Wenn Flüchtlinge enteignet werden

04. Januar 2016

Das neue Jahr beginnt in Dänemark mit einem Regierungsbeschluss: Künftig, vielleicht schon im Februar, soll die dänische Grenzpolizei dazu bemächtigt werden, das Eigentum asylsuchender Menschen zu beschlagnahmen. Wertgegenstände in der Höhe von mindestens 400 Euro sollen laut Ministerpräsidenten Lars Lokke Rasmussen als Vorauszahlung für ein glückliches, beschwerdefreies Leben im dänischen Königreich dienen. So könne gewährleistet werden, dass einerseits allgemein weniger Flüchtlinge das Land überfluten, und das Land andererseits für seine Hilfsbereitschaft entschädigt werden würde.

 

In Österreich schenkt man sein Geld doch praktisch her

Die einen finden Österreich solle auf diesen Zug aufspringen und äußern sich lautstark pro dänischem Gesetzesentwurf. Die profil-Journalistin Rosemarie Schwaiger fordert im heutigen Leitartikel sogar die Senkung der Sozialleistungen für Flüchtlinge. Gerechtfertigt wird die dänische Herangehensweise mit der Tatsache, dass auch Personen, die beispielsweise Arbeitslosengeld beanspruchen, keinerlei Anspruch auf Vermögen, in welcher Form auch immer, haben. In Österreich schenke man sein Geld doch praktisch her – man sei ohnehin viel zu nett zu denen. So sollten die, die das Privileg haben, hier ihr Dasein zu fristen, auch etwas dafür leisten. Die anderen fühlen sich an Regierungsmaßnahmen eines ehemaligen, deutschen Ministerpräsidenten um 1938 erinnert und kritisieren diese Maßnahmen harsch. Die Enteignung von Eigentum der Menschen sei ein Armutszeugnis für das Land und die Regierung selbst.

 

 

Es mag für viele Pragmatiker eine gute Lösung sein für das, man nenne es „Flüchtlingsproblem“. Aus der Sicht der Geflohenen ist diese Anordnung eine Katastrophe: Krieg, Leid, Verlust von Familienmitgliedern, Freunden, Hab und Gut, der Entschluss, alles stehen und liegen zu lassen mit dem Ziel, irgendwo ein traumatisiertes Leben in Frieden zu führen - wenn man Glück hatte mit der Familie, wenn Pech, so alleine. Persönliche Gegenstände, ob objektiv gesehen wertvoll oder wertlos, auf ein Minimum reduziert, eingepackt. Man sucht sich ein Land, in dem man hofft, einigermaßen glücklich zu werden, kommt dort an und verliert erneut alles, was man besitzt.

 

„Es gehe um den hypothetischen Koffer mit Edelsteinen“

Für mich als überzeugten Gutmenschen tun sich nach Inkrafttreten dieser Anordnung unzählige Fragen auf. Zum einen: Hat man als Mensch nicht grundsätzlich Befugnis über den eigenen Besitz, sofern man sich nicht in irgendeiner Form strafbar macht? Wie kann man die Ausgangslange von Arbeitslosen, die in einem sicheren Land leben - womöglich in dem Land, in dem sie geboren sind, im Kreise von Verwandten und Freunden, der gewohnten Umgebung, mit Aussicht auf baldige Beschäftigung – mit der von vor Elend und Krieg geflohenen Menschen vergleichen?

Und nicht zuletzt: Was machen nun die Massen an armen Geflüchteten, die ihre Koffer voll Goldbarren, Edelsteine, Macbooks und Nerzmäntel mühevoll über etliche Grenzen geschleppt haben, nachdem sie aus Willkür und Spaß an der Sache den Entschluss gefasst hatten, ihr altes Leben hinter sich zu lassen?

 

Blogkategorie: 

Das könnte dich auch interessieren

Foto: Zoe Opratko
Zum Abschied gibt es kein Trompeten­...
Foto: Marko Mestrović
Ob Hijabi-Style, koschere Perücken oder...
Foto: Marko Mestrović
Nicht über die Communitys zu sprechen,...

Anmelden & Mitreden

5 + 6 =
Bitte löse die Rechnung