In welchem Bezirk wohnst du?

16. August 2016

Als ich vor 2 Jahren zum ersten Mal nach Wien kam, hatte ich nicht einmal vermutet, dass der Bezirk, in dem man lebt, so wichtig ist. "Wien ist ja überall leiwand, gell?", dachte ich mir damals, als ich nur die Innenstadt und mein gemütliches Grätzl im 18. kannte und nicht verstehen konnte, warum mich viele gleich nach dem Kennenlernen gefragt haben: "In welchem Bezirk wohnst du?"


Wien ist nicht gleich Wien

In diesen 4 Monaten, die ich als Erasmus-Studentin in Wien verbrachte, habe ich von den Alteingessesenen mitbekommen, dass ich "urglücklich" bin, im 18. leben zu dürfen. Mithife der Medien und meiner österreichischen Freunde habe ich bald verstanden, dass der 10. ein kleines Istanbul (was mich gefreut hat, denn Istanbul ist meine Zweitlieblingsstadt nach Wien) und der 7. ein Bobo-Paradies (und ein sehr hipper Wohnbezirk) seien, dass es im 15. von Rumänen wimmle, und dass der 16. mit seiner verrufenen Thaliastraße auch in Wiener Balkan umbenannt werden könnte. Jeder Bezirk schien sein eigenes Image zu haben und von den Vorurteilen, die damit direkt verbunden sind, umrankt zu werden. Ich war damals nur froh, das angesehene Währing mein Zuhause nennen zu dürfen und habe mich gar nicht für viele andere Bezirke und ihre Geschichten interessiert.

Brigitte...was?

Nach einem Jahr bin ich auf die Dauer nach Wien gekommen und im 20. gelandet. "Brigitte...was? Oh, fast am Rande der Stadt und keine 2-3 Bim-Stationen bis ins Zentrum mehr!", waren meine ersten Gedanken nach dem Einzug. "Aber zumindest ist die Donauinsel nur einen Katzensprung entfernt". Ja, sicher. Ganze fünf Monate habe ich darauf keinen Fuß gesetzt. Obwohl die Donauinsel mein Lieblingsteil Wiens überhaupt war und ist, haben mir der starke Wind und die -5 Grad Steine in den Weg gelegt. Ich musste mich den ganzen Winter nur damit begnügen, die bezaubernde Donauinsel vom 8. Stock meines Studentenheimes zu bewundern.

Was gibt’s hier überhaupt zu tun?

Mein neues Zuhause hat mich am Anfang nicht beeindruckt. Aber als ich begonnen habe, den Bezirk zu Fuß zu erkunden, habe ich meine Meinung geändert: Viele Radwege, viel Grün, gut gepflegte Gemeindebauten und saubere breite Straßen. Darüber hinaus kommt man in 15 Minuten zum Prater (was sonntags sehr gelegen kommt) und dank des Bahnhofes am Handelskai erreicht man jeden Punkt Wiens in null Komma nichts. Und zu guter Letzt hat man im 20. seine Ruhe. Vielleicht tut sich viel im 7. und das Leben ist spannend, aber wenn man sich endlich nach einem langen Arbeitstag erholen mag, ist der 20. der perfekte Wohnbezirk dafür. Und im Frühling verlegt sich wieder der Lebensmittelpunkt von ganz Wien sowieso auf die Donauinsel.

 

Erst jetzt habe ich endlich kapiert, warum man in Wien dem Wohnbezirk so eine große Bedeutung beimisst. Wien ist riesig und vielfältig und besonders wenn man in einem Bezirk aufwächst, baut man eine enge Beziehung zu ihm auf. Dort befindet sich der Lebensmittelpunkt: die Schule, die Freunde, die Familie, das Stammlokal und der Park, wo man chillt. Bei mir sieht es anders aus, ich bin nicht in Wien aufgewachsen. Ich wohne im 20., die Uni ist im 19., meine Freunde leben im 7., 8., 5. und 16., mein Stammlokal ist im 9. und am liebsten chille ich im 1. Deswegen habe ich angefangen, alle Bezirke Wiens wertzuschätzen und ihren Geschichten zuzuhören. In welchem Bezirk wohne ich? Ein bissl in allen 23.

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