Auf der Suche nach dummen Handys
Von Jad Turjman
Auf der Suche nach dummen Handys
Als Fremder in Österreich angekommen, begab ich mich auf die Suche nach einem Freundeskreis, in dem ich mich wohlfühle. Ich habe mittlerweile alle möglichen Gesellschaften ausprobiert und nach jeder Erfahrung zog ich weiter auf die Suche – hungriger und durstiger als zuvor – nach einer Gemeinschaft, in der ich ohne Vorbehalte einfach ich selbst sein kann. Die Fußballer waren die ersten, bei denen ich Bezug suchte. Und es hat nicht lange gedauert bis ich abgehauen bin. Abgesehen von toxischen Männlichkeiten und Homoangst, sind die meistens Fußballer einfach gestrickt und nur über die nächste Bierkiste und die Größe ihrer Penisse reden. Bei den Spirituellen dachte ich, zumindest am Anfang, mein Zuhause gefunden zu haben. Aber gleich bei der ersten gemeinsamen Meditation habe ich mich veratmet und bin fast erstickt. Und egal, welche Probleme und Krankheiten ich hatte, empfohlen sie mir, mehr Hafer zu essen.
Meinungen überall
Bei den Impfgegner:innen war es ebenfalls eine Bauchlandung. Sie können über sich nicht lachen und müssen das Alphabet des Humors von null lernen. Jurastudierende nehmen sich ebenfalls zu ernst und reden sogar mehr als ich über sich. Musiker:innen können über Emotionen nicht reden. Feminist:innen habe ich grundsätzlich vermieden. Ich hatte ständig Angst, dass sie meine toxischen Charakterzüge thematisieren. Bei den Intellektuellen war es am schlimmsten. Intellektuelle haben einfach zu viel Meinungen und Prinzipien. Sie haben zu allem und jedem eine Meinung. Sie haben eine Meinung im Mund, eine Meinung im Bauch, und eine Meinung im Ärmel. Intellektuelle waren meistens diejenigen, die mich an mein Flüchtlingsein mit ihren intellektuellen Gesprächen erinnern, in dem sie kundgetan haben, dass sie nichts gegen mich hätten.
Ich wurde depressiv und dachte ich gehöre nirgendwohin. Aber eines Tages, als ich am Berg stand und in die Tiefe hinunterschaute, begrüßt mich eine ca. vierzigjährige Frau und fragte mich, ob ich aus der Gegend sei. Sie wirkte auf mich sehr sympathisch, sehr entspannt und authentisch. Ich habe das Gespräch mit ihr genossen. Ich wollte nicht, dass unsere Begegnung endet. Ich war neugierig, was an ihr so besonders sei. Es hat auch nicht lange gedauert, den Grund zu entdecken. Ihr Handy klingelte. Ich stellte fest, dass die Frau kein Smartphone hatte, sondern ein altes Handy. Es leuchtete bei mir ein.
Endlich angekommen
So hielt ich Ausschau nach Menschen, die kein Smartphone haben, sondern ein „dummes“ Handy. Und in der Tat. Jeder Begegnung mit einem Menschen mit einem dummen Handy, war ein Raum für Heilung und Erholung. So entschied ich mich, mir ein dummes Handy zu besorgen und mein Smartphone, wenn ich mich mit meinen Freund:innen mit dummen Handys treffe, zuhause zu lassen. Ich fühle mich so geborgen und wohl in dieser Gesellschaft. Ich bin angekommen. Vor kurzem traf ich einen Mann im Bus, der ein dummes Handy hat. Ich spürte Kribbeln im Bauch. Er wirkte auf mich wie ein Gott. Er musste keine Sozialen Medien checken und keine Wetterlage. Er war vollkommen da. Anwesend mit all seinen Sinnen. Ich wollte ihn umarmen und laut rufen: „Ich liebe dich.“
Ich will nicht den Eindruck erwecken, dass wir, die Community der dummen Handys, euch die Gesellschaft der Smartphones abschätzig betrachten oder ablehnen. Im Gegenteil. Wir sind nicht ideologisch. Wir brauchen euch sogar, damit ihr uns den Weg, wenn wir uns verlaufen, durch eure Google Maps zu erklären, oder ein Taxi zu bestellen. Wir wollen einfach, wenn wir uns mit euch treffen, dass ihr eure klugen Handys in der Tasche lässt, und uns in die Augen schaut.
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