Abtreibung und glücklich - darf man das?

16. Mai 2019

Abtreibung und glücklich – darf man das?

Ein Kommentar von Lisa Kiesenhofer

Abtreibung steht im US-Staat Alabama seit gestern unter Strafe. Eine Meldung, die polarisiert und Diskussionen hervorruft. Solche Gesetze greifen in die Privatsphäre ein, sind gegen die Menschenrechte und absolut inakzeptabel. Dass diese Regeln auch als gesellschaftliche Verhaltensnormen existieren, ist den wenigsten bewusst.

Die Evolution hat beschlossen, dass Frauen es sind, die die Kinder bekommen. Seit der frühen Steinzeit funktioniert das schon so – ein altbewährtes System quasi. Was, wenn es aber Frauen gibt, die nicht diejenigen sein wollen, die das Kind neun Monate lang austragen? Oder: Was, wenn man überhaupt kein Kind will? Ist man abnormal, nur weil man das scheinbar Natürlichste der Welt nicht will?

Ich kann verstehen, dass man sich bewusst gegen zerrissenes Bindegewebe, monatelanges Kotzen und einen Dammriss entscheidet. Einfach kein Kind zu wollen, wird aber von Teilen der Gesellschaft nicht akzeptiert. Vor allem, wenn man bereits schwanger ist und sich dagegen entscheidet.

Das ist ungefähr so, als wenn Vegetarier ständig gefragt werden, warum sie denn kein Schnitzel essen oder der Opa seinen Ohren nicht traut, wenn man das 10-Uhr-Bier mit dazugehörigem Schnaps dankend ablehnt. Zugegeben, der Vergleich hinkt ein wenig, geht es doch dabei um etwas viel Persönlicheres als um Schnitzel oder Schnaps.

Aber muss sich frau sich wirklich zig-Mal rechtfertigen? Ich finde nicht. Gerade wenn es um so eine private und intime Entscheidung wie Schwangerschaftsabbruch geht. Fakt ist: Kein Verhütungsmittel ist zu 100 Prozent sicher. Selbst bei einer Vasektomie oder der Hormonspirale besteht noch immer eine 0,1 bis 0,4 prozentige Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden. Es kann jeden treffen.

Stell dir also vor, du bist genau das eine zehntel Prozent, das trotz verantwortungsvollem Safer-Sex ein Kind im Bauch trägt. Stell dir vor, du hast genau deswegen verhütet, weil du absolut kein Kind willst. Wer kann dafür verantwortlich gemacht werden? Der Hersteller des Verhütungsmittels? Ausbaden muss die Sache trotzdem die Frau.

Entscheidet man sich gegen neun Monate Schwangerschaft und mindestens 18 Jahre Hingabe für das Kind, ist man dennoch nicht von allen Sorgen befreit. Viele Frauen belastet so etwas psychisch. Abgesehen davon kostet ein Schwangerschaftsabbruch zwischen 500 und 800 Euro – die Krankenkasse übernimmt keine Kosten.

Es gibt aber auch Frauen, denen die Entscheidung, die Schwangerschaft abzubrechen, nicht schwer fällt. Gerade, wenn sie nichts für die Schwangerschaft können. Sie wollen einfach nach Vorne schauen und ohne bleibende Schäden weiterleben. Das ist aber nicht so einfach. Es gibt ja noch die Meinung der Gesellschaft. Man solle trauern, das erlebte aufarbeiten, heißt es oft. Was aber, wenn es Frauen nach der Abtreibung besser geht, weil das Leben wieder nach Plan verläuft? Was, wenn sie nicht trauern wollen oder müssen? Ist es gesellschaftlich erlaubt, sich nach einer Abtreibung gut und frei zu fühlen? Abtreibung und glücklich – darf man das? Ich sage ja.

WAS IST GENAU LOS IN ALABAMA?

von Cecilia Tradowsky

 

 

 

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Foto: Twitter

Alabama kriminalisiert Abtreibungen

Im US-Bundesstaat Alabama sind Abtreibungen seit gestern durch ein neues Gesetz verboten und werden sogar unter Strafe gestellt.

Heartbeat-Gesetz In sechs Bundesstaaten wurde seit Trumps Amtsantritt das sogenannte Herzschlag-Gesetz beschlossen: Demnach sind Abtreibungen verboten, sobald ein Herzschlag beim Fötus festgestellt werden kann, was ungefähr in der sechsten Schwangerschaftswoche der Fall ist. Zu diesem Zeitpunkt wissen allerdings nur die wenigsten Frauen, dass sie überhaupt schwanger sind.

Keine Abtreibung nach Vergewaltigung

Das neue Abtreibungsgesetz aus Alabama ist nun das härteste im ganzen Land, denn es verbietet Abtreibungen fast ausnahmslos. Auch wenn eine Frau vergewaltigt wird oder im Falle von Inzest, darf sie nicht abtreiben. Die einzige Ausnahme stellt eine Gefährdung des Lebens der Frau dar. Das Gesetz in Alabama wurde im Senat mit einer Mehrheit von 25 Stimmen beschlossen. Diese 25 Stimmen gehören ausschließlich Männern. Falls Ärzte oder Ärztinnen trotz des gesetzlichen Verbots eine Abtreibung durchführen, droht ihnen eine Haftstrafe zwischen zehn und 99 Jahren.

Widerspruch im Gesetz

Das neue Gesetz verstößt gegen ein Grundsatzurteil aus dem Jahr 1973, nach welchem Frauen ein Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch haben. Der Oberste Gerichtshof, der mehrheitlich mit konservativen Richtern besetzt ist, soll sich nun mit dem Entscheid beschäftigen. Auch der Staat Alabama selbst ist erzkonservativ und streng religiös. Initiatorin des Verbots Terri Collins will das bisher strengste Abtreibungsverbot zukünftig im ganzen Land durchsetzten.

Verbot ist gefährlich

Durch die unterschiedlichen Regelungen in einzelnen Bundesstaaten reisten viele Frauen bereits in der Vergangenheit in einen liberaleren Staat, um einen Schwangerschaftsabbruch durchführen zu lassen. Doch nicht alle schwangeren Frauen, die das Kind aus den verschiedensten Gründen nicht austragen wollen oder können, sind finanziell in der Lage, sich eine solche Reise zu leisten. Da es aber oft für die Betroffenen Frauen keine andere Option gibt, werden Abtreibungen illegal und unter verheerenden Hygienebedingungen durchgeführt. Nicht selten verblutet die Frau oder stirbt an den Folgen einer Entzündung oder Vergiftung.

 

Abtreibung in Österreich

In Österreich ist ein Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Woche legal. Wenn ein medizinischer Grund vorliegt, kann eine Abtreibung auch später stattfinden. Die Kosten für einen Abbruch muss die Frau selbst übernehmen. Die Krankenkasse zahlt nur, wenn es erhebliche gesundheitliche Risiken für Frau oder Kind gibt. Die Kosten können sich auf bis zu 800 Euro belaufen. Die Informationen, die sich im Internet finden, sind nicht eindeutig und widersprüchlich. Im Gegensatz zu Deutschland ist die Werbung für Schwangerschaftsabbruch in Österreich nicht verboten, trotzdem ist es schwer, an sachliche und werturteilsfreie Informationen zu kommen.

 

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Foto: Twitter

 

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