HEIßEN TAXI, WEIL MUßTU ZAHLEN TAXE!

04. März 2010





Von Fiction zu Pulp und zurück. Abu Bogumil Balkansky fährt eine Runde mit dem Taxi


Der Redaktionsauftrag ist einfach wie ein militärischer Befehl: „Fahr´mit dem Taxi ´rum und such da nach Fremdenfeindlichkeit und Rassismus! Heute, vor zehn Jahren undsoweiter... verstanden?!“ Eine Spot-And-Report-Mission! Also setze ich mich als Fahrgast getarnt in die Tiefe des Asphaltdschungels ab, um zu finden und zu berichten. Und ich finde: Splitter menschlicher Leben zwischen Fiction und Pulp – und ein wenig Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Die gängigste Worterklärung für Taxi steht im Titel.

CHAPTER ONE

Rassismus wohnt in deinem Gesicht...

Missionsbeginn. Taxistand U4 Meidling. Ich werde bei der ersten Taxifahrt das Opfer meiner eigenen Vorurteile. Verdammte Schlitzaugen! Nachdem ich zu Herrn Wei einsteige und ihm meine Mission erkläre, sagt er in fehlerfreiem Deutsch: „Sie suchen Rassismus? Sehen Sie in den Spiegel, da finden Sie ihn!“ Herr Wei kommt aus Hong Kong, ist Chinese und hat es oft mit zwei Gesichtsausdrücken in seinem Rückspiegel zu tun, die mehr sagen als tausend Worte. „Zuerst gehen die Augenbrauen zusammen und nach unten. Das ist Misstrauen: Asiaten sind schlechte Autofahrer. Dann gehen die Augenbrauen hoch, die Augen weit auf. Das bedeutet: Überraschung.“ - wenn sie begreifen, das der Asiate Dativ und Akkusativ richtig verwendet und ohne Navi weiß, wo die Zieladresse ist. Herr Wei hat Humor. Deswegen zeigt er seinen staunenden Fahrgästen, an welchen der vorbeihuschenden Würstelstände Leberkaas oder eher die Käsekrainer besser ist.

Für dieses Spiel der Mimik seiner Fahrgäste hat Herr Wei eine Erklärung: „Niemand hier weiß, das Hong Kong fast so europäisch ist, wie London! Nur halt voller Chinesen. Die europäische Küche, die europäischen Sprachen sind mir aus meiner Heimat vertraut. Deutsch ist gar nicht so schwierig, wie die meisten sagen...“. Herr Wei mag eine Ausnahme unter den MigraTaxlern sein, weil so Exotisch und zugleich verwirrend vertraut. Klassisch auch: Herr Wei wird mit Frau Wei, wenn er in Pension geht, nach Hong Kong zurückkehren. Bevor Herr Wei mit dem Taxi gefahren ist, hat er asiatische Restaurants beliefert und während wir die Asienmeile am Naschmarkt durchfahren, zeigt er mit dem Finger auf jene Lokale, wo man besser nicht essen sollte. Aber mir ist sowieso schon übel. Herr Wei fährt wie ein Zombie auf Meth.

 

...und im 21.-sten Bezirk!

Goran, 26, in Wien geborener MigraSerbe, Besitzer von drei eigenen Taxi, kennt die Adresse des Böhsen! Es ist Floridsdorf. Goran ist Kapitalist: „Im 21.-sten kannst du gute Kohle machen, keine Frage! Zu mir sagt eh keiner was, weil sie glauben ich bin Schwabo. Aber ich muss mir den Schaas anhören, den die Fahrgäste sich gegenseitig erzählen! Alter, das ist voll die Verschärfung!“. Goran sieht gut aus: Lederjacke, Kurzhaar, frisch rasiert. Hartes, junges, Gesicht. Körper aus dezenter, drahtiger Muskelmasse. Goran riecht gut: CK One. Alles in allem ist Goran von Außen ein wirklich sexy Schwabo und man währe froh, das es so was tatsächlich gibt. Nur sein gerolltes „R“, das aus der Muttersprache seiner Eltern in Gorans Spreche gerutscht ist, verrät ihn als MigraKid. Goran: „Nach Floridsdorf schick´ ich meine zwei Schwabo-Fahrer!“. Auch eine Lösung.

Doch Goran hat Freude an seinem Beruf und das strahlt irgendwie aus. Zumindest während seiner liebsten Tageszeit im Taxi: „Zwischen drei und vier in der Früh ist die beste Zeit. Da steigen Mädels ein, die sexy sind und doch nix aufgerissen haben. Dann treiben sie es mit mir... Im Taxi, bei ihnen daheim, bei mir...“ Wie gesagt: Goran sieht hölle aus... so heiß, das auch Prostituierte sich schon mal den „Lustfick“ mit ihm gönnen. Sagt Goran. Und ich will es ihm aus ganzem Herzen glauben.

CHAPTER 2

Nacht auf Erden.

Unter den Taxifahrern sind die sogenannten „Nachtfahrer“ ein eigener Männerschlag - Frauen sind hier rar. Den Wenigen: Alle Achtung! Taxifahrer gehören zu den intensivsten Pop-Ikonen der Urbanität. Weniges verkörpert das Lebensgefühl einer Stadt so wie „Der Taxifahrer“. Und nur der Blues passt zu diesem Stimmungsbild. Kitschigerweise. Denn das Taxi ist der klassische erste Job eines Migranten, und oft der Letzte eines einheimischen, alten, Fernfahrers mit kaputten Bandscheiben. Lebendiges Klischee – denn die Realität, obwohl hart, ist vom Blues so weit nicht...

Film und Nicht-Film

Das Berühmteste unter ihren filmischen Denkmälern ist Martin Scorseses „Taxi Driver“, das Einfühlsam-komischeste zweifellos Jim Jarmuschs „Night On Earth“. Es gibt auch andere, und alle bedienen romantische oder typische Vorurteile. Was Taxifahrer auf diesem Planeten, bei Tag wie bei Nacht, gemeinsam haben, ist die Tatsache, das ihr motorisierter Arbeitsplatz ein inoffizieller Sozialraum ist. Den Unterschied zwischen Tag und Nacht erklärt mir ein ägyptischen Nachtfahrer, der in Kairo ein Maschinenbaustudium abgeschlossen hat: Dipl. Ing. Rifaat

Traktor fährt Taxi

Rifaat sagt: „Am Tag ist Taxi wie Nutzfahrzeug. Wie Traktor, verstehstu? In Nacht hastu Show! Mußtu aushalten!“ Fremdenfeindlichkeit und Rassismus sind für den jungen Traktorspezialisten nicht das Problem, eher Leute, die, Zitat: „kommen vertikal und mußtu außezahn horizontal“. Immerhin unterhaltsam: „Wenn ist eifersüchtige Freundin und schlagen Freund. Im Rückspiegel ist Freund, muß spielen brav, haut net zruck, bin ich Zeuge. Das ist immer lustig...!“ . Und philosophisch: „Kommt alles von Emanzipation, weißtu...!“. Von einem Fahrgast hat er nie das Wort „Kameltreiber“ an den Kopf geworfen bekommen. Vielleicht weil Rifaat, Dipl.Ing., so groß wie ein Traktor ist und weil Rassisten, sogar in Horden, nur Feiglinge sind.

Türken, Alkohol und Frauen

Peter ist 19 Jahre lang nur Nachts gefahren. Zwei Scheidungen später, fährt er alleine durch das Leben und durch die Nacht: „Die Nacht spuckt dich halt unverdaut aus... aber vorher wirst´ no ordentlich zerkaut!“. Die Nacht hat also Zähne. Für Peter gibt es zwei schlimmste Dinge im Nachtbetrieb: betrunkene Türken und betrunkene Frauen. Die betrunkenen Türken stänkern und provozieren, wenn sie zu zweit oder zu dritt sind. Ein Volkssport? „Nein! Eigentlich wundert´s mich nicht. So, wie wir zu die Ausländer saan...“.

Und was ist mit den b´soffenen Frauen? „Die steigen ein, sagen die Adresse, halten den Mund, Zahlen und steigen aus. Dann drahst di um und auf´m Rücksitz is vollgepinkelt!“ Das Obergemeine: „Des heast net, des riachst net, des merkst erst wenn´s zu spät ist!“ Peter hat noch zehn Jahre bis zur Pension und hat Sehnsucht nach der Sonne. In seinem Rückspiegel und in seinem leeren Bett.

Ilona war ein mal ein kleines Mädchen...

Jetzt füllt Ilona mit ihrem Körper den gesamten Raum zwischen Lehne und Unterkante Lenkrad. Und das hat etwas Beruhigendes. Man fährt bei Mutter. Ilona hat das Lenkrad seit 28 Jahren in der Hand: „Ich hab das immer schon woll´n! Ich wollt auch immer wiss´n, wos unter der Motorhaube los is!“ Bevor Ilona mit dem Taxi gefahren ist, war sie „Die Kollegin vom Funk“. Und davor war Ilona eine von zwei österreichischen LKW-Fahrerinen. Das war in den 70/80-ern. Davor war Ilona ein kleines Mädchen, dessen Vater einen eigenen LKW hatte, ihn selbst reparierte und mit dem Ilona oft auf Tour gefahren ist.

Ilona fährt mal Tags, mal Nachts. Sie hat kein Problem mit Ausländern sondern mit Schnöseln: „In Döbling falln´s mir ins Taxi und wollen wissen was heute im Konzerthaus spüt! Wann i dann sag, das do a Kutschn nehmen müssen, weil die Fiaker das Wien-Kultur-Programm repräsentieren – bin ich eine ignorante Gurk´n!“ Dialektik zwischen Bürgertum und Proletariat. Im Taxi. Zusammen singen wir die „Internationale“ und ich steige aus.

CHAPTER THREE

Roma bei Nacht

Es gibt eine stille, knappe Art kluge und philosophische Dinge zu sagen. Bora, genannt „Mercedes“ hat sie. Ihm ganz allein widme ich dieses letzte Kapitel. Weil Bora in einem einzigen Satz, der aus nur zwei Worten besteht, den Sinn und Unsinn meiner Mission beschreibt. Anyway: Mission Acomplished!



Bora “Mercedes”



Seit fast 20 Jahren macht Bora genau zwei Dinge: Taxi fahren und Musik machen. Bora kommt aus Stara Pazova in Serbien und hat 9 Alben herausgebracht. Demnächst hat er mit seiner Band einen Auftritt in Schweden. Seine Musik nennt Bora „Zigeunermusik“. Ich bin verwirrt weil Bora Roma ist, aber Bora sagt: „Ich weiß eh das ich Rom bin! Brauchst du mir nicht erzählen! Ich bin im Sozialismus geboren, bin beim Tito in die Schule gegangen und war die ganze Zeit ein Zigeuner. Ich darf Zigeunermusik sagen!“ Etwas später fügt er hinzu: „Klar kommt´s darauf an wer das sagt. Und wie.“.

Was Bora mit einem weisen Shao Lin Mönch gemeinsam hat, offenbart erst meine letzte Frage. Seine Antwort ist purer Zen-Buddhismus! Am Ende will ich es wissen! Und ich frage Bora „Mercedes“ geradeheraus, wer unter den Taxifahrern die meisten Probleme mit Rassismus und/oder Ausländerfeindlichkeit hat: Die Afrikaner, Die Roma, Die Orientalen... ? Bora blickt kurz in den Rückspiegel, schweigt drei, vier Sekunden und sagt: „Die Schwabos!“

... Verdammte Schlitzaugen!

ABB


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Kommentare

 

„Die Schwabos!“ hahahaha bora , ma he genial

 

schade, dass kein türke/kurde und afrikaner dabei war.
oder der tunesier im nachthemd, der hier eine eigene taxifirma betreibt und gegen die "verdammte demokratie" ist

 

fein.

 

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