Time is thirsty

12. November 2019

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Time is thirsty
On Kawara, Sept. 19, 1992, Courtesy Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof, Berlin, Foto: Christian Schwaber, Winterthur

Die frühen Neunziger sind Thema der letzten Ausstellung von Kurator Luca Lo Pinto, bevor er sich von der Kunsthalle Wien verabschiedet und Direktor des MACRO in Rom wird.

In der Kunsthalle Wien im Museumsquartier ist wieder das Jahr 1992. Es ist die Zeit von Raves, PVC-Kleidung, lockeren Unisex-Sportjacken, der ersten SMS, des aufkommenden Internets und der politischen Neuordnung der Welt nach dem Kalten Krieg und der Wiedervereinigung Deutschlands. Kurator der Ausstellung Luca Lo Pinto verankert im Jahr 92 den Zeitpunkt, an dem sich die Zeitachse gekrümmt hat und der über eine Geschichtsschleife wieder im Jetzt angelangt ist. Buffalo Boots und übergroße Sportjacken sind wieder Mode, Musik und Popkultur sind beeinflusst von den Strömungen der frühen 90er.

Time is thirsty
Ausstellungsansicht: Time Is Thirsty, Kunsthalle Wien 2019, Foto: Jorit Aust: Willem de Rooij, Body Warmer, Size S; Jacket, Size S; Jacket, Size L; Tracksuit, Size XL; Tracksuit, Size XL; 3-Part Track Suit (Jacket, T-Shirt, Pants), 2015, Courtesy der Küns

Riechst du das auch?

Man hat schon so gut wie alles schon einmal gesehen oder gehört. Und wenn man alle seine Sinne benutzt, riecht es auch wie in den 90ern. Dafür sorgt eine olfaktorische Installation der norwegischen Künstlerin und Geruchsforscherin Sissel Tolaas. Ein bisschen gummiartig und harzig, etwa wie Möbelpflege. Bewegt man sich von links nach rechts – im Raum eine Aufteilung für Ost und West – ändert sich auch der Duft. Gerüche sind schließlich ein „großer Trigger für Emotionen und Erinnerungen“, so Tolaas.

Tanzen erwünscht

Im großen Ausstellungssaal dröhnt Musik aus der eigens für die Ausstellung zusammengestellten Playlist von Peter Rehberg (dem Gründer des britischen Labels Mego) und dem italienischen Musik-Duo Vipra. Mit dabei in der siebenstündigen Trackliste sind unter anderem Aphex Twin, Fuse, Jeff Mills, Coil, und Kenny Larkin. Tanzen ist hier durchaus gewollt und möglich. Aber auf die große, blaue Glitterwolke von Ann Veronica Janssens sollte man dabei nicht steigen. Irisierend und kalt leuchtet sie im gedimmten Licht der Ausstellung.

Zusammen alleine sein

Die entlang des gesamten Raumes abgestellten Einmachgläser von Jason Dodge erinnern an Getränke, die bei Raves am Rand der Tanzfläche rumliegen (und auch vom einen oder anderen Besucher umgeworfen werden). Beim ekstatischen Tanzen kann schon mal auf die Zeit vergessen werden. Fast unbemerkt wird es mal heller, mal finsterer bei „Time is thirsty“. Oh, schon hell? Dem Rave als Ort „kollektiver Entfremdung“ – einem Ort um „zusammen alleine zu sein“ wird eine große Rolle beigemessen.

Time is thirsty
Ausstellungsansicht: Time Is Thirsty, Kunsthalle Wien 2019, Foto: Jorit Aust: Nick Bastis, Old Work, 2019, Courtesy der Künstler und Ermes-Ermes, Wien

 

Der Fleck muss weg

Einige Auszüge aus der Presse sind ebenso im Raum verteilt. DIE DAMEN präsentieren mit Fleck (1992) eine Postkarte, die auf eine Begebenheit mit dem österreichischen Kurator Robert Fleck anspielt. Dieser habe in den frühen Neunzigern ein großes länderübergreifendes Ausstellungsprojekt zwischen Wien und Berlin starten wollen, wurde jedoch von Kunstprofessor Kaspar König mit der Aussage eingebremst, dass Wiener Künstler „zu lau“ für Berlin seien. Flecks Reaktion darauf war weit von einer Verteidigung der österreichischen Kunst entfernt. Daraufhin produzierte die Künstlerinnengruppe bestehend aus Ona B., Evelyne Egerer, Birgit Jürgenssen und Ingeborg Strobl die Postkarten und verschickten sie „aus gegebenem Anlass“.

Insgesamt soll die Ausstellung „Time is thirsty“ nicht als abgeschlossenes Projekt gesehen werden, sondern als sich stetig verändernder Raum, in dem Vergangenheit und Gegenwart parallel existieren.

 

Tipp: Besucht die Sonntagsführung, die mit gültigem Ausstellungsticket gratis ist.

Noch bis 26. Januar 2020 in der Kunsthalle im Museumsquartier zu sehen!

Mehr Infos unter: http://www.kunsthallewien.at/

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