"Ausgestoßen- vom eigenen Land"

14. September 2018

Seit den ersten Österreichern mit türkischen Wurzeln die rot-weißrote Staatsbürgerschaft aberkannt wurde, zittern tausende Menschen um ihre Existenz. „Im schlimmsten Fall werden aus Steuerzahlern jetzt Sozialhilfeempfänger“, kritisiert Anwalt Kazim Yilmaz.

Von Sarah Wagner und Marko Mestrovic (Foto)

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Während des Wahlkampfs 2017 wurde den Freiheitlichen eine Namensliste von Personen zugespielt, die angeblich eine österreichisch-türkische Doppelstaatsbürgerschaft besitzen sollen. Seit Monaten ermitteln die zuständigen Behörden. Allein in Wien werden 18.500 Fälle überprüft. Der Grund: Doppelstaatsbürgerschaften sind in Österreich verboten. Vier Wiener mit türkischen Wurzeln haben bereits die österreichische Staatsbürgerschaft verloren. Drei von ihnen sind dagegen in Berufung gegangen. Anwalt Kazim Yilmaz vertritt einen der betroffenen Austro-Türken. 

BIBER: Was bedeutet die Aberkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft? 

KAZIM YILMAZ: Alles, was mit der österreichischen Staatsbürgerschaft verbunden ist, kann für die Menschen drastische Konsequenzen haben. Die Aufenthalts- wie auch Arbeitsgenehmigung vieler Betroffener beruht auf der österreichischen Staatszugehörigkeit. In einem ersten Schritt müssen sie sich bei Verlust der Staatsbürgerschaft um einen gültigen Aufenthaltstitel kümmern, erst damit können sie dann eine Arbeitsgenehmigung beantragen. Im schlimmsten Fall werden jetzt aus Steuerzahlern Sozialhilfeempfänger. 

Wie können Betroffene beweisen, dass sie keine türkische Staatsbürgerschaft besitzen? 

Die Betroffenen sollen eine Bestätigung des türkischen Konsulats vorlegen, dass sie keine türkischen StaatsbürgerInnen sind. Allerdings bekommen sie keine Dokumente vom Konsulat, weil sie eben keinen türkischen Pass haben. Die Behörden verlangen damit etwas sehr kurioses, nämlich einen Umstand zu beweisen, der nicht da ist. Es ist wirklich absurd, denn eigentlich liegt die Beweislast bei der Behörde. Jetzt versucht man hier künstlich die Beweislast auf die Bürger umzuwälzen. 

Wie wird sich dieser Prozess auf die Integration auswirken? 

Es geht um Menschen, die schon seit 40 Jahren hier leben und sich als Österreicher fühlen – nur eben türkische Wurzeln haben. Jetzt haben viele das Gefühl, dass sie nicht gewollt sind; dass man künstlich versucht, eine – so wie mein Mandant es nennt – Hetzjagd auf Menschen mit türkischen Wurzeln zu betreiben. Das ist für die Integration natürlich höchst unerfreulich. Sie werden sich ausgestoßen fühlen – vom eigenen Land! 

Wie können sich Betroffene wehren? 

Jeder Fall  ist anders gelagert, aber Betroffene sollten jemanden konsultieren, der sich nicht nur mit dem österreichischen Staatsbürgerschaftsrecht ausreichend auskennt, sondern auch mit den Grundzügen des türkischen Rechts. 

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