Australien: Dort draußen im Outback

16. März 2011

Australien ist der Kontinent der verschobenen Proportionen. Die Eidechsen können zwei Meter lang werden, die Trucks haben bis zu sechs Anhänger und das Bier wird in einem „Jug“ (mehr als einen Liter fassende Kanne) bestellt. Dieser Kontinent ist weit mehr als Ayer’s Rock, Sydney’s Opernhaus und schwimmende Kängurus: Weit weg, weitläufig und bei Weitem nicht billig.

Von Dominik Schaden (Text und Fotos)

 

 

Die Anreise ist recht beschwerlich (neunzehn Stunden Flug, einmal Umsteigen) gilt es doch, ans andere Ende der Welt zu kommen. Mein Vorhaben: Den Kontinent von Süden nach Norden auf den Spuren des schottischen Pioniers Stuart zu durchqueren. Er brauchte drei Anläufe und nahm anfangs sogar ein Schiff mit, da er inmitten des Kontinents ein riesiges Binnenmeer vermutete. Stuart streifte für sein tollkühnes, letztendlich aber erfolgreiches Unterfangen eine fette Belohnung von der Queen ein. Das ermöglichte es ihm, zurück in der alten Heimat, an Gehirnerweichung zu sterben. Kurz gesagt: Er hat sich nach getaner Arbeit zu Tode gesoffen. Schwer beeindruckt davon, machte ich mich auf den vor Gefahren nur so strotzenden Weg.

 

 

Die Sonne und andere Gefahren
Die augenscheinlichste Gefahr ist die Sonne. Wie allgegenwärtig etwas sein kann, das gar nicht da ist, merkt man hier am Ozon. Warnungen auf Bildschirmen und im Radio sind allgegenwärtig. Tatsächlich haben sie hier die meisten Hautkrebserkrankungen weltweit - kein Land um braun zu werden also. Mit UV-geschützten Sonnenbrillen und 50+-Sonnencreme bewaffnet werde ich sodann vor den unterschiedlichsten Tieren gewarnt: Es gibt giftige Schlangen und Skorpione, aber die mit Abstand gefährlichsten Tiere der Wüste, sagen die Trucker, sind die sogenannten Road Trains: riesige LKWs mit bis zu 6 Anhängern, die entlang des nach Stuart benannten Highways durch die Wüste donnern und auch schon mal ausgewachsene Rinder überfahren.

Sämtliche Gefahren für Touristen werden von meinem australischen Freund Stringer auf eine einfache Formel gebracht: Deutsche sterben in Western Australia (ihnen gehen in der Regel Sprit und Wasser aus), Japaner in South Australia (sie unterschätzen Unterströmungen und Haiwarnungen), die in Australien unbeliebten Engländer im Pub (selbsterklärend) und die Australier im Swimming Pool (vorwiegend im Frühjahr ihres Lebens). Bis jetzt machten mir aber eigentlich nur die Vögel zu schaffen. Von Motorsägenlärm, Schluckauf bis hin zu Speiberei haben sie jeden erdenklichen Laut im Repertoire und demonstrieren ihr Können bereits bei Tagesanbruch.

 

Musik in Melbourne
Letzteres Geräusch riss mich auch schon im Youth Hostel in Melbourne aus dem Schlaf. Die Stadt, jung und facettenreich, läuft Sydney nach und nach den Rang als beliebteste Touristendestination ab. In den Hunderten Kneipen und Clubs rund um die Smith Street spielt jeden Abend Live-Musik aus aller Herren Länder. Auf den Bildschirmen wird meist Aussie Rules (Australien Football) gezeigt, was den üblichen bereits recht hohen Gebrauch des Wortes fucking (equivalent zu „Oida“) noch einmal rapide in die Höhe schnellen lässt. Hierfür bieten sich besonders Begegnungen zwischen Australiern und Neuseeländern (in Australien liebevoll „sheepfucker“ genannt) an.

Schon die ersten Etappen in Richtung Alice Springs lassen mich die Weite dieses Landes erahnen. Jede Tankstelle am Weg wird genutzt, um ja nicht einen deutschen Tod zu sterben. Mit der Nähe zum Red Centre, wie Australiens Wüste im Zentrum genannt wird, steigen die Sprit-, Bier- und Zigarettenpreise. „No Shoes, No Service“-Plakate und Alkoholverbote an öffentlichen Plätzen lassen auf eine gewisse soziale Schieflage schließen. „They are so poor! It’s so sad!“, macht eine Australierin hinter mir ihrem Mitleid Luft. Gemeint sind die „echten“ Australier, die Aboriginal People.

 

 

Fremd im eigenen Land
Und tatsächlich: Bloßhappert und dem einen oder anderen alkoholischem Getränk offensichtlich nicht abgeneigt, sitzen sie in kleinen Gruppen unter den wenigen Schatten spendenden Bäumen und musizieren. Nun nimmt die Australierin so richtig Fahrt auf: Sie findet deren Kultur in Bezug auf die Umwelt so o.t.t. (over the top = supaleiwand) und diese Aboriginal Dot-Paintings, einfach nur „be-au-ti-ful“! Sie kann nur nicht verstehen, warum man diesen Leuten noch immer eine staatliche Mindestsicherung ausbezahlt, sie kaufen darum ja doch nur Alkohol und lungern in Parks rum. Sie will die „Sandler“ von der Straße haben und heuchelt im selben Atemzug falsche Betroffenheit. Das in deren, von ihr so heiß geliebten, Kultur nie etwas auf Schriftrollen festgehalten, geschweige denn auf tragbare Leinwände Bilder gemalt wurde, scheint ihr nicht in den Sinn gekommen zu sein.

 

 

 

Dass das Prinzip Geld gegen Arbeitskraft nie Bestandteil ihrer Kultur war und sie auch noch nie Schuhe benutzt haben, detto.

 

„Die Aboriginal People, die du in der Stadt gesehen hast, wurden allesamt wegen Verbrechen aus ihren Clans verstoßen. Früher ein todsicheres Urteil, da kein anderer Stamm Verstoßene aufnimmt. Heute schwemmt es sie eben in die Städte.“, klärt mich Stringer beim abendlichen BBQ unter dem grellen Sternenhimmel, wie ihn nur eine Wüste aufs Firmament zaubern kann, auf.

 

 

 

 

 

 

 

Schmausen wie die Götter
Etwas nachdenklich begebe ich mich auf das letzte Drittel meiner Reise. Ich fahre vom roten Zentrum in den Norden und nach atemberaubenden Ausblicken, Bäder in glasklaren Quellen und Begegnungen mit sieben Meter langen Krokodilen erreiche ich Darwin. Sämtliche kulinarische Einflüsse - asiatisch, griechisch, britisch etc. - sind hier verschmolzen. Innerhalb kürzester Zeit ist das noch verbleibende Reisebudget in Leckereien aller Art investiert. Naja, die wirklich gepfefferten Preise für Zigaretten und Bier im Outback sind auch bisschen Schuld an der Ebbe in meinem Börsel. Hätte ich mehr Zeit, könnte ich mir schnell etwas dazuverdienen. Von Ziegelsteinen pressen, über Schafe scheren oder Mangos ernten, hier gibt’s für jeden was zu tun.

 

 

Momentan herrscht in Darwin die sogenannte „Suicide Season“. Gemeint ist nicht eine Phase des kollektiven Selbstmords, sondern eine höllische Hitze, die von Gewittern und den meisten Blitzeinschlägen der Welt gekennzeichnet ist. Herzinfarkte und Dehydration waren hier die gängigen Todesursachen vor der Erfindung der Klimaanlage. Mir fällt auf, dass in Darwin deutlich mehr Asiaten hinter den Theken der Geschäfte und der Bars arbeiten als im Süden des Landes. „Banana Kids!“, entfährt es Stringer. „Außen Gelb und innen weiß!“, erklärt er mir ihren Integrationsstatus. Doch ich bin längst damit beschäftigt, ein brauchbares Abendprogramm auf die Beine zu stellen und werde sogleich fündig. Heute Abend gibt hier eine Polizeiband am Hauptplatz ein Konzert. Als wir hinkommen spielen sie gerade Michael Jacksons „Don’t Stop till you get enough“. Während ich bereits an meiner Gehirnerweichung arbeite, stelle ich mir diese Szenerie mit österreichischen Kieberen am Karlsplatz vor und bin doch noch froh, ein Weilchen an diesem Ort des Abwechslungsreichtums verbringen zu dürfen.

Dominik Schaden ist freier Mitarbeiter
des Urlaubsmagazins „reisetipps“
und der Tourismusfachzeitung „tip“

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