Der Balkan-Obama

14. November 2011

Seine Vorbilder sind Obama und Gandhi, seine Alltagssprache ist Slowenisch. Peter Bossman ist der erste schwarze Bürgermeister am Balkan. So mancher Bewohner von Piran hätte ihn gerne als Präsidenten.

 

Rund 200 Menschen haben sich auf der Promenade von Portorož (Gemeinde Piran) versammelt, um den Opfern des Nationalsozialismus zu gedenken und die Titopartisanen als Befreier zu feiern. Der kalte, böige Fallwind Bura scheint ein Partisanenfreund zu sein, er lässt die zahlreichen Fahnen mit fünfzackigem Tito-Stern zur vollen Entfaltung kommen. Das Orchester stimmt das Publikum mit heroischen Klängen auf den Auftritt ihres Bürgermeisters ein. Peter Bossman schreitet zum Mikrofon und sagt andächtig: „Ich bewundere Partisanen für ihre Werte, alle Menschen sollten sich ein Beispiel an ihnen nehmen.“

Slowenischer Obama

Für den Bürgermeister der 19.000-Einwohner-Gemeinde gehören Ansprachen wie diese zur alltäglichen Routine. Er kennt die Geschichte Jugoslawiens gut und kann sich in die Menschen hineinfühlen. Dabei hatte der in Ghana geborene Sohn eines Politikers lange keine Ahnung, wo Slowenien überhaupt liegt. Dorthin verschlug es ihn zufällig Ende der 70er-Jahre, kurz vor dem Tod Titos, dessen Partisanen er nun regelmäßig in Festansprachen ehrt.

„Ich wollte ursprünglich zum Medizinstudium nach London. Jedoch war das Kontingent an ghanaischen Studenten dort ausgeschöpft und so wurde ich nach Jugoslawien gesandt.“ Bossman erinnert sich an seine Zugfahrt von Belgrad nach Ljubljana, wo er sein Medizinstudium abschließen sollte: „Die Menschen schauten mich mit großen Augen an, ich merkte, dass sie jemanden wie mich zuvor noch nie gesehen hatten.“ 30 Jahre später war die Verwunderung genauso groß als Bossman im Oktober letzten Jahres die Stichwahl gegen seinen Vorgänger, Tomas Gantar, überraschend gewann. Die Nachricht schlug wie ein Blitz ein. CNN, BBC schickten Kamerateams an die Adriaküste. Das verschlafene Städtchen, das bis dahin für seine malerische Altstadt mit engen Gässchen bekannt war, stand über Nacht im medialen Rampenlicht. Piran hat einen schwarzen Bürgermeister, die heimischen Medien tauften ihn kurzerhand „slowenischen Obama“, ausländische Staatschefs und Premiers gratulierten. Nun ist er ein Jahr im Amt und hat Popularitätswerte, von denen Obama nur träumen kann.

 

Erste Liga!

Vittorio Lusa gehört zur italienischen Minderheit in Piran. Der Pensionist mit dem ausgefallenen Bambushut betreibt einen Stand auf dem Tartini-Platz. Heute, am 15. Oktober, findet das Stadtfest statt. Die in einem oval ausgerichteten Holzstände bieten den Besuchern regionale Produkte zur Verkostung an: Rotwein, Olivenöl,

 

 

 

Salz, Honig oder Žigele, eine in Alkohol getauchte, olivenähnliche Frucht – alles eben, worauf die Region stolz ist. Da darf der Bürgermeister natürlich nicht fehlen. Peter Bossman macht geduldig die Runde und lässt nichts aus. Ein Glaserl Wein und ein Stückchen Käse da, ein Gedankenaustauch dort. Die Menschen scheinen ihr exotisches Oberhaupt zu respektieren, trotz gebrochenem Slowenisch. Ein Makel, der ihn im Vorfeld der Wahlen von seinen Gegner als große Schwäche attestiert wurde. Wie könne ein slowenischer Politiker mit Menschen reden, wenn er nicht die Landessprache beherrscht?, ätzte die Opposition. Er selbst blieb gelassen: „Ich spreche kein perfektes Slowenisch und werde es auch niemals tun.“ Für diese Offenheit und Gelassenheit mögen die Piraner ihren Bürgermeister. Meti ist Obstverkäufer und spart nicht mit Komplimenten: „Der Mann ist erste Liga, da gibt’s nichts!“ Um seinen Enthusiasmus zu unterstreichen, gibt er eine Runde Bananen aus.

 

Doktor der Herzen

Wie konnte ein afrikanischer Immigrant eine ganze Region verzücken? Toni Biloslav, das Ebenbild von Käpten Iglo und Direktor des größten Skulpturgartens in Europa, kennt die Antwort. „Peter ist ein ausgezeichneter Arzt, ein Umstand, der ihm zum Erfolg verholfen hat.“ Tatsächlich erzählt man sich in Piran, dass der gelernte Allgemeinmediziner die meisten Patienten in ganz Slowenien hatte. Seinen Beruf als Arzt habe er nicht aufgegeben, jedoch stark eingeschränkt. „Ich kann leider nur mehr ein Mal in der Woche in meiner Ordination arbeiten. Aber ganz ohne meinen Arztberuf könnte ich nicht leben“, beteuert Bossman und greift zum rosabräunlichen Prosciutto, der ihm von einer Frau in typisch piranischer Tracht angeboten wird. Seine Frau Karmena war der Grund in Europa zu bleiben und nicht nach Ghana zurückzukehren. Mit ihr hat er zwei Töchter.

 

 

 

Gegenwind

Ganz ohne Gegenwind kommt der idealistische Sozialdemokrat in seiner neuen Heimat nicht aus. Rebeka Nachtigal, die den deutschen Nachnamen ihrem österreichischen Uropa zu verdanken hat, gehört zu den Kritikern Bossmans. Sie verkauft Souvenirs und Postkarten direkt an der touristischen Meerespromenade und beklagt zu wenig Unterstützung für den Tourismus. „Was die Sympathie betrifft, ist er unschlagbar. Der Apparat und die Entourage, die ihn umgibt, ist aber unnötig aufgebläht und tut zu wenig für die Region, vor allem für den Tourismus.” Die Küstenstadt Piran lebt zwar vom Fremdenverkehr, hat in den letzten Jahren gegenüber dem großen Nachbar aus dem Osten, Kopar, einiges an Ansehen verloren. Weiters hat die Stadt mit Verkehrsproblemen zu kämpfen, sowie mit dem strengen Kanalisationsgeruch, den man bei der Einfahrt in die Stadt nur schwer wieder los wird.

Bossman weiß um die Probleme, sieht aber, ganz nach seinem Naturell, zuerst die Chancen: „Piran hat ein großes Potenzial. Wir werden uns um Straßenbeleuchtung und Renovierung von Kanalisationen kümmern.“ Selbst seine Gegner will er darin einbeziehen, denn Bossman handelt ganz nach Gandhis Prinzip: „Ich gehe auf meine politischen Gegner zu und höre mir an, was sie zu sagen haben. Ich begegne ihnen mit einem Lächeln, egal was sie mir kurz davor ins Gesicht geworfen haben.“ Selbst der 84-Jährige ehemalige Partisane, Stana Kos, der Schwarze nur aus Schulbüchern kannte, zählt zu den Anhängern des charismatischen Ghanaers. „Hauptsache er ist nicht rechts“, spricht der betagte Herr mit der Partisanenmütze seinen Bürgermeister den Segen aus. Bei so viel Sympathie und Zuspruch, kommt automatisch die Frage nach höheren Aufgaben in der Politik. Bossman dazu „Die Menschen brauchen mich hier“, um dann doch in typischer Obama-Rhetorik abzuschließen: „People want change!“

 

 

Text: Amar Rajković

Foto: Markus Hollo

 

 

 


 

Kommentare

 

Erstmal super, dass sich im Biber auch mal ein Artikel mit Slowenien-Bezug findet, die slowenische Community in Wien ist ja doch ziemlich klein im Vergleich zu den übrigen Jugo-Republiken. Als Slowene freuts mich :)


 


Weniger freuen mich aber die vielen Schreibfehler in diesem Artikel. Bei Švabo-Magazinen, die halt weniger Ahnung vom Balkan (Topografie, Sprachen und Aussprache, etc.) haben kann ichs ja noch irgendwie nachvollziehen, aber bisher habt ihr Tuzla nicht "Tusler", Zagreb nicht "Agram" und Bihać nicht "Pihatsch" geschrieben, wieso wird dann aus dem beschaulichen Städtche Koper auf einmal "Kopar"?


Und ich kanns ja wegen der nördlichen Lage Sloweniens verstehen, dass jemand aus Bosnien die Slowenen mal als "Aushilfsgermanen" verarscht, aber wieso aus dem slowenischen Tomaž Gantar genau in eurem Magazin der "Tomas" wird, ist mir auch schleierhaft. Auch der altgediente Herr Albert Čok hätte sich über ein hackerl auf seinem Nachnamen gefreut, ebenso wie das Herr Rajković ebenfalls tut. Achja, den männlichen Vornamen "Stana" hab ich auch noch nie gehört, persönlich kenn ich aber einige Typen, die Stane (abgeleitet von Stanislav) heissen.


 


Anyway, netter Artikel und hoffentlich kommt in Zukunft noch ein bissel mehr über die nördlichste aller Ex-Yu Republiken. Gibt auf jeden Fall mehr zu entdecken dort als Autobahnraststätten und nervige Zöllner auf dem Weg nach BIH/SRB/CRO ;)

 

Hallo Du Südkärntner!

Vielen lieben Dank für deine konstruktive Kritik. Fehler können passieren. Man muss natürlich auch sagen, dass ich Slowenisch (fast) als Fremdsprache sehe und deswegen eine faule Ausrede bereit habe!;) Ich verstehe natürlich deinen Ärger in dieser Hinsicht. Ich werde versuchen in Zukunft diese Details, die aber, da geb ich dir recht, einiges über den Zugang und die Nähe der Redaktion zu diesem Thema aussagen, zu berücksichtigen.

 

übrigens: Weil du meintest, in Slowenien gebe es mehr als Autobahnraststätten und nervige Zöllner: Was zB? Ich freue mich immer über nette Storyanregungen!

Friede!

 

Willstu Storyanregungen? Kriegstu Storyanregungen!


 


Izbrisani: Die Izbrisani, zu deutsch "die Ausgelöschten" sind etwa 20.000 Personen, die nach dem Zerfall Jugoslawiens aus dem slowenischen Melderegister gestrichen wurden. Zu über 90% handelte es sich dabei um Leute aus den restlichen Jugo-Republiken, welche schon seit Jahren bzw. Jahrzehnten in Slowenien lebten. Für die betroffenen bedeutete dies nicht nur den Verlust der slowenischen Staatsbürgerschaft, sondern auch, dass die allermeisten von ihnen danach staatenlos waren, da dann zB. der bosnische Staat sagte "heast, du bist doch Slowene, also was willst dzu jetzt in Bosnien!?". Staatenlos zu sein hieß dann auch, quasi Illegal in einem Land zu leben, in dem man schon seit Jahrzehnetn daheim war. Hieß, keinen Anspruch auf jegliche Sozialleistungen zu haben, Angst vor der kleinsten Polizeikontrolle. Nach anfäglicher Ignoranz befasste sich das slowenische Parlament nach jahrelangen Protesten dann doch mit den "ausgelöschten" und zimmerte fast 20 Jahre nach der Streichung aus dem Meldereigster eine "Lösung", welche jedoch immer noch nicht zufriedenstellend für alle ist. Einige Menschen wurden zB. aus rassistischen Motiven schlicht nochmals "übersehen"...


 


SlowenInnen in Wien: Ja, gibts denn das überhaupt? Im Gegensatz zu den zehntausenden Leuten aus SerbokroatienBosnienMazedonienKosovo ist die slowenische Community in Wien ziemlich klein, kaum mehr als 1000 Leute, ist mal meine vorsichtige Schätzung. Die meisten davon sind kärntner SlowenInnen, welche nie auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien gelebt haben. Jedoch gibt's trotzdem schon seit über 100 Jahren ein reges slowenisches Kulturleben in Wien. Eigene Beisln sucht man zwar vergebens und auch auf der Balkanstraße wird man selten einen Slowenen antreffen, aber einige kirliche und kulturelle Altherren-Vereine gibt es schon. Nicht zu vergessen ist dann natürlich auch der klub slowenischer StudentInnen im 7. Bezirk, welcher oft und gerne auch mit anderen Ex-Yu Initiativen zusammenarbeitet. Am liebsten mag der Klub übrigens den "Hrvatski akademski Klub", welcher von BurgendlandkroatInnen, also den ältesten österreichischen Exil-Balkanern, gegründet wurde :)


 


Močeradovec: "Močerad" heisst auf Slowenisch Salamander. Man mische also lebende Močeradi mit hochprozentigem Schnaps und heraus kommt der stark halluzinogene "Močeradovec", welcher in ganz Europa nur in der Region rund um Škofja Loka illegal gebraut wird. Übrigens keine junge-Leute-Droge, sondern ein gut gehütetes Geheimrezept der alten Bauern...hicks!


 


Čefurji Raus!: Friede Freude und sozialistischer Jugo-Eierkuchen waren mal, auch in Slowenien ist Nationalismus mittlerweile leider voll im Trend. Was hierzulande der Klischee-Tschusch mit Trainingshose und Goldketterl ist, ist in Slowenien der "Čefur", also ein (Kind) serbosnikroatischer Einwanderer. Eben ein solcher ist auch der Autor Goran Vojnović, welcher mit "Čefurji Raus!" das wahrscheinlich meistrezipierte slowenische Buch der letzten Jahre geschrieben hat. Der fiktive Roman spielt in Fužine, einem Stadtteil von Ljubljana welcher bekannt ist für seinen hohen Anteil der Čefurji. Geschrieben im Fužine-Slang, einem Mischmasch aus Slowenisch und Serbokroatisch beschreibt die Geschichte überspitzt und irrsinnig witzig den Alltag einer Gruppe von Čefurji-Burschen. Das Buch gibts mittlerweile auch auf Serborkroatisch und stellt meiner Meinung nach alles in den Schatten, was hierzulande so an unsäglicher "Integrationsliteratur" erschienen ist. Außerdem stellte es die slowenische Gesellschaft einmal mehr vor die Frage: Sind wir denn jetzt am Balkan oder in Mitteleuropa zuhause?


 


Metelkova: Mitten in Ljubljana wurde nach dem Zerfall Jugoslawiens ein riesiges altes Kasernengelände besetzt und mauserte sich durch die Jahre zum wichtigsten selbstverwalteten Kulturzentrum Sloweniens bzw. zu einem der wichtigsten des gesamten Balkans. Ausstellungen, politische Initiativen, Konzerte, Auflegereien und viel mehr. Alls das auf einigen 1000 Quadratmetern, zum großen Teil komplett autonom. Ein kleines Stadtviertel am Balkan, welches sich so garnicht an die slowenische Normalität anpassen will. Gallische Dörfer und so, weisst eh.


 


So, hier mal ein paar Denkanstösse :)

 

bin impressed. Sehr klar und pointiert die Stories umrissen.  Werd mir das notieren, wobei du auch gern mal zu unseren Red. Sitzungen der Freien vorbeikommen kannst. Ich orte Talent!

lg amar

 

Vielen Dank für die Blumen und die Einladung. Wann wäre denn so eine Redax-Sitzung?

 

schreib mir bitte deine mail-adresse per pm und du wirst von meiner kollegin anna thalhammer eingeladen!

Peace!

 

hast ne pm

 

Jep! Kolllegin Thalhammer wird sich demnächst melden! lg

 

... fielen mir noch ein: das ROG (tovarna.org/event), ehemaliges Fabrikgelände in LJ, jetzt bunt-gemischte nutzung.

ehemaliges Hallenbad mit zwei Konzert-Stages in Kranj (40km von LJ): akd-izbruh.org

sogar im öden, aber schönen Maribor gibts ein (jetzt legales) Squat: pekarna.org, hat ein paar unabhängige initiativen, wird aber grad massiv gentrifiziert wegen der "cultural capitol"-g'schicht nächstes jahr. (pekarna.org), ehemalige Armee-Bäckerei, direkt am Magdalena-Park.

... und die website von der Metelkova ist metelkova.org, (mit Delavsko-punkerska univerza, Gala Hala, a-infoshop.blogspot.com, ...

... squats haben also ziemlich tradition in Slo.

 

Das Hallenbad-Squat in Kranj ist mittlerweile schon geräumt worden, sgibt jedoch ein neues, gleich beim Bahnhof

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