Unsere Blockstars

01. Februar 2012

Wir haben sie nicht gecastet oder in eine WG gesteckt. Wir haben Wiener Rapper, die hoch hinaus wollen, in ihren Hinterhöfen, Kellern, Parks und Studios Besucht – wo sie ihren Block zum Siedepunkt bringen.  So rappt Wien.

 

Ali Capone

Bürgerlicher Name: Mehmet Ali Salman, 29

Beruf: Fabrikarbeiter

Bezirk: Fünfhaus

Youtube-Hit: “Ich war schon immer so” (57.000 Klicks)

Idole: 2Pac 

 

Wer ist er?

Ali Capone, der waschechte „Wienertürke“, wie er sich selbst bezeichnet, rappt sich durch alle Höhen und Tiefen der Lebenswelt türkischstämmiger Jugendlicher in Wien. Mit der türkischen Heimatstadt seiner Eltern, Yozgat, hat er wenig am Hut – „Außer, dass ich jedes Jahr ein Monat im Sommer dort verbringe“.

Woher kommt er?

Seine ersten Musikerfahrungen sammelte der 29-Jährige in einem Jugendzentrum, wo er als DJ das erste Mal mit Hip-Hop in Berührung kam. Animiert durch Bushidos erstes Album „Vom Bordstein bis zur Skyline“ fing Ali an, auf Deutsch zu rappen: „Das war ich in Person, was Bushido gerappt hat. Es war mein damaliger Lebensstil, drum hat es mich sehr geflasht!“ Vom deutschen Rap hält Ali, dessen Eltern in den 70ern nach Wien kamen, sonst herzlich wenig. Abgesehen von Kool Savas und Bushido sei da nichts „Freshes“ dabei, meint er. Neben den US-Größen Method Man und 2Pac schätzt er besonders Ibrahim Tantlises: „Das ist der türkische Dino Merlin. Original-Gangsta!“, so Ali. Türkische Volksmusik übte stets einen großen Einfluss auf ihn aus, er spielt sie auch heute jeden Tag rauf und runter. „Meine serbische Frau kann das nimmer hören, sie schimpft dann immer mit mir.“

Wo will er hin?

Ali Capone ist ganz schön umtriebig. Als Plattform für seine Crew hat er das „Stonepark“-Label gegründet. Stonepark leitet sich vom Steinbauerpark in Wien-Meidling ab. Seine Crew sind die „Bludzbrüder“, die mit dem gleichnamigen Film von Sido nichts zu tun haben. Neben dem Label und seinen Tracks produziert und veranstaltet der Rapaholic Musikevents. Da er noch nicht vom Rap leben kann, muss Ali nebenbei in einer Fabrik hackeln. Seine Botschaft an euch: „Werdet’s klug, macht was aus eurem Leben!“

Hörprobe

„Wien, hör’ mir zu, ich bin dein Kind. Teil der Straße, sieh’ mich nicht als Feindbild. Wien! Ohne dich hätt’ ich kein’ Sinn. Du bist meine Queen und ich bin dein Prinz.“

 

 

Joshimizu

Bürgerlicher Name: Joseph Valenzuela

Beruf: Rapper

Bezirk: Fünfhaus

Youtube-Hit: „Oha“ (29.000 Klicks)

Idole: Falco, 2Pac

 

Wer ist er?

„Alles fing mit einem 2Pac-Tape an“, erinnert sich der Sohn zweier Soulmusiker. Weil sein Englisch mehr peinlich als cool war, rappte er schon bald auf Deutsch. Sein Talent war unverkennbar. Seine Spezialität war die Königsdisziplin „Freestyle“, also Rap aus dem Stegreif.

Woher kommt er?

Rudolfsheim-Fünfhaus war und ist sein Revier. „Ich komme aus den Parks im 15.“ Er hält nicht viel vom typischen Getto-Gehabe und setzt stattdessen auf Geschichten mit Humor. „Ich kann diese ganzen Gewalt- und Drogen-Dinge nicht mehr hören. Wenn man rappt, sollte man die Menschen in erster Linie unterhalten.“ Inspiriert wurde er nicht von amerikanischen Streetgrößen wie Wu-Tang oder Dr. Dre, sondern von Österreichs Allzeit-Nr. 1: Falco. Nicht verwunderlich, dass auch das kommende Album nach einem Hit des verstorbenen Popstars benannt ist: Egoist. „In meinem nächsten Album geht es nur um mich, deshalb nenne ich es ,Egoist’“, verkündet die Wiedergeburt des Hansi Hölzl.

Wo will er hin?

Nachdem es einige Jahre ruhig um das Freestylemonster war, scharrt Joshimizu wieder in den Startlöchern. Seinen Job hat er aufgegeben, um sich besser auf die Musik konzentrieren zu können. „Ich dachte mir, wenn ich jetzt nicht Vollgas geb’, bereu’ ich es irgendwann, wenn ich 35 bin.“ 

Hörprobe

„Was willst du tun Mann, ich bring’ euch zum Siedepunkt. Ich mach’ eine graue Stadt für euch jetzt wieder bunt.“

 

 

Svaba Ortak

Bürgerlicher Name: No Comment (N.C.)

Beruf: N. C. 

Bezirk: Ottakring

Youtube-Hit: DHMW– Eastblokfamily (122.000 Klicks)

Idole: der große Bruder

 

Wer ist er?

Er ist jung, wütend und verbreitet seine Botschaften über Youtube. Seit einem Jahr mischt Svaba Ortak gemeinsam mit seinen Jungs von der Eastblokfamily aus Ottakring in der Wiener Rap-Szene mit. Seinen Namen hat er aus einem alten Jugo-Film. „Dort hieß einer so und ich dachte mir: ,Geiler Name, nehme ich!‘“

Woher kommt er?

„Meine Songs haben eine Message und die ist klar: „Kämpfe, wenn du was erreichen willst. Du musst nur den Willen, die Eier und die Fäuste haben“ Seinen Kritikern richtet er aus: „Ihr wisst, wo ihr uns findet!“ Die Jungs aus der Eastblokfamily sind überall in Wien anzutreffen, genauso wie ihre Familien überall auf der Welt verstreut sind. Türken, Kurden, Serben – sie alle verbindet die Liebe zur Stadt, aber auch zu ihren Herkunftsländern. Das hört man auch an vielen Tracks von Svaba. In „Serben in Wien“ fordert er seine Zuhörer mit  „Schließ deine drei Finger!“ zum Serbengruß auf und macht einen auf serbischer Nationalist. Im Vorspann zum Video sagt er aber: „Stempelt mich nicht als Serbenrapper ab!“

Wo will er hin?

Für Februar ist ein Album von Svaba und seinen Ortaks (türk. für Kollege) von der Eastblokfamily geplant, „Chaos“ soll es heißen. Für Svaba ist Ruhm nicht wichtig: „Klar wäre es gut mit dem Hobby, Geld zu machen. Viel wichtiger ist mir aber die Loyalität zur Wiener Szene.“ 

Hörprobe

„Hier bei uns ist die Tochter wert wie 20 Söhne, von 20 serbischen Frauen, findest du 20 schöne.“

 

Esrap und Valbona

Bürgerlicher Name: Esrap Özmen, Valbona Culjak 

Beruf: Esrap = Studentin, Valbona = Schülerin 

Bezirk: Brigittenau

Youtube-Hit: Esrap: „Ausländer mit Vergnügen“ (10.100 Klicks)

Valbona „Ein Leben“ (3800 Klicks)

Idole: keine – wollen beide ihren eigenen Weg gehen

 

Foto: Markus Hollo

Wer sind sie?

Als Frau hast du es schwer, als Ausländerin umso mehr. Esrap und Valbona können ein Lied davon singen. Sie tun es auch, täglich. Die Mädels aus dem 20. Bezirk wollen mit coolen Rhymes und ehrlichen Texten punkten. Hohle Hip-Hop-Phrasen sind nicht ihr Ding.

Woher kommen sie?

In einem kleinen Hinterhof im 20. Bezirk schrieben sie ihre ersten Texte und nahmen dort ihre Songs auf. Esrap ist türkischstämmig und Valbona hat Vorfahren aus Albanien.

Wo wollen sie hin?

Die beiden geben sich erst gar nicht der Illusion hin, mit Rap in Österreich viel Geld verdienen zu können. Dazu sei der Markt viel zu klein. Es genügt ihnen, einen fixen Platz in der männerdominierten Hip-Hop-Szene zu erobern und zu verteidigen. Mit ihrem authentischen Auftreten demonstrieren Esrap und Valbona, dass es auch ohne Sidos Hilfe möglich ist, seinen Weg zu gehen. „Man muss nur an sich glauben und immer dranbleiben!“

Hörprobe

„Es ist nicht immer leicht, in Wien zu leben, braune Augen, schwarze Locken, doch versuche hier mit Rap, was zu bewegen!“

 

 

Ciko Baba

Bürgerlicher Name: Cihan Akkale, 27

Bezirk: Brigittenau

Beruf: DJ

Youtube-Hit: Mektup mit 247.000 Klicks

 

Wer ist er?

Ciko Babas Stimme ist tief und ausdrucksstark. Er rappt auf Türkisch, was ihm eine Sonderstellung in der Wiener Szene beschert. „Ich kann in der türkischen Sprache so viel in einem Satz sagen, das schaff’ ich mit Deutsch nicht“, sagt der 27-Jährige.

Woher kommt er?

Bereits mit 16 Jahren legte Ciko Baba Platten in den türkischen Diskotheken der Stadt wie „Euronight“ oder „Planet“ auf. Dort musste er sich an den Massengeschmack des Publikums orientieren, für Rap war da wenig Platz: „Die Leute wollen Halay tanzen, deswegen musst du auch die passende Musik dazu auflegen, wenn du in einer türkischen Disko in Wien arbeitest“, erklärt er. Den unfreiwilligen Schub für seine Musikkarriere gab ihm ein Aufenthalt im Gefängnis. Dort hörte er viel türkischen Underground-Hip-Hop und begann, seine ersten Lines zu schreiben. 

In seine alte Heimat Türkei fährt Ciko Baba höchstens, um Urlaub zu machen. Er fühlt sich hier wohl und weiß: „Wien ist meine neue Heimat geworden.“

 

 

 

Bloody MC

Bürgerlicher Name: Predrag Andjelković, 23

Beruf: Gastarbeiter

Bezirk: –

Youtube-Hit: Za moj kraj (Für meine Gegend) mit 22.500 Klicks

Idole: seine Eltern, Onyx, Wu Tang Clan, DJ Premier

 

Predrag Andjelković ist einer der wenigen Ex-YU Rapper, der in seiner Muttersprache textet. Als der 23-Jährige in seiner alten Heimat ein Graffiti zum Film „Blood Last“ sah und auf der Schulbank nachkritzelte, bekam er den Spitznamen „Bloody“ verpasst. Er ist Back-up MC von Kid Pex, der durch eine Kooperation mit dem Bushido Serbiens, Juice, für Aufsehen im Hip-Hop-Volk sorgte.

Woher kommt er?

„Ich habe keine Träume, ich lebe die Realität.“ Er hält wenig von Möchtegern-Rappern, die nur andere dissen. In Wien lebt er seit fünf Jahren. In Sachen Zusammenleben hört er sich wie ein bezahlter Integrationsbeauftragter an: „Durch die Integration in die österreichische Gesellschaft verliert man nicht seine Identität.“ Um dies zu unterstreichen, schickte er sogar seine Verlobte in den Deutschkurs.

Wo will er hin?

2011 kam das erste Solo-Album mit dem Titel „Dirty Daddy“ raus. Klar, dass die ganze Crew, vor allem Kid Pex, da ihre Finger im Spiel hatte. Bloodys Vorstellungen für die Zukunft sind genauso bescheiden wie seine Motive für die Musik: „Eine Familie gründen und mich als alter Mann in die Heimat zurückziehen.“ Wer ihn mal persönlich kennenlernen möchte, sollte im Bricks oder Puebla eine Hip-Hop-Party crashen.

Hörprobe

„Gde god da smo sada, svet je tvoj, svet je moj, ali ne zaboravi zelenu travu doma svog“ (Wo auch immer wir jetzt sind, die Welt gehört dir, die Welt gehört mir, aber vergiss nicht das grüne Gras deiner Heimat)  – aus dem Track „Dijaspora“

 

 

 

 

Repko

Bürgerlicher Name: Michael Kevin Repkowsky

Beruf: – 

Bezirk: Simmering

Youtube-Hit: „U-Bahn Sex“ (67.500 Klicks)

Idole: keine

 

Wer ist er?

Er ist kein Migrant, trägt kein Bling-Bling und keine harten Hip-Hop-Klamotten. Er ist Gründer des Youtube-Channels „23-Bezirke-TV“, auf dem sich unbekannte Nachwuchsrapper präsentieren.

Woher kommt er?

Repko wächst in einfachen Verhältnissen in Simmering auf, wo er heute noch lebt. „Hier ist  Zusammenhalt von allen Menschen sowohl In- als auch Ausländern, sehr stark.“ 2006 begann er mit einem 13-€-Mikrofon, Reime aneinanderzureihen. Seinem ehemaligen Vorbild Sido kann er nichts mehr abgewinnen: „Sein Kollabo-Album mit Bushido ist total fake. Es ist ja ok, dass sie sich vertragen, aber gleich ein ganzes Album machen?“, ist Repko enttäuscht.

Wo will er hin?

Repko träumt von einem Psychologiestudium und einem Wochenendhaus im Burgenland. Er tritt öffentlich gegen Drogenmissbrauch auf, auch deshalb, weil seine verstorbene Mutter lange Zeit abhängig war. Was er noch erreichen will? „Ich möchte die Leute da draußen unterhalten und dabei authentisch und vielseitig bleiben. Die Musik bedeutet mir viel zu viel, um mich nur auf ein Thema zu konzentrieren.“

Hörprobe

„Ich mache deine Mutter nass wie Badehose.“

 

Azman und Noli

Bürgerlicher Name: No Comment

Beruf Azman: keine Angabe. Noli: arbeitslos 

Bezirk: Floridsdorf

Youtube-Hit: Azman & Noli – „Kein Pardon“ (115.000 Klicks)

Idole: ihre Spiegelbilder

Wer sind sie?

Azman, Noli, ihr Crew-Haberer Izi und ihr Manager Twoface sind in erster Linie Floridsdorfer und dann erst Wiener. Darum ist ihre Crew 21Recordz nach dem 21. Bezirk benannt und ihre Songs kreisen um das raue Leben in den Floridsdorfer Plattenbauten.

Woher kommen sie?

Azman kam mit zwei Jahren mit seiner Familie aus dem Nordirak, Noli ist Kosovoalbaner. Stolz bezeichnen sie sich als „Hasseriye“, was aus dem alttürkischen stammt und Großfamilie bedeutet. „Wir sind keine Einzelkämpfer wie der Rest der Rapszene.“ Von der halten sie sowieso nicht viel. „Die Wiener Rapper können uns nicht das Wasser reichen, weil es in Wien gar keine Rapper gibt.“

Wo wollen sie hin?

Wie alle Rapper wollen sie eines Tages von ihrer Musik leben: „Wenn man an Rap denkt, soll 21Records der erste Name sein, der einem einfällt.“ Wenn man sie mit Nazar und seinem Erfolg in Deutschland konfrontiert, gibt es Schweigen. Im Azmans Video „21“ verheizen die Floridsdorfer übrigens ein T-Shirt von Nazar, um sich aufzuwärmen.

Hörprobe

„Es gibt kein Pardon, es gibt kein Entkommen, wenn die Babas kommen!“ – aus „Kein Pardon“

 

Niko & Djingiz

Bürgerlicher Name: No Comment

Bezirk: Balkanstraße

Youtube-Hit: „Mach ma Party!?“ (700.000 Klicks)

Idole: keine, „brauch ma net“

Wer sind sie?

Die zwei Spaßkanonen „Da Niko und Djingiz“ halten keine tiefgründigen Botschaften für ihre Fans bereit. Sie haben einfach Spaß und wollen auf den Putz hauen. Bezeichnenderweise heißt ihr bekanntester Track mit 700.000 Klicks auf  Youtube: „Mach ma Party!?“ und spielt auf der Jugo-Partymeile Balkanstraße. Turbofolk meets Hip-Hop. Und der Šljivo fließt in Strömen.

Woher kommen sie?

Die beiden kommen aus Serbien. Vor drei Jahren haben sie mit dem Rappen begonnen. „Wir sagen gerne unsere Meinung, und beim Rappen geht das gut.“ Kostprobe ihrer Meinung gefällig? „Bruder, heute geb’ ich Vollgas, ich zeig’ jeder meinen Schwanz, denn ich weiß, sie wollen das.“ 

Wohin wollen sie?

„Wir wollen aufs Biber-Cover! Das wär unser größter Traum.“

Hörprobe

Da Niko: „Egal welcher Song, ob Turbofolk oder House, die Jungs wollen feiern, ich gebe Einen aus.“

Djingiz: „Ich gehe an die Bar und reiße mein Hemd auf. Ich suche eine Reiche und f*** sie dann im Penthouse.“

 

 

 

 

 

Fotos: Daniel Shaked

Redaktion: Amar Rajković, Marian Smetana, Ali Cem Deniz, Ayper Cetin, Jaspar Singh, Madja Etinski, Vahap Canby, Gülan Oguz, Muamer Bećirović, Jovana J. 

 

 

Hier habt sind alle Musiker mit ihren Musikvideos in Endlosschleife:

 

 

Bereich: 

Kommentare

 

"... In „Serben in Wien“ fordert er seine Zuhörer mit  „Schließ deine drei Finger!“ zum Serbengruß auf und macht einen auf serbischer Nationalist."

 

ja, find ich ja total deppat wenn der dann via biber eine plattform kriegt und das ganze noch unkommentiert wiedergegeben wird oder sogar noch relativiert wird, weil er ja nicht als "serbenrapper" abgetan werden will.

 

keinen raum für nationalisten (egal welche)!

Das könnte dich auch interessieren

Foto: Zoe Opratko
Das Ende von biber ist auch das Ende...
Foto: Moritz Schell
Kein Geld, keine Redaktion, aber eine...
Screenshot: Stadt Wien
Die Stadt Wien und der Bezirk Neubau...

Anmelden & Mitreden

3 + 0 =
Bitte löse die Rechnung