welche weitreichende Auswirkungen auf den Studierendenalltag in Österreich hätte. Das würde bedeuten: Einschränkungen bei Beurlaubungen und Mindestanzahl von 24 ECTS-Punkte (Abk. für European Credit Transfer System) innerhalb der ersten vier Semester. Hat man die Punkte in diesem Zeitrahmen nicht erreicht, droht eine Exmatrikulation für zehn Jahre. Wir waren vor Ort und haben mit den OrganisatorInnen der Demo und der ÖH-Vorsitzenden gesprochen.

Interview mit den OrganisatorInnen: Bildung Brennt

Kurz vor Demo-Beginn haben wir zwei AktivistInnen von Bildung Brennt interviewt, welche für die Organisation verantwortlich sind. Bildung Brennt ist eine politische Organisation, welche sich das Ziel gesetzt hat, sich aktivistisch für Bildungsgerechtigkeit einzusetzen. 

Biber: Was ist euer Ziel heute?

Bildung Brennt: Es gibt viele Missstände und viel Ausschluss im Bildungssystem, es braucht daher Zugang und Förderungen für ein diverses Bildungssystem. Auch der Zeitpunkt ist zu kritisieren: es ist schwierig, mitten in der Pandemie Menschen zu mobilisieren. Unser Ziel ist daher, einen solidarischen Protest „coronakonform“ abzuhalten und möglichst viele Leute zu informieren, damit das Ganze nicht runtergeht.

Gibt’s doch nichts Positives? Zum Beispiel ein planbares Studium durch die Novelle?

Der Gedanke einer Planbarkeit bzw. ECTS- Gerechtigkeit ist im Grunde gut, aber die Umsetzung ist weniger gegeben. Auch mehr gendergerechte Sprache findet Einzug, aber es bringt auch nichts wenn ich als nicht-binäre Person einfach mit Sternchen exmatrikuliert werde. Und es ist schwer zu pauschalisieren, wer in einem Semester sechs ECTS schaffen kann oder nicht. 

Wir wollen aber Bildungsgerechtigkeit, keine ECTS-Gerechtigkeit!

Wie steht ihr zur unterschiedlichen Behandlung von  ausländischen Studierenden?

Die ECTS Anforderungen sind stark mit dem Aufenthaltstitel gebunden, etwas was man ja auch ablehnen sollte. Arbeitskreise mit Non-EU und Non-EWR Studierende formen sich schon, weil diese Gruppe ganz schnell vergessen wird und das wollen wir nicht. Wenn Leute nach Österreich kommen, haben sie einen guten Grund dazu und da muss der Zugang einfach gewährleistet werden.

Foto: Tansu Akinci
Foto: Tansu Akinci

 

Wie kommt die Novelle bei euch persönlich an?

Ich sehe die Entwicklungen als neoliberalen Kapitalismus. Schlechte Lebens-und Arbeitsbedingungen werden eingedrängt und dagegen muss man sich gemeinsam organisieren.

Eure klaren Ansagen an Fassmann:

Nein zur UG-Novelle! Eine Krisensituation darf nicht ausgenutzt werden, um Gesetzestexte durchzupeitschen. Es wird verlangt, eine Utopie-Studierende zu sein, aber die Bedingungen, um dies zu schaffen, sind nicht gewährleistet. 

Ist dies dann eine Diskriminierung?

Es sind einfach strukturelle Hierarchien. In jeder Sicht, ob Herkunft oder Geschlecht. Sie sind einfach so drinnen, dass sie vielen gar nicht mal auffallen. Das was in der Gesellschaft schief läuft, läuft auch an der Uni schief.

Heute demonstriert ihr, aber was macht ihr morgen?

Mal ausschlafen (lacht). Aber uns steht ein Frühling der Proteste und heißer Sommer vor! Wir organisieren uns weiter und laden alle ein. Wir vernetzen uns gerne mit anderen Bereichen. Unsere Petition läuft auch unter https://bildung-brennt.at/

 

Foto: Yasmin Maatouk
Foto: Yasmin Maatouk

Neue Beurlaubungsregel: Beurlaubung für Grundwehrdienst, Schwangere oder sonstiges entfällt. Wie steht ihr dazu?

Wir sind gegen Ausschluss. Solche Regelungen müssen toleranter behandelt werden. Warum passen die Unis die Gründe der Beurlaubung nicht an die Lebensrealitäten der Studierenden an?

Plagiatsthema Aschbacher: Können KritikerInnen nun vorwerfen, dass sie damit doch davonkommen würde unter den neuen Regelungen?

Es hat schon Sinn gemacht, dass so etwas im Wissenschaftskontext nicht verjährt. Es soll auch 30 Jahre später eine Konsequenz haben, dass dann die Leute z.B. ihren Titel verlieren.

 

Interview mit der ÖH-Vorsitzenden Hannah Lea Weingartner

Foto: Yasmin Maatouk
Foto: Yasmin Maatouk

Biber: Es wird argumentiert, dass 6 ECTS im Semester schaffbar sind. Was ist euer Argument dagegen?

ÖH: Es ist nicht die erste Verschlechterung und wird auch nicht die Letzte sein. Die meiste Studenten sind mehrfach belastet, 60% müssen nebenbei arbeiten, um sich das Studium finanzieren zu können. Für die wird es schwieriger, diese Mindeststudienleistung zu erfüllen. Vor allem, wenn man nicht nur für ein Studium inskribiert ist.

 

Was sind eure weiteren Pläne nach der Demo?

Es ist nicht unsere erste Demonstration und auch nicht unsere erste Stellungnahme. Wir werden weiterhin laut sein, weiterhin Stellung beziehen. In unseren Augen ist die UG-Novelle untragbar, gerade in einem Land wie Österreich, wo Vererbung von Bildung einen so großen Einfluss hat.

 

Ein paar Fragen bestehen noch zu einigen Regelungen. Speziell beim Organisationsrecht. Laut diesem kann das Ministerium dann Empfehlungen für die Studienpläne an die Rektorate weiterleiten. Ein Versuch der inhaltlichen Einflussnahme wurde dementiert. Bestünde nicht trotzdem ein Risiko?

Es ist schön, dass das jetzige Ministerium das nicht machen will. Man kann darauf vertrauen oder nicht. Wir können aber nicht sagen, wie das Ministerium in Zukunft dazu stehen wird. Aber es ist gefährlich, wenn Regierungen so Einfluss nehmen können.

 

Zu den neuen Änderungen bzgl. Beurlaubung kam von der ÖH noch keine Aussage. Wie würdet ihr dazu stehen?

Besonders problematisch ist, dass Unis dann keine individuellen Beurlaubungsgründe annehmen dürfen.

 

Ebenfalls brisant ist der neue Plagiatsparagraf, wonach solche Strafbestände nach 30 Jahren erlöschen können. Gerade im Bezug auf die Aschbacher-Affäre wäre das eine kontroverse Entscheidung, oder?

Also ich finde es sehr lustig, dass diese UG-Novelle von einer Regierung kommt, wo viele Beteiligte entweder 20 Semester studiert oder gar nicht mal einen Abschluss haben. Offensichtlich wird in einer solchen Konstellation kein Wert auf Wissenschaft oder Bildung gelegt und das sieht man auch an dieser Novelle.

Also ist die Plagiatsverjährung keine gute Idee?

Das ist in der rechtlichen Konsequenz nicht durchdacht worden. Prinzipiell finde ich es furchtbar, wie manchen Menschen Bildung verwehrt wird, während andere sich ohne großen Aufwand einen Titel erkaufen können.

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