HALAL - FASHION: Stylisch mit Kopftuch

07. Juli 2011

Schwarzes Kopftuch, grauer Mantel und Hofer-Sackerl waren gestern: Junge Muslimas haben ihren eigenen Chic entwickelt. Wie sie Mode und Koran kombinieren, erzählen sie biber auf einer Halal-Shoppingtour.

Text von Clemens Neuhold,  Filiz Türkmen und Philipp Tomsich (Fotos)

Es ist nur ein kurzer Blick, den Sinem ihrer Freundin Gülan vor der Umkleidekabine zuwirft, doch dahinter steckt eine große Frage: ist dieses Sommerkleid mit dem Islam vereinbar? Sinem dreht sich schwungvoll vor dem Spiegel, Gülan nickt anerkennend: es wird das beige, luftige Sommerkleid. Gülan und Sinem gehen gerne gemeinsam einkaufen, denn sie haben zwei Dinge gemeinsam: Beide tragen Kopftuch, beide lieben Mode.


Damit stehen sie stellvertretend für eine ganze Generation junger Kopftuchträgerinnen, für die eine Shopptingtour auf der Mariahilfer Straße genauso zum Leben gehört, wie der Besuch in der Moschee; eine Generation, die sich modisch von ihren Müttern und Großmüttern emanzipiert hat, ohne die Regeln des Koran zu missachten. Verhüllung heißt für sie nicht, auf die Farbe der Saison oder trendige Schnitte zu verzichten. „Im Unterschied zur Eintönigkeit von früher haben wir mehr Farben in unser Leben gebracht. Für uns war es ab der Pubertät genauso ein Thema, uns modisch auszudrücken wie für unsere österreichischen oder serbischen Freundinnen. Wir haben mit ihnen Wimperntusche gekauft.“

Henna statt Tattoo
Sinem, die seit ihrem elften Lebensjahr Kopftuch trägt, wusste damals schon sehr genau, wie weit sie gehen kann, weil sie ihre Eltern und älteren Geschwister berieten. Andere Mädls tun sich damit nicht so leicht. Denn anders als die Regeln fürs Fasten oder Beten sind die Regeln für islamgerechte Mode, an denen sich die meisten Kopftuchträgerinnen in Österreich orientieren, nicht eindeutig im Koran niedergeschrieben. Sinngemäß verbietet der Koran nur, die Weiblichkeit zu stark zu betonen. Die Verhüllung diene dazu, die Frauen vor allzu „begierigen“ Blicken der Männer zu schützen. Das lässt einen gewissen Freiraum offen. Jede Muslima muss für sich selbst bestimmen, was halal (übersetzt: „zulässig“, „gerecht“) ist.

Ein Verbot von Schminke oder Schmuck lässt sich aus dem Koran nicht automatisch ableiten. Bestes Beispiel sind iranische Frauen, die bekannt für ihr auffälliges Make-up sind. „Das hängt vom Kulturkreis ab. Wir schminken uns nur sehr dezent. Ein bisschen Wimperntusche ist schon drin“, sagt Gülan. Für beide ein No-Go sind lackierte Fußnägel und Fingernägel, „das verträgt sich nicht mit den Gebetswaschungen“. Es würde ihnen auch nie in den Sinn kommen, ihren Körper mit Tattoos, Piercings oder gar Botox-Injektionen zu verändern. Ein Henna-Tattoo auf der Hand gehört für Sinem hingegen zu jedem Sommer dazu.

Verhülltes Sommerkleid
Bei der Kleidung gibt es für die beiden zwei zentrale Regeln: Wenig Haut, wenig Kurven. Deswegen wird Sinem das neue Sommerkleid nie so tragen, wie es die Schaufensterpuppen tun. Gülan stimmt dem Sommerkleid deswegen zu, weil Sinem dazu ein Bolero-Jäckchen über die Schultern gezogen hat. Sinem zur Oberbekleidung: „Die Arme sollten komplett bedeckt sein, alles unter dem Ellbogen nehme ich aber nicht mehr so streng.“ Das Sommerkleid ist knöchellang, zu einer kürzeren Version würde sie eine engere Hose tragen, zum Beispiel eine skinny Jean. Warum nicht einfach eine Strumpfhose zum kurzen Rock?
„Zu eng, zu transparent“, erklären die beiden synchron.

An den Füßen ist es kein Problem, Haut zu zeigen. Gülan trägt Sandalen, Sinem Ballerinas.
Und High-Heels? „Die sind schon in Ordnung“, sagt Gülan, „wenn jemand damit gehen kann. Mir persönlich ist das zu anstrengend. Was sagt Ednan Aslan, Professor am Institut für islamische Religionspädagogik zu Kopftuchträgerinnen wie Sinem und Gülan? „Sie sind gebildet, sehen mehr von der Welt, leben in Großstädten und identifizieren sich anders mit dem Islam, als die Generationen zuvor. Mit ihrem modernen Kleidungsstil finden sie ihre ganz eigene Identifikation mit dem Islam.“

Kopfsache
Gerade das Kopftuch scheint für die beiden Frauen das Zentrum des modischen Ausdrucks. Gülan trägt ein violettes Kopftuch mit den Yves-Saint-Laurent-Buchstaben, dazu ein farblich abgestimmtes Band am Haaransatz. Sinem hat ihr rotes Kopftuch mit glitzernden Stecknadeln verziert. Sie schnappt ihr Sommerkleid, ihr Bolerojäckchen und schreitet zur Kasse. „Mit meinen Kopftüchern bin ich farbenfroher als so manche Blondine“, sagt sie selbstbewusst und wirft dabei ihren Kopf zurück als würde sie ihr Haar durchschütteln.



Einige junge Kopftuchträgerinnen reizen die modischen Grenzen bewusst aus – allerdings nur, wenn Papa es nicht sieht.

Freitagabend, 23 Uhr, die Stimmung im Club 34 im 10. Bezirk nähert sich dem Höhepunkt. Frauen und Männer bewegen ihre Körperzu dröhnendem Orient-Techno. Mittendrin shakt die 21-jährige Hülya lasziv auf ihren 10 cm High-Heels mit Leopardenmuster. Ihr enges Kleid schwingt bei jeder Bewegung mit. Der rote Lippenstift und das starke Make-up sind vom schweißtreibenden Tanzen schon ein wenig verschmiert. Die junge Frau genießt es, Star auf der Tanzfläche zu sein und im Mittelpunkt zu stehen. Dass sie dabei auch Blicke der Entrüstung erntet, nimmt sie in Kauf. Der Stein des Anstoßes: Hülya trägt Kopftuch. „Ich bin Muslimin und habe Spaß daran – das zeige ich gerne“, schildert sie auf der Damentoilette, während sie sich die Lippen nachzieht. „Die Frauen, die über mein Styling lästern, sind nur neidisch, weil ich gut aussehe und die Männer frustriert, weil sie mich nicht haben können.

Sara, die hübsche Perserin trägt Kopftuch seit ihrem 13. Lebensjahr. „Aus religiöser Überzeugung“, sagt sie. Zuhause ist sie die brave Tochter, die im Haushalt mithilft und auf die Geschwister aufpasst. Außerhalb dieser vier Wände will sie auf die moderne Lebensweise des Westens nicht verzichten. Während sie von sich erzählt, betrachtet sie mit funkelnden Augen ein sexy bordeauxfarbenes Kleid in einer Auslage auf der Kärntner Straße. „Das muss ich unbedingt anprobieren!“, sagt sie und verschwindet in der Umkleidekabine. Sara kommt wieder raus und trägt das Kleid mit nackten Beinen und nicht mit einer engeren Hose darunter, wie es andere Muslimas machen würden. Während sie sich vor dem Spiegel dreht, erzählt sie, dass besonders konservative Kopftuchträgerinnen schlecht über sie reden. „Eine Schande für den Islam“ sei sie, „nicht bereit, das Kopftuch zu tragen“.

Das zweite Ich im Sackerl
So selbstbewusst Hülya und Sara in der Disco oder im Modetempel sind – es gibt eine Schwelle, die sie mit ihrem Outfit nicht überschreiten: die ihres Elternhauses. Ihre konservativen Eltern dürfen von ihrer Garderobe nichts wissen. „Ich gehe immer hochgeschlossen angezogen aus dem Haus, habe aber stets eine Tasche bei mir mit einem anderen Outfit, Make-up und hohen Schuhen. Meine Eltern würden mich umbringen, wenn sie wüssten, wie ich gerade ausschaue, die denken ich übernachte bei meiner Cousine. Dabei ist die heute selbst in der Disco.“ Schnell zupft Hülya sich noch ihr Kopftuch zurecht und stürmt aus dem WC, ihr Lieblingslied wurde gerade angestimmt: „Öp“ von Tarkan. „Dazu kann ich besonders gut shaken!“

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Kommentare

 

Es gibt volle hübsche Weiber mit geilem Kopftuche :-) Ich mag am liebsten jene, die türkise Tücher haben.

Aber die Majorität der Muselfrauen kommt wie Schleiereulen daher.

 

Danke für diesen gut geschriebenen Artikel. Leider erschließt sich ja mir persönlich oft nicht, warum manche Frauen ein Kopftuch tragen. Nicht, weil ich prinzipiell dagegen bin, sondern weil es oft einfach nicht zum Gesamtbild passt. Vor allem junge Muslima sehe ich oft mit tiefen Ausschnitten, sehr engen Kleidungsstücken und hohen Absätzen, extrem geschminkt, lackierte lange Fingernägel usw. Was genau bezweckt dann dabei ein Kopftuch? Ich frage nur, weil ich es nicht verstehe.

 

Vielleicht hat das Kopftuch dann einfach nur mehr Symbolkraft, ich weiß es nicht so genau. Ich finde aber, dass manche junge Muslimas, die ihr Kopftuch irgendwie so stylisch gebunden haben, echt gut ausschauen. Wobei ich mich schon manchmal auch frage, wie sehr man "vor den Blicken der Männer geschützt ist", wenn man ein hautenges Top an hat und extrem stark geschminkt ist und halt ein Kopftuch trägt - also irgendwo wird es dann ein bissl ad absurdum geführt. Trotzdem finde ich es aber nicht schlecht, wenn sich Muslimas mit Kopftuch so kleiden wie sie wollen und das machen, worauf sie Lust haben

 

Falls Du als Symbolkraft meinst, dass es dann ein Pendant zum christlichen Kreuz ist, das ja einige als Anhänger tragen, dann sag ich: okay, Du hast recht. Mit der Argumentation des "Beschützens vor Männerblicken" hingegen greift das dann in oben besagtem Fall aber nicht mehr.

 

Ich meine Symbolkraft im Sinne von, "ich zeige durch mein Kopftuch, dass ich Muslimin bin", ob es seinen (ursprünglichen) Zweck erfüllt, ist dann vielleicht nicht mehr so wichtig

 

...

Hast (leider) vollkommen recht, es passt einfach so wie du es beschrieben hast nicht zum Gesamtbild.
Enge Kleidungsstücke und hohe Absätze etc. passen nicht zum Prinzip der Bedeckung, denn es soll nicht auffallend sein sondern ganz im Gegenteil bedeckend und nicht auffallend sein.

Daher wie gesagt: Passt es nicht zusammen...

 

heißt also man darf sich einfach aussuchen, wie man den Koran interpretiert? Es ist halt das erlaubt, was mir passt? Es geht bei den Richtlinien darum, dass Frauen vor Männern nicht allzu aufreizendes Gewand tragen sollten. Und modisches und auffallendes Gewand könnte genauso unter aufreizend fallen. Dieser Artikel is einfach der Inbegriff dessen, dass junge muslimische Frauen in einer Welt zwischen traditionellen Geboten und modernen Verlockungen leben. Und der Text kein Report dessen, wie man Muslima und trotzdem modern und normal sein kann, sondern genau umgekehrt: Der Ausdruck dessen, das es nicht geht. Ein Heile-Welt-Report mit Null Reflexion und Tiefe.

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