„Er nahm meine Hand und küsste mich.“

Gestern traf ich meine Tante L. Traykova, um mit ihr über ihren Beruf als Taxifahrerin zu reden. Ich fuhr mit ihr eine Runde mit,  dabei beantwortete sie mir folgende Fragen.

Wolltest du schon immer Taxifahrerin werden?

Ich wollte mein Studium der Soziologie finanzieren und habe mir mit dem Taxifahren das Geld dazu verdient. Es kam noch hinzu, dass ich von klein auf von Autos fasziniert war.

Wie wird man Taxifahrerin?

Man braucht den B-Schein und man muss in einen Kurs gehen, der bei mir ca. einen Monat gedauert hat. Die Stadt zu kennen ist auch eine Voraussetzung.

Wurdest du schon einmal während deiner Arbeit bedroht?

Es gab zwei Vorfälle, an die ich mich erinnere. Einmal wollte eine Gruppe von Jugendlichen Geld von mir haben. Sie sagten: „Das ist ein Überfall.“ Sie haben das Geld, den Autoschlüssel und mein Handy mitgenommen und sind weggerannt. Das waren vier Jungs, der jüngste war gerade mal 15 Jahre alt! Ein zweites Mal wurde ich von einer Frau bedroht. Sie hatte ein Messer in der Hand und schrie: „Überfall, es wird nichts geschehen, wenn du mir dein Geld gibst!“. Ich gab ihr darauf das Geld. Die Frau hatte mehr Angst als ich, also blieb ich ruhig.

Gab es Kunden, die nicht bezahlen wollten?

Ich lass mit mir reden. Es gibt Jugendliche, die mir sagen, wie viel Geld sie mit sich herumführen. Wenn die besagte Summe erreicht ist, schalte ich den Taxameter aus. Aber es gibt auch Kunden, die bisschen schummeln und mir erst am Ende der Fahrt sagen, dass sie nicht genug Geld mithaben.

Bist du selbstständig?

Ich arbeite seit ca. 3 Monaten für die Firma „Taxistar“. Davor war ich selbstständig, was viel lockerer war. Dafür fahre ich jetzt nicht mehr mein eigenes Auto, sondern das von der Firma.

Hast du ein fixes Gehalt?

Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder ich leihe mir das Taxi von der Firma aus. Das kostet mich 60€. Dafür muss ich den Tank bezahlen und den Wagen sauber halten. Der Rest bleibt mir. Oder die zweite Möglichkeit. Ich mache mir einen Prozentsatz an der Umsatzbeteiligung aus. Das heißt, nehmen wir mal an, 15% vom umgesetzten Geld.

Wann hast du den Taxischein gemacht?

Ich habe den Taxischein 1987 bekommen. Ich bin Taxifahrerin mit Leib und Seele (lacht) und möchte es noch möglichst lange bleiben.

Redest du mit deinen Kollegen über Funk?

Funktelefone verwenden wir nicht mehr, das war früher. Wir reden am Taxistand oder telefonieren in unseren Pausen.

Warum liebst du das Taxifahren?

Weil ich während der Fahrt mein eigener Chef bin.

Hast du fixe Arbeitszeiten?

Ich habe eine 12-Stunden-Schicht, die ich mir selber einteilen kann. Ob ich schon um 5 Uhr in der Früh anfange oder erst um 5 abends liegt ganz bei mir.

Wie viele weibliche Kollegen kennst du?

Ich kenne um die 50  Taxifahrerinnen, die sehr dominant auftreten, weil sie sich in einer Männerdomäne durchsetzen müssen.

Was ist dein schönstes Erlebnis als Taxifahrerin?

Ein Russe hat mal seinen Zug nach Rom verpasst und musste daher schnell zur nächsten Zugstation gefahren werden. Ich fuhr ihn hin und als wir pünktlich ankamen, nahm er meine Hand und küsste mich.

Wirst du oft blöd wegen deines Geschlechts angemacht?

Es kommen immer wieder blöde Sprüche, aber darüber kann ich nur lachen.

Fährst du auch außerhalb Wiens?

Ja tue ich, es gibt Fahrgäste, die nach Bratislava gefahren werden möchten.

Was könntest du anderen mitgeben, die Taxifahrer werden wollen?

Es ist einen Versuch wert. Man darf nicht vergessen, es ist eine harte Arbeit. Da sollte man auch belastbar sein.

 

Zur Autorin: Kristina Jovicic geht in die 2 Klasse der Höheren Bundeslehranstalt für Mode und Bekleidungstechnik, Michelbeuern.

Die Taxifahrt
Foto: Jovicic Kristina

Kommentare

 

Kristina! Super Interview, aber wo bleibt dein Profilbild? Bitte uploaden!

 

sehr cooles Interview, Kristina;)

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