Für Oligarchen ist Österreich ihr zweites Heimatland

12. Mai 2015

Wien ist ein Paradies für ukrainische Oligarchen. Der frühere ukrainische Journalist und heutige Parlamentsabgeordneter Sergii Leschtschenko weiß es nicht nur vom Hörensagen. Ein Interview mit einem Insider.

Von Lidiia Akryshora

Sergii Leschtschenko hat sich mit den Untersuchungen der korrupten Machenschaften von ukrainischen Oligarchen beschäftigt. Sein Buch „Syndrom von Mezygirja“ (Mezygirja war die Residenz Ex-Präsident Janokowitsch) wurde vor einem halben Jahr veröffentlicht. Biber hat mit dem Politiker vom Block Petro Poroschenko darüber gesprochen, warum die ukrainischen Oligarchen sich in Wien so zuhause fühlen.

Dabei haben wir ihn auch nach seiner Meinung über den ukrainischen „Reformator“ Dmytro Firtasch gefragt. Dmytro Firtasch ist schon seit einem Jahr fest mit Österreich verbunden. Im März 2014 wurde er auf Anfrage der USA in Untersuchungshaft genommen, kam aber gegen eine Kaution von 125 Millionen Euro wieder frei. Ihm wird in den USA Bestechung bei einem Titan-Förderprojekt in Indien vorgeworfen. Im April hat das Oberlandesgericht Wien eine Auslieferung in die USA abgelehnt.

Während seines Aufenthalts in Wien hat Firtasch sich entschieden, sich der Modernisierung der Ukraine zu widmen. Sein Projekt - die Modernisierungsagentur der Ukraine (Agency for the Modernisation of the Ukraine) - soll Finanzmittel auftreiben, um Reformen in der Ukraine zu verwirklichen.. Das Projekt wurde auf einem schicken Kongress „Ukraine Tomorrow“ im März 2015 präsentiert. Dabei ist auch Österreichs Ex-Vizekanzler Michael Spindelegger.

Sergii Leschtschenko Ukraine Journalist
Foto: Dmytro Larin

biber: Warum ist Österreich so attraktiv für ukrainische Oligarchen?

Sergii Leschtschenko: Österreich ist das zweite Heimatland für ukrainische Oligarchen. Erstens, denke ich, liegt es daran, dass Österreich nicht so weit von der Ukraine entfernt ist. Zweitens, gelten hier die europäischen Werte – Meinungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit, Zugang zu Finanzmitteln und gleichzeitig gibt es hier eine liberale Einstellung zu Geld von zweifelhafter Herkunft und auch Steuervergünstigungen. Wahrscheinlich ist Dmytro Firtasch das bekannteste Beispiel von Oligarchen, die Österreich sehr toll finden.    

Interessiert sich die österreichische Justiz ausreichend für die Aktivitäten der Oligarchen?

Na ja, ich habe viele Beschwerde darüber gehört, besonders von Journalisten, dass die österreichische Staatsanwaltschaft in den Untersuchungen nicht wirklich aktiv ist und dass sie bei Geldflüssen aus dem Osten ein Auge zuzudrücken scheint.

Sergii Leschtschenko Ukraine
Foto: Leo Alexeev

Was halten Sie vom neuen Projekt von Firtasch? Was versteckt sich dahinter? Welche Perspektiven hat dieses Projekt ihrer Meinung nach?

Ich denke, dass die Modernisierungagentur ein Versuch ist, sich zu rehabilitieren. Firtasch bezahlt Politiker im Ruhestand, damit sie bei dem Projekt mitmachen. In Wahrheit geht es ihm darum, den Eindruck zu erwecken, dass ihm die Ukraine am Herzen liegt. Bis jetzt war er bei vielen Ukrainern als ein Dieb bekannt, jetzt versucht er sich als Reformer darzustellen. Seine Versuche wirken lächerlich. Ich weiß nicht, wie lang dieses Projekt dauern wird, aber mir sind solche erfolglose Versuche von ukrainischen Oligarchen schon bekannt – Mykola Asarow mit seinem Projekt „Sustainable Ukraine“ und Rinat Achmetow mit dem Fond „Die Entwicklung der Ukraine“.  

Warum machen westliche Politiker hier mit?

Die Tatsache, dass so viele frühere Politiker daran teilnehmen zeigt, dass sie entweder uninformiert sind oder berechnende Absichten haben. Sie haben wohl sonst keine politischen Perspektiven mehr. Es sieht so aus, als ob sie sich ihren eigenen Pensionsfond mit Geld auffüllen wollen. Normalerweise muss jede Person, die sich an einer neuen Initiative beteiligen möchte, die Biographie des Initiators kennen. In diesem Fall ist jedoch Biographie von Firtasch nicht überzeugend.

 

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Lidiia Akryshora ist derzeit die Stipendiatin der biber-Akademie. Sie ist ukrainische Journalistin, die seit zwei Jahren in Österreich lebt. Deswegen einfach ein Auge zu drücken, falls ihr den ein oder anderen Fehler in ihren Blogs entdeckt. Aller Anfang ist schwer und ihr seid bestimmt auch keine Profis in Ukrainisch, Russisch und ein bisschen Polnisch oder?

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Kommentare

 

Ein sehr interessantes Interview über ein mir bisher unbekanntes Phänomen.

 

Ha, die Antwort auf die letzte Frage, war wirklich nice!

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