Ach du heilige Slava!

06. Mai 2015

„Slava“ ist das wichtigste Fest serbisch-orthodoxer Familien. Einmal im Jahr feiern sie ihren Hausheiligen. Für jede Mutter heißt das: Putzen, kochen, backen bis zum Morgengrauen. biber-Redakteurin Alexandra Stanic bekam einen Schreck, was einmal alles auf sie zukommen wird.


Alexandra Stanic


Auf Deutsch heißt „Slava“ Feier. Für meine Mutter bedeutet dieser Tag Stress, viel Schweiß und wenig Schlaf. Es ist jedes Jahr das Selbe. Sie nimmt sich in der Woche vorher Urlaub und fängt mit den Vorbereitungen an. Die ersten Tage wird geputzt. Nichts bleibt verschont. Jede einzelne Steckdose wird entstaubt, der Boden so stark gebohnert, dass ich darauf ausrutsche und das gute Porzellan blitzeblank poliert. Schon Wochen zuvor hat Mama neue Kuchenrezepte auf Google gesucht. Dieses Mal war sie sparsam – sie belässt es bei „nur“ sechs verschiedenen Desserts.

Auch das typische Essen jeder Slava hat meine Mutter vorbereitet: Suppe, Sarma, Fleisch und Kuchen. Je näher der Tag X kommt, desto angespannter ist sie. Unser Hund wird in den Garten verbannt, damit kein einziges Haar im Haus zu finden ist. Am Tag der Slava ist Mama seit sechs Uhr morgens auf den Beinen. Das selbstgebackene Brot duftet im Ofen, der Tisch ist gedeckt und die Sitzordnung der 20 Gäste geklärt. Mich verbannt sie, wie jedes Jahr, an den Kindertisch – zusammen mit meiner 33-jährigen Schwester und meinen zwei sechsjährigen Cousinen.

Slava
Foto by Marko Mestrovic

Kurz bevor die ersten Besucher eintrudeln, will ich meine Mutter wegen der Kindertisch-Aktion ärgern: „Ach Mama, zieh’ nicht so ein Gesicht. Sooo viel Arbeit war das doch gar nicht“.  Totenstille. Meine Mutter legt die Teller, die sie nun zum dritten Mal poliert, zur Seite und starrt mich an. „Nicht viel Arbeit?“, fragt sie mit verdächtig ruhiger Stimme.  „Na wenn das so ist, wirst du unsere Slava nächstes Jahr organisieren.“ Mein Vater verdreht die Augen und schüttelt den Kopf. „Halb so schlimm“, erwidere ich naiv.

Unter dem Tisch zücke ich mein Handy google „Slava“. Schnell merke ich, mir fehlt es nicht nur an Mamas Kochkünsten, sondern auch am Wissen zu unserem Feiertag. So ist das serbische Familienpatronfest im neunten Jahrhundert entstanden. Die Slava ist demnach eine Erinnerung an jene Stammesvorfahren, die als erste den christlichen Glauben angenommen haben. Jede Familie hat einen eigenen Schutzpatron und die Slava wird von Vater zu Sohn weitergegeben. Von den Ehefrauen, die das Ganze auf die Beine stellen, ist nirgends eine Rede.

Haben serbische Pfarrer eine Website?

Ich weiß jetzt also, dass das selbst gebackene Brot meiner Mutter nicht irgendein Brot ist. Es ist heilig. Und ist es eins von vier wichtigen Teilen der Slava. Die anderen drei sind eine Kerze, Wein und gekochter Weizen. Außerdem gehört zum Slava-Repertoire eine Ikone des Hausheiligen (meistens ein Gemälde oder ein Holzschnitt), ein Öllicht und ein Weihrauchgefäß. Zusätzlich sollte ein serbisch-orthodoxer Pfarrer ein paar Tage vor der Slava das Haus absegnen. Das erste große Fragezeichen in meinem Kopf: Wie komme ich an einen serbischen Pfarrer? Haben die eine eigene Website?

Slava
Foto by Marko Mestrovic

Tipps der Profis

Nach der Internet-Recherche weiß ich, wie ich meine Sarma am besten rolle. Aber wirklich Durchblick, wie ich eine anständige Slava auf die Beine stelle, habe ich noch immer nicht. Also entscheide ich mich für den direkten Weg. Nein, ich frage nicht meine Mutter um Rat, dafür bin ich zu stolz. Ich bitte die wahren Profis und Slava-Genossinnen um Hilfe – die serbischen Hausfrauen. Als erstes statte ich der Mutter meiner besten Freundin einen Besuch ab. Die Serbin feiert jedes Jahr am 21. November. „Wenn du glaubst, du wirst Zeit haben selbst zu essen, dann irrst du dich gewaltig“, startet Dijana das Gespräch. „Ich komme erst abends beim Wegräumen zum Essen“.

Jedes Jahr empfängt die 41-Jährige zu ihrer Slava 25-30 Personen. Darunter sind Freunde, Verwandte, Nachbarn und die Taufpaten ihrer Kinder. Manchmal kommen auch entfernte Bekannte dazu, denn wenn sie kurz vor der Feier jemanden beim Einkaufen trifft, lädt sie auch ihn mit den Worten „dodji, slavim“ (komm, ich feiere“) ein. „So ist der Brauch“, erklärt sie. Für die Gäste braucht sie ein etwa 25-Kilogramm schweres Spanferkel, also etwa ein Kilo pro Person. „Außerdem dauert nicht nur das Vorbereiten Tage, sondern auch das Aufräumen danach“, erzählt Dijana weiter. Der Besuch ernüchtert mich. Ich suche weiter, hoffe auf eine Frau, die mir den Kloß im Hals nimmt.

Slava
Foto by Marko Mestrovic

Spanferkel sind Männersache

Falsch gedacht. Auch meine Tante bestätigt meine Befürchtung. Sie muss nämlich nicht nur jedes Jahr am 2. August ein viergängiges Menü für circa 20 Leute auftischen, sondern dafür auch nach Bosnien fahren. Ihr Mann besteht auf ein Fest in seinem Heimatdorf im Osten von Bosnien. „Die Gäste kommen in drei Schichten“, beschreibt sie den zeitlichen Ablauf. „Die erste Tour kommt um 12 Uhr, die nächste um 15 Uhr und die letzte gegen 18 Uhr.“ Von der Hilfe meines Onkels kann sie nur träumen. Lediglich ein Spanferkel organisiert er. Das ist schließlich Männersache. „Während er Fußball schaut, schäle ich zehn Kilo Kartoffeln“.

Zu viel für meine Nerven. Nach diesem Gespräch werfe ich das Handtuch, krieche auf Knien zu meiner Mutter zurück und bitte um Vergebung. „Nächstes Jahr sorgst du für die Kuchenauswahl und suchst im Internet nach neuen Rezepten“. Die Selbstgefälligkeit in der Stimme meiner Mutter ist nicht zu überhören. Mein Vater ist erleichtert, endlich herrscht wieder Frieden zwischen Mama und mir. Weil er nur Töchter hat, muss ich ihm dennoch etwas versprechen: Eines Tages übernehme ich unsere Slava.

Alexandra Stanic, Slava
Foto by Marko Mestrovic

Für eine unvergessliche Slava brauchst du:

  • 20-30 Gäste
  • Ein Kilo Fleisch pro Person bzw. ein Spanferkel
  • das Slava-Kit: heiliges Brot, Wein, eine Kerze und Weizen
  • Sechs verschiedene Kuchensorten, die sonst keiner hat
  • Einen guten Kartoffelschäler
  • Drei Tage Urlaub, davor und danach

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