Vahid Halihodžić: "Afrika ist anders!"

03. Mai 2010

 

 

Die Fußballexperten schüttelten den Kopf als die Elfenbeinküste ihren Trainer, Vahid Halihodžić, nach der ersten Niederlage seiner Amtszeit feuerte. Im Interview mit biber-Redakteur Amar Rajković plaudert „Vaha“ über die Besonderheiten des schwarzen Kontinents, sein Verhältnis zu Didier Drogba und tanzwütige Fußballfans.

 

biber : War Ihre Entlassung als Trainer der Elfenbeinküste gerechtfertigt?

Vahid Halihodžić: Wenn du zwei Jahre im Amt bist und dann nach der ersten Niederlage sofort entlassen wirst, kann sich jeder ausmalen, ob das gerechtfertigt ist. Wir haben ausgezeichnet gespielt und sind unter unglücklichen Umständen im Viertelfinale
des Afrika-Cups (Anm. der Redaktion: 2:3 gegen Algerien) ausgeschieden, wobei wir bis zur vorletzten Minute in Führung gelegen sind und uns ein reguläres Tor aberkannt wurde. Die Entscheidung mich zu feuern, war höchst bizarr.

Es gab Gerüchte, Chealse-Legionär Didier Drogba hatte etwas mit Ihrer Entlassung zu tun. Wie ist Ihr Verhältnis??

Ich hatte nicht nur zu Drogba, sondern zur ganzen Mannschaft ein ausgezeichnetes Verhältnis. Der Auftritt beim Afrika Cup stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Die Hälfte der Spieler wollte nach dem Anschlag auf das Team von Togo* nicht am Turnier teilnehmen. Wir waren unmittelbare Augenzeugen, weil Togo im benachbarten Hotel untergebracht war.
Das hat sich sehr stark auf die psychische Verfassung der Spieler niedergeschlagen. Ich habe seit 40 Jahren mit Fußball zu tun.
Trotzdem habe ich nie miterlebt, dass ein Trainer nach seiner ersten Niederlage nach 23 Siegen, ohne ersichtlichen Grund einfach gefeuert wird. Ich schätze, mit dieser Kündigung habe ich mir einen unrühmlichen Platz im Guiness Buch der Rekorde verdient.


Sie haben sowohl in Ex-Jugoslawien bei Velež Mostar als auch in Frankreich bei mehreren Teams als Trainer gearbeitet. Was sind die größten Unterschiede zwischen Europa und Afrika?

Jeder Kontinent hat seine Eigenheiten. Ich konnte schon Ende der 90er Jahre meine ersten Erfahrungen in Afrika bei „Raja de
Casablanca“ sammeln, wo wir das Double aus marokkanischer Meisterschaft und afrikanischem Supercup schafften. Die afrikanischen Spieler sind verrückt nach Musik und Feiern. Selbst die größten Stars, die bei europäischen Top-Clubs ihre Brötchen verdienen und sich längst an das Disziplindiktat gewöhnt haben, lassen keinen Gelegenheit aus, wenn es darum geht Feiertage zu zelebrieren und die Nächte durch zu tanzen. In Europa ist so etwas undenkbar und wird sofort rigoros bestraft.

Wie war Ihr Verhältnis zu den Fans?

Wie überall auf der Welt bist du der Held, solange du Spiele gewinnst. Bei afrikanischen Fußballanhängern ist es noch etwas
extremer, es gibt überhaupt keine gemäßigte Mitte. Der Grat zwischen euphorischer Freude auf der einen Seite und großer Trauer und Bedrückung auf der anderen ist sehr schmal. Als Trainer musst du jedes Spiel gewinnen, ganz egal, wer der Gegner
ist. So gab es große öffentliche Kritik an der Mannschaft als sie „nur“ Unentschieden gegen Deutschland gespielt hat. Dass
Deutschland eine Fußballmacht ist, hat dabei keinen interessiert. Der Fußball und sein ganzes Umfeld werden ausschließlich
auf der emotionalen Ebene wahrgenommen.

Verfolgen Sie noch die Fußballszene Ihrer Heimat, vor allem jene von Mostar?

Ich versuche, meinem Verein Velež in Form von Spenden zu helfen. Die Situation dort macht mich immer wieder sehr traurig. Die
Stadt ist noch immer geteilt. Velež wurde aus seinem Stadion vertrieben und spielt auf einem Ackerfeld. Entweder man lässt
den Verein in sein altes Stadion zurück oder baut ihm ein neues. Dahinter steckt nur politisches Kalkül. Alleine der Gedanke an
die politische Situation dort erfüllt mich mit Wut und Trauer.

Kommen wir zu etwas Erfreulicherem. Ihr Favorit auf die WM-Krone?

Der Titel führt nur über Spanien und Brasilien, die zwei stärksten Mannschaften derzeit.

Was ist mit den afrikanischen Teilnehmern?

Die stärkste Mannschaft in Afrika ist Ägypten. Das hat man bei der Afrikameisterschaft gesehen, wo sie schon zum dritten
Mal hintereinander siegreich waren. Leider haben sie sich nicht für die WM qualifizieren können. Die Elfenbeinküste versucht
seit Jahren, es mit ihrer goldenen Generation um Drogba, Kalou, Eboue, Toure den Ägyptern gleich zu tun. Bei der WM haben
die afrikanischen Teams höchstens Außenseiterchancen.

Wie geht es mit Ihnen weiter?

Ich habe schon einige Angebote vorliegen, möchte mich jedoch in nächster Zeit mehr meiner Familie widmen. Was ich sicher
sagen kann ist, dass es auf jeden Fall eine Vereinsmannschaft wird.

Der Posten als bosnischer Coach kommt also nicht in Frage?

Die Mannschaft ist sehr gut aufgestellt und hat einen intakten Kern. Ich fühle mich noch nicht bereit für diese Aufgabe.

 

 

Vahid „Vaha“ Halihodžić wurde am 15. Okt 1952 in Jablanica (ehemaliges Jugoslawien) geboren. Nach höchst erfolgreicher nationaler Karriere bei Mostar Velež (106 Tore in 209 Spielen), wechselte er zum FC Nantes nach Frankreich. Dort konnte er seinen Torriecher wiederholt unter Beweis stellen und wurde 1985 und 1987 Torschützenkönig in der Ligue 1. Die Trainerkarriere führte ihn über seinen Heimatverein „Velež“ abermals nach Frankreich, Marokko und schließlich an die Elfenbeinküste, wo er am 27. Februar 2010 – trotz gelungener WM-Qualifikation und nur einer Niederlage in 24 Spielen – entlassen wurde. Halihodžić ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er hat den Anfang des Bürgerkriegs in Bosnien und Herzegowina
hautnah miterlebt und wurde 1992 bei einem Granateneinschlag in Mostar verletzt.

*Bei einem Anschlag auf den Mannschaftsbus Togos im Vorfeld des Afrika-Cups in Angola wurden der Pressesprecher und der Assistenztrainer getötet. Die Regierung von Togo reagierte und beorderte alle Spieler, die trotz des Vorfalls spielen wollten, zurück in die Heimat.

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Kommentare

 

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klar, habe das damals intensiv mitverfolgt. Afrika ist auch in dieser Hinsicht "anders".
Fußballerisch gesehen ist Adebayor ein sehr fähiger Mann, charakterlich hat er sich bei den Fans von seinem ehemaligen Verein Arsenal jedoch ziemlich ins Abseits gespielt. Sein auffallend provokanter Jubel vor den Arsenalfans nach einem geschossenen Tor, hat bei mir einen besonders bitteren Nachgeschmack hinterlassen.

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