Der Aufstand der Riesen

10. Dezember 2011

In Österreich dribbeln kleine Städte wie Gmunden oder Güssing die Hauptstadt an die Wand. Wien ist beim Basketball tiefste ­Provinz. Das soll sich jetzt ändern: mit geballter Jugo-Power.

 

 

100 bis 200 Zuschauer pro Partie; eine Mannschaft, die nicht einmal eine fixe Halle für ihre Trainings hat; eine Atmosphäre, die an eine Schülerliga erinnert – willkommen in der Welt des Wiener Basketballs, willkommen beim BC Vienna.

Szenenwechsel an den Traunsee nach Gmunden: Wie jede Woche feuern Tausende Fans ihre Helden an, die Menge tobt, jeder Korb des Tabellenführers lässt eine Welle durch die moderne Halle gehen.

Beim Basketball ist Österreich eine verkehrte Welt:In der Provinz Top, in der Hauptstadt Flop. Das soll sich nun ändern – durch geballte Jugo-Power.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  
  

    Jean Fracois, 30                          Stjepan Stazić, 33              Žarko Rakočević, 27
   Small Forward, 197cm                 Guard, 199cm                    Center, 205cm
   Palm Beach (USA)                       Zagreb (HR)                       Kolašin (CG)

 

Die ersten 3 Punkte

Österreichs Ausnahmebasketballer Stjepan Stazić hat sich daran gemacht, seinen Club den BC Vienna zusammen mit seinem Bruder Petar zu einem Top-Verein auszubauen. Beim Personal haben die Brüder die ersten 3-Punkte-Körbe bereitsversenkt: Im Sommer holten sie den montenegrinischen Nationalspieler, Žarko Rakočević, der davor für Partizan Belgrad und Real Madrid auf Körbejagd ging. Direkt vor seiner Ankunft in Wien spielte Rakočević beim bosnischen Erstligisten „KK Igokea“. Dort war das ganze Dorf bei den Heimspielen dabei. Jetzt muss er vor leeren Rängen dunken. Warum tut er sich das an?

„Ich kenne Stjepan schon lange. Er rief mich an und stellte mir sein zukunftsorientiertes Konzept für den BC Vienna vor. Die Voraussetzungen etwas Großes aufzubauen, sind gegeben, davon bin ich überzeugt.“

Ebenfalls ins Netz gegangen ist den Stazić-Brüdern der Amerikaner Jean Francois. Der Florida-Boy aus West Palm Beach hat als Kind Legenden wie Michael Jordan, Magic Johnson oder Kobe Bryant auf dem Parkett zaubern sehen. Zuletzt spielte er beim burgenländischen Verein Güssing.

„Als ich damals für Güssing gespielt habe, ging ich öfters mit meinen Kollegen in Wien weg. Wir waren immer wieder erstaunt, dass so eine große Stadt keinen guten Basketballverein hat“, erinnert sich Francois. „Dabei hat Wien die besten Voraussetzungen in Zukunft ganz oben mitzumischen.“

 

Ein Käfig voller Jugos

Stazić bringt es auf den Punkt: „Keine andere Stadt in Europa hat so viele Käfige wie Wien.“ Ein weiterer Aspekt: In kaum einer Stadt gibt es so viele Basketball-begeisterte Jugos . und Türken, die in diesen Käfigen ihren Idolen aus der alten Heimat nacheifern. Basketball ist für viele Migranten genauso wichtig, wie Skifahren für einen Kitzbühler. Sportbegeisterte Neo-Wiener verfolgen das Spielgeschehen in der Adriatic League (siehe Infobox) wie die Wiener ein Match von Austria oder Rapid. Auf den Straßen Wiens sieht man junge Serben mit Partizan Basketball-Trikots; Ex-Spieler wie Toni Kukoč, Vlade Divac oder der viel zu früh verstorbene DraženPetrović genießen noch immer Kultstatus. Der Hang der Balkan-Österreicher zum Basketball spiegelt sich auch im Kader des BC Vienna wieder: Mit der Ausnahme von Jean Francois und Nachwuchshoffnung David Hasenburger stammen alle Spieler aus Ex-Jugoslawien.

Wie die Partizanen

Das große Vorbild von Stazić ist Partizan Belgrad, vor allem die Nachwuchsarbeit hat es der österreichischen Basketball-Koryphäe angetan: „Die schaffen es jedes Jahr, eine junge, schlagkräftige Truppe aufzubauen. Das geht nur, wenn man Jugendcamps organisiert und damit den Nachwuchs möglichst früh für Basketball begeistert. Dann werden weitere Spieler mit europäischer Klasse wie Rakočević nach Wien kommen, die Zuschauer zu den Matches strömen, die Sponsoren mehr in Basketball und weniger in Volleyball oder Eis-Hockey investieren.“

Trauerspiel

Derzeit schaut es finanziell noch eher finster aus: Die Konkurrenz vom Land geht mit einem Budget von einer Million Euro in die Saison, die Hauptstädter müssen mit einer Viertel-Million auskommen. „Uns fehlt noch immer eine richtige Basketballhalle. Die Kampfmannschaft des BC Vienna trainiert in der Mollardgasse, in der Stadthalle und Hopsagasse werden die Ligaspiele ausgetragen. Wenn wir in der Mollardgasse gut trainiert haben, kommen wir in die Stadthalle zum Match und müssen feststellen, dass die Halle gerade eben für Landhockey verwendet wurde, der Boden damit glatt und rutschig ist“, klagt Stazić sein Leid.

Balkan-Liga in Wien

Doch er lässt sich davon nicht unterkriegen. Sein großes Ziel ist es, in die „Adriatic League“ zu kommen. Er kommt sofort ins Schwärmen, wenn er daran denkt, Spitzenteams wie Partizan Belgrad oder Cibona Zagreb in Wien zu empfangen. „Mir ist klar, dass die Wiener bei Namen wie Oberwart und St. Pölten nicht so richtig auf Touren kommen“, dann hält er kurz inne und bekommt ganz große Augen: „Aber stellt euch vor, Partizan oder Cibona gastieren in der Stadthalle. Das wären Basketball-Feste mit ausverkauften Hallen und einer Bombenstimmung.“ – Und Pljeskavica statt Schnitzelsemmeln in den Pausen.

von Amar Rajković und Michele Pauty (Fotos)

 

 

 

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Kommentare

 
 

wow!

 

dazu hab ich meinen eigenen bezug: der heutige obmann des österreichischen basketballverbands war 1982 noch schiedsrichter und mein bester freund, bis er mir damals meine verlobte ausgespannt hat - 6 tage nachdem ich zum militär einrücken musste und dort kaserniert war  :-)

 

und güssing? no da lebt meine oma in der nähe, das war für mich immer ein ort mit toter hose, ich freu mich dass da doch irgendwie leben vorkommt.

 

im allgemeinen ist basketball in ösiland unterrepräsentiert, es wird ja auch kaum was davon im TV übertragen.

 

dass es in wien ka gscheite basketballszene gibt wundert mich jetzt aber echt.

 

verkehrte welt - ihr habt recht :-)

 

da fred

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