Speisezimmer U-Bahn

29. Oktober 2007

Die Öffis in Wien zu benutzen ist eigentlich eine sehr angenehme Sache. Verglichen mit anderen europäischen Hauptstädten sind sie billig und ziemlich gepflegt. Abgesehen von den Zeitungsbergen die sich, seit es in Wien Gratiszeitungen gibt, in den Waggons türmen. Wer den Film „Partyschreck“ mit Peter Sellers gesehen hat, erinnert sich sicherlich noch an die Szene, in der sich Schaumberge über die ganze Villa eines Hollywood-Produzenten verteilen und die illustre Partygesellschaft unter sich begraben. Um das zu verhindern, spannen die Wiener Linien seit kurzem kleine Kinder ein, die dann mit fast Mitleid erregender Tonbandstimme, als müssten Vorschulkinder die Fahrzeuge der Wiener Linien reinigen, Erwachsene maßregeln. Ob’s hilft? Wenn ja, könnte man mit einer weiteren Durchsage gleich noch einmal die Menschheit verbessern. Wer kennt folgende Situation nicht? Man ist in Bus, Bim oder U unterwegs und es steigt ein Fast-food-EssendeR zu. Geruchsbelästigung. Wie die Schaummassen im „Partyschreck“ verteilt sich im Nu der Geruch von warmem Essen und umhüllt den ganzen Wagen. Sogar die Notbremse hat es mitgekriegt. Ob Big Mac, Leberkässemmel, Pizzaeck, Kebab – mit und ohne Scharf, sie alle verstinken den Wagen. In Kürze weiß die weißhaarige Oma am letzten Sitz, dass da vorne jemand gerade seine Jause verdrückt. Der einzige Vorteil ist, dass die Leute meistens recht fast ihr food verdrücken oder besser verschlingen. Man ist also schnell befreit, der Gestank bleibt aber. Je nachdem wie viel Humor man hat, kann es sogar lustig sein, wenn man seinem Vis á vis zusieht, wie es mit dem zerschmolzenen Käse kämpft oder den in Joghurtsauce getunkten Zwiebelring von seinem Jackenrevers putzt. Nicht lustig finden das wohl die Hungrigen, die bis zuhause warten wollen, ehe sie sich was rein hauen und dann den Mitfahrenden beim Abendessen zuzusehen. Das ist wie, wenn man einem Hund die Wurst hinhält und sie dann immer wegzieht.

 
 
Für Hunde gibt es Beißkorb und Leine, für Zeitungen Mistkübel und für Fast-Food hat man Restaurants und Standln erfunden. Wie wäre es mit einer herzzerreißenden Kinderstimme die auch den größten Rüpel erweicht mit folgenden Worten: „Lieber Fahrgast, da dieser Zug keinen Speisewagen hat, bitten wir Dich Deine Jause außerhalb einzunehmen.“ Oder man führt einen Speisewagen in der Mitte des Zuges ein und jeder dritte Bus/Bim ist einer ausschließlich für Fast-Fooder. Dort sitzen sie dann alle Fressenden, kämpfen mit Kebab-Jogurtsaucen, Pizza-Pappschachteln und Mc Donalds-Sackerln um die Wette. Eine befreiender Gedanke, oder?

Kommentare

 

die würden alle nicht so viel fressen und zeitung lesen, wenn sie nicht ständig alleine durch die stadt zögen. rennen alle depremiert, blass und abgefuckt durch die gegend. da kommt einem das auswandern in den sinn- jeden tag. in anderen städten europas- in belgrad zum beispiel-bekommt man fast schon ohrensausen, so laut ist es. weil jeder jeden kennt, zufällig trifft und man dort fast immer zumindest zu zweit unterwegs ist- nein, nicht wegen der gefährlichen kriegsverbrächer. das wäre für wien mal seeehr erfrischend, in eine laute u-bahn einzusteigen!

iv.cucu.

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