Wie aus Bernd Muhammed wurde

08. März 2011

„Papa, ich bin jetzt Moslem!“ Muhammed Siddik hieß früher Bernd, ging am Wochenende regelmäßig aus und trank Alkohol. Jetzt ist er praktizierender Muslime und pilgerte schon nach Mekka. Im islamischen Zentrum erzählte uns Muhammed von seinen Motiven, den Reaktionen aus dem Umfeld und seine Meinung zum radikalen Islam-Prediger Pierre Vogel.

Von Amar Rajković und Hans Hochstöger (Foto)

biber: Wann bist du das erste Mal mit dem Islam in Berührung gekommen?


MUHAMMED SIDDIK:
Früher war ich der typische österreichische Junge. Ich ging weg, trank Alkohol und hatte One Night Stands. So wie bei „Saturday Night Fever“ (Anm. der Redaktion: wöchentliche Reality-Soap auf ATV). Mit 15 verließ ich meine Heimatstadt Knittelfeld, um als Bürokaufmann in Innsbruck zu arbeiten. Dort lernte ich tschetschenische Freunde kennen, die mich sofort wie ein Familienmitglied behandelt haben. Mir gefiel vor allem der  Respekt und Umgangston, den die Jungen gegenüber den Älteren gezeigt haben. Außerdem war ich in ihrem Haus 24 Stunden lang willkommen. Das gibt es bei uns in Österreich nicht.

Das war für dich der Grund, sich dem Islam anzunähern?

Richtig. Ich habe einfach mal bei einem Gebet mitgemacht. Dann besorgte ich mir einen Koran, auch als Hörbuch. Mein Ohr hatte noch nie davor so schöne Melodien wahrgenommen. Früher hörte ich nur Gangster-Rap, der Koran war eine unglaublich schöne Abwechslung zu diesen hasserfüllten Texten. Ich traf mich von da an nur mehr mit meinen islamischen Freunden und unterbrach den Kontakt zu meinen österreichischen Bekannten weil sie sowieso nur am Saufen interessiert waren.

Was stört dich an der österreichischen Gesellschaft?

Unsere Gesellschaft ist rein auf materielle Gewinne ausgerichtet. Es geht nur mehr um den besseren Job, das schnellere Auto, die größere Villa. Dieser Leistungsdruck betrifft vor allem die Frauen. Sie fühlen sich in ihrer Doppelfunktion überfordert und sind nicht glücklich damit. Unser Prophet Muhammed kochte zusammen mit seiner Frau, putzte seine Schuhe selbst und war der größte Hausmann.


Muss deine Frau eine Muslima sein?
Selbstverständlich.

Warum?

Islam ist das Allerbeste für die Frauen. Er bietet ihnen den notwendigen Schutz vor gierigen, männlichen Blicken. Ich erinnere mich da an die Zeit, bevor ich konvertiert bin. Ich schaute bei verschleierten Frauen als Einziges in ihr Gesicht. Wo soll ich denn sonst hinschauen? Alles andere ist bedeckt. Den unbedeckten Mädels mit Mini-Röcken und engen Tops habe ich früher immer nachgepfiffen. Bis ich mir eines Tages die Frage stellte: „Was wäre, wenn das meine Mutter, Tochter oder Schwester wäre? Würde mir das gefallen?

Das gefällt keinem.

Unser Prophet sagte: „Der Beste unter euch ist der, der am Besten mit seiner Frau ist.“ Jeder Moslem, der seine Frau unterdrückt, schlägt oder nur mit verbaler Gewalt misshandelt, hat den Islam nicht verstanden.

Wie erklärst du dir dann die nichtendenwollende Diskussion um das Koptuch, arrangierte Hochzeiten und Ehrenmorde?

Das ist alles traditionell bedingt und hat nichts mit dem Islam zu tun. Dieses Machogehabe ist eine Schande für den Islam. Unser Prophet Muhammed sagte, dass eine Frau, die von ihrem Vater verheiratet wird, ihre Zustimmung geben muss. Sonst ist die Heirat ungültig.

Das „Kopftuch“ basiert auch auf Freiwilligkeit?

Das Kopftuch ist eine Pflicht im Islam, aber man kann nicht nur daran messen, ob sie eine gute oder schlechte Muslima ist, sondern vor allem an ihren Taten.

Wie hat deine Familie auf dein „Coming-out“ reagiert?

Der Übertritt zum Islam ist kein punktuelles Ereignis. Du wachst nicht auf und hast einen langen Bart und siehst wie der Scheich von Arabien aus. Am Anfang habe ich es geheim gehalten. Dann habe ich es meiner Familie versucht schonend beizubringen. Meine Eltern haben es gleich akzeptiert, machten sich zugleich Sorgen, ob ich zu einem Extremisten werde. Sie haben es mittlerweile verstanden und auch eingesehen, dass der Islam mit  Terrorismus nichts zu tun hat.

Und deine Freunde?

Man sieht sehr schnell, wer ein wirklicher Freund ist und wer nicht. Meine österreichischen Weggeh-Freunde haben sich nie wieder bei mir gemeldet und sich nach meinem Wohlbefinden erkundigt. Ich schätze, das sagt alles. Meine Arbeitskollegen im Büro haben mich jeden Tag angegriffen. „Wie siehst du aus? Warum trägst du einen Bart?“  Während des Ramadans verhöhnten sie mich und fragten mich provokant, ob ich auch etwas vom Chinesen bestellen möchte.

 

 


Wie ist Demokratie und Islam miteinander vereinbar?

Unser Prophet hat uns gelehrt, dass wir uns an die Gesetze des Gastgeberlandes halten sollen. Mein persönlicher Wunsch ist es allerdings, eines Tages mit meiner muslimischen Frau in einem arabischen Land zu leben, das die Scharia (Anm.: islamisches Rechtssystem) als Rechtsgrundlage hat.

Warst du schon in einem arabischen Land?

Ich bin 2009 nach Mekka gepilgert. Das war die schönste Reise meines Lebens. Sieben Millionen Menschen auf einen Fleck und alles geht so friedlich zu. Du triffst Menschen aus aller Herren Länder, mit denen du lachst, weinst. Alle haben dabei eines gemeinsam. Die Liebe zu Gott. Das hat meinen Glauben an Allah noch mehr verstärkt.

Du warst Boxer, bist ein Konvertit und predigst gerne zum Islam. Die Parallelen zum deutschen Prediger Pierre Vogel* sind unüberschaubar. Was hältst du von ihm?

Ich verstehe nicht, warum Pierre Vogel immer kritisiert wird. Dabei äußert er sich immer ganz klar gegen den Terror und Gewalt in der Familie. Ich habe ihn schon in München während eines Boxkampfs getroffen und nie was Schlechtes aus seinem Mund
gehört. Als ich damals zum Islam konvertierte, fühlte ich mich unsicher und unverstanden. Sein Schicksal und Geschichte bestärkten mich.

Wo wohnst du derzeit?

Ich lebe seit kurzer Zeit in Wien. Ich habe mir vor meiner Ankunft hier vorgenommen, mit dem Versteckspiel aufzuhören und mich öffentlich zum Islam zu bekennen. Meine Arbeitskollegen in Wien haben mich super aufgenommen und schauen mich nicht schief an. Wenn sie eine Zigarettenpause einlegen, gehe ich einfach beten. Das ist der große Unterschied zw. Großstadt und Land.

Wie sollen deine Kinder erzogen werden?

Ich möchte meine Kinder in den muslimischen Kindergarten schicken, was hier in Wien auch möglich ist. Sie sollen von Grund auf lernen, dass man Menschen mit Respekt und Achtung begegnen soll. So wie es sich für einen aufrichtigen Moslem gehört.



*Pierre Vogel ist ein zum Islam konvertierter deutscher Prediger. Der ehemalige Boxer geriet in Schlagzeilen als er die Stellung der Moslems in Deutschland mit jenen der Juden im Dritten Reich unter Hitler verglich. Vogel lehnt Gewalt im Islam grundsätzlich ab, ebenso spricht er sich aber gegen einen pluralistischen Staat mit mehreren Religionen aus. Er steht seit 2007 unter Beobachtung des deutschen Verfassungsschutzes. Pierre Vogel ist vor allem unter jungen Moslems beliebt.

 

 

 




biber: Frau Baghajati, Sie sind selbst zum Islam konvertiert. Wie viele Österreicher machen es Ihnen gleich?

AMINA BAGHAJATI:
In der Islamischen Glaubensgemeinschaft gibt es ungefähr 30 Konvertierungen pro Jahr. (Stand 2009) Nur aus diesen Zahlen lässt sich allerdings kaum ein stichhaltiger Wert für die Statistik ermitteln. Das hängt damit zusammen, dass es im Islam keinen Aufnahmeritus vergleichbar der Taufe im Christentum gibt, es also auch vorkommen kann, dass jemand konvertiert, ohne das „offiziell“ zu machen.

Mit welchen Problemen haben die Neo-Moslems zu kämpfen?

Momentan ärgern sich Konvertierte vor allem über die Panikmache ihnen gegenüber, wenn sie in Zusammenhang mit extremistischen oder sogar gewaltbereiten Gruppen gestellt werden.

Wie geht man vor, wenn man den gegensätzlichen Weg einschlagen möchte, also vom Islam austreten will?

In Österreich ist der Austritt für alle anerkannten Religionsgesellschaften gleich geregelt. Ein Formular liegt bei den Behörden (Magistratisches Bezirksamt) auf. Das wird ausgefüllt und eine Kopie an die religiöse Vertretung geschickt. Bis zum Alter von zehn Jahren haben die Kinder nichts mitzureden. Erst mit vierzehn sind sie religionsmündig.

Bereich: 

Kommentare

 

Bernd hat nen Schaden... :) (wegen Scharia)

 

was der alkohol aus menschen macht - der muss sich wachgsoffn haben :-)

 

teilweise seine neue "einstellung". aber er tut so, als ob nur die eine religion dazu verhilft, ein besserer mensch zu werden. wenn er aber das gefühl hat, durch den islam ein besserer mensch geworden zu sein, ist es ok...

 

jap da hast du recht :)

 

dass sein kind kein mädel ist oder wird....

mfg
fred

 

Super einstellung! ich find's klasse was er macht! manche menschen brauchen einen halt im leben und er hat diesen halt in der religion, im islam gefunden und hat sich von grund auf geändert! class!

 

++++++++++

 

sorry, aber soetwas mach mich einfach nur sauer! die österreicher sind ein volk von erfolgsorientierten säufern und im islam ist alles heppi peppi? das ist für mich so ein negativbeispiel für die positiven auswirkungen der religion. er will sein kind in einen muslimischen kindergarten schicken, hat nur noch muslimische freunde, etc. das ist ausgrenzung pur. wäh! und die frau findet den richtigen schutz im islam? einen schutz im kopftuch? weil männer triebgesteuerte tiere sind???? hmmm...

 

Ist doch nur seine Sichtweise auf die Welt! Keiner sagt, dass es die Richtige ist. Aussedem staht fast gar nichts so wie du es jetzt schreibst im Artikel.

Man kann alles immer irgendwie anders sehen, als es geschrieben oder geschehen ist......... darum haben wir auch so viele Probleme in der Welt!

 

die bagajati schreibt ja, dass man erst mit 14 religionsmündig ist.
allerdings ist der weg ja vorher schon durch die eltern bestimmt, wenn das kind in einen bestimmten kindergarten gesteckt wird.
ich find diese isolation, bei welcher religion auch immer, nicht gut.
ein kind wird ja dadurch geprägt...
und wenn es dann im alter von 14 jahren doch anders denkt oder mit religiösen regeln nicht zurecht kommt, ist es schwer aus der welt auszubrechen, weil man ja nur die kennt. vor allem nur das umfeld.

religionsunterricht ist ok, allerdings eher als religionsaufklärung, wo man mit andersgläubigen kindern im unterricht sitzt und gemeinsam über religionen lernt.
"und jetzt lernen wir über jesus. und jetzt lernen wir etwas über das leben mohammeds"

 

Soweit ich verstanden habe, ist dieser Typ irgendwo vom Lande. Da geht es aber in der Schule definitiv anders zu im Religionsuntericht (ich kenn das aus persönlicher Erfahrung). Am Lande gibt es nur das Kirchenchor, die Blaskapelle und die ÖVP-Jugend :)

 

der is vom land. allerdings ist er ja deshalb auch nach wien gezogen, um seinen kindern einen muslimischen religionsunterricht zu ermöglichen.
dass am land bissi zu einseitig im religionsunterricht gelehrt wird, tatsache.
ich hab damals auch nur bibelquiz gespielt und hab nichts über andere religionen gelernt.

 

Es ist genau die Umkehr der "Abendland hui, Morgendland pfui" Analogie. Nicht alle Ösis saufen sich zu Tode und nicht alle Moslems laufen mit einem Sprengstoffgürtel herum.

 

Um die menschen mit Respekt zu begegnen muss man kein Moslem, Katholik...sein, genauso wie Hilfsbereitschat, Beten oder in einer Familie Willkommen sein, nicht die Kennzeichen einer Religion sind. Man ist einfach nett und gut und zieht sein ding durch oder eben nicht.

Die ganzen Kennzeichen die er der Religion (Islam) zuschreibt, findet man auch wo anders. Als Katholik ist er nicht auf die Idee gekommen die Bibel zu lesen.......denn dort hätte er auch die gleiche Voraussetzungen für einen guten Katholiken finden können......Aber jedem das seine

 

Eiso , Bernd

ist mein Arbeitskollege. Ich finde seine Einstellung toll, ich bewundere einen Menschen der sich etwas vornimmt dies auch durch zieht. Er ist eine sehr starke Persönlichkeit und zum Glück ist es ihm egal wie andere denken.

Ich selbst bin kein Moslem und akzeptiere seine Einstellung ich bin begeistert wie er sich gibt!!!

Er ist einer der wenigen Muslimen die wirklich nach dem Kuran leben!! Er tut das auch. vorallem ist er ein sehr hilfsbereiter mensch.

Jedenfalls komplett das Gegenteil von manch anderen, da könnten sich so einige ein Stückchen abschneidnen.

Diese Möchtegern *moslems* sollten sich ein Beispiel an ihm nehmen. Menschen die behaupten Sie sind Moslems und gar nicht danach deren Leben gestalten, sind dies auch gar nicht!!

Sind doch nur "schwuchteln" in meinen Augen :D

 

Ich möchte dich nur daran erinnern, dass das Wort "schwuchteln" auf der biber-HP sicher NICHT toleriert wird. Damit manövrierst dich und deinen comment gehörig ins Abseits. Bitte darüber nachzudenken und in Zukunft zu hinterlassen, sonst müssen wir dich auf der HP sperren.
danke

 

type_o_negative

Kann man doch nicht so einfach sagen.
Die Saria beinhaltet 3 Bereiche:

-Fiqh:
1. Gottesdiensltiche Handlungen (Al Ibadat) wie z.B.: Beten, Fasten, Zakat usw.)
2. Zwischenmenschliche Beziehungen (Mualamat) wie z.B.: Strafrecht, Familienrecht, Zivilrecht usw.)

- Glaubensgrundsätze

und
- die Morallehre (Verhaltenslehre/ Akhlaq)

Das Bild das die meisten Nicht-Moslems und sogar auch "Wanne Be Moslems" haben ist total falsch.

Ich selbst als Muslimin kann einige Punkte die in der Saria auftauchen nicht befürworten und kritisiere sie. Aber zu so einem Schluss zu kommen das er einen "Schaden" hat, ist unüberlegt und entsteht aus reiner Unwissenheit dem Islam gegenüber.

LG

 

während viele moslems nicht einmal freitags zum gebet gehen, macht ein österreicher viel mehr ! ich finds echt toll :)
& das nicht wiel ich eine muslima bin, nein, sondern ich finds toll dass er etwas fest entschlossen & überzeugt bis zum ende durchgezogen hat, und das in europa ..

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