Der Untergang der Shisha

07. Mai 2015

Ab 2018 ist Schluss mit Shisha! Das Rauchverbot trifft nicht nur die Alt-Wiener Kaffeehäuser, sondern auch die orientalischen Wohlfühloasen, die vor allem bei Jugendlichen beliebt sind. Die Besitzer fürchten um ihre Existenz.

Von Onur Kas und Susanne Einzenberger (Fotos)

„Jeder, der in meine Shisha Bar reinkommt ist ein Familienmitglied.“, sagt Roman und beschreibt, wie viel ihm seine Gäste bedeuten.  Der 22-jährige ist Geschäftsführer der Shisha-Bar „Efendis“ im 15. Bezirk. Nähert man sich den Laden, strömt einem sofort das fruchtige Aroma in die Nase. Hier trifft westlicher Club-Flair auf orientalischen Touch. Während er an der Wasserpfeife zieht, redet Roman über seine größte Leidenschaft. „Seit Teeangertagen wusste ich, dass ich mein Hobby zum Beruf machen werde.“ Vor zwei Jahren öffnete er schließlich seine eigene Shisha-Bar.  Dass damit schon bald Schluss sein soll, macht ihn traurig und wütend.

Roman Wais
Foto: Susanne Einzenberger
Ab 2018 ist Schluss

Ab Mai 2018 soll der Qualm aus österreichischen Gastronomien verbannt werden. Damit folgt die Regierung einem internationalen Trend, der den blauen Dunst aus den Cafés, Bars und Restaurants wegwehen möchte. Auch Shisha-Bars sind vom absoluten Rauchverbot betroffen. Das Gesundheitsministerium argumentiert, dass Wasserpfeifen genauso schädlich seien, wie herkömmliche Zigaretten. Die zahlreichen Shishaholics bangen um ihre Feierabend-Nargile.

Roman hält das angestrebte Verbot für einen schlechten Scherz: „Ich habe mein ganzes Leben in den Laden investiert und damit soll jetzt Schluss sein?“, erzürnt sich der 22-jährige. Zudem sei ihm noch nie zu Ohren gekommen, dass jemand durchs Shisha-Rauchen ernsthaft zu Schaden gekommen sei. „Wenn jemand regelmäßig zu Alkohol und Junkfood greift, ist das schädlicher.“ Florian (25) ist ein Stammkunde bei „Efendis“ und enger Freund von Roman. Er hält die Maßnahme des Gesundheitsministeriums für reine Panikmache. „Wenn jemand durch eine Wasserpfeife starb, dann weil er mit dem Schlauch erschlagen wurde.“, beurteilt der Shishafan zynisch die Gefahr des Wasserpfeifenrauchens. 

Die Wiener Shisha-Szene ist längst keine exotische Randerscheinung vom Stadtrand. Von den orientalischen Entspannungs-Oasen gibt es mittlerweile über 200 in der Hauptstadt. Das ist zehnmal so viel wie 1999. Damals zählte man ganze 25 Bars. Wie viele es in der Stadt genau gibt, ist schwer herauszufinden, da sie zu den herkömmlichen Gastronomien gezählt werden. Somit wuchs ein ganzer Geschäftszweig wie die Schwammerln aus dem Boden. Doch kaum erreicht der Siegeszug der Wasserpfeife seinen Höhepunkt, ist es auch schon  vorbei mit der Erfolgssträhne.

Nachtleben wird fader

Im Café Berfin ist die „Nargile“ (türkisch für Wasserpfeife) ein Kundenmagnet. Nuri (31), der Geschäftsführer des Lokals im 7. Bezirk, befürchtet den Verlust einer lebhaften Kultur: „Es ist schön zu sehen, dass die Leute beim Karten spielen und Schüler oder Studenten beim Hausaufgaben machen, entspannt eine Wasserpfeife rauchen und mein Café beleben. Das Shisha-Verbot wird das Wiener Nachtleben fader machen.“ Wenn das Verbot in Kraft tritt, müsste er aber nicht zusperren, da er Speisen und Getränke ebenfalls anbiete. Ein Wermutstropfen für Nuri.

Ganz anders sieht die Lage bei Israfil aus. Der 24-jährige mit persischen Wurzeln betreibt das „Chillex“ in Favoriten und fürchtet um seine Existenz. Die Wasserpfeife ist seine Haupteinnahmequelle. „Wenn die Regierung ihre Drohung wahrmacht, kann ich den Laden gleich dicht machen und verliere meinen Job.“ Die Politik appelliert an junge Leute, Unternehmen zu gründen und Arbeitsplätze zu schaffen, doch gleichzeitig baut sie Barrieren voller bürokratischer Vorschriften auf, die junge Performer abschrecke.  Er habe einen Kredit im fünfstelligen Bereich aufgenommen und in sein Geschäft investiert. „Die sollen nun futsch sein?“, fragt sich Israfil.  „Das ist frustrierend. Ich habe mich selbstständig gemacht, um einen sicheren Arbeitsplatz zu haben.“ Marko sitzt neben Israfil und lässt den Shishaschlauch unter seinen Mundwinkel verschwinden. Der 18-jährige ist öfters hier und empört sich über das bevorstehende Verbot. „Hier nimmt man einem jungen Unternehmer den Arbeitsplatz weg.“ Das Chillex ist Markos Lebensmittelpunkt. Die Wasserpfeife Pflicht. „Wenn die Eingangstür für immer verriegelt wird, dann muss ich mir ein neues Hobby suchen.“, so Marko resignierend.

Eray hofft auf einen Kompromiss mit der Politik. „In der Demokratie gibt es  immer Lösungen.“ Dem 27-jährigen fällt die zunehmende Verunsicherung unter seinen Gästen auf. Immerhin ist sein Lokal „Selcuklu“ im 15. Bezirk ein sozialer Treffpunkt für die junge Generation. „Die Shisha ist nicht nur ein Genuss-, sondern auch ein Kommunikationsmittel. Die Leute kommen entspannt zusammen, schalten vom stressigen Wiener Alltag ab und tauschen sich untereinander aus.“ Sein regelmäßiger Stammkunde, Abdullah (18), sieht es genauso. Er outet sich als bekennender „Shishaholiker“ und weiß jetzt schon, dass man ihm in seinem Leben etwas wegnehmen würde, wenn alle Shisha-Bars zusperren würden. „Die Politik nimmt uns immer Dinge weg, die uns Spaß machen. Will man uns jetzt das Glücklich sein verbieten?“ Zwar würde er weiterhin zu Hause seine Wasserpfeife genießen, aber alleine zu Qualmen sei langweilig und man könnte sich nicht ausgelassen über Autos, Fußball und Frauen unterhalten. Daher wünscht er sich Ausnahmen, die es auch in anderen Ländern gibt.

Selchuklu
Foto: Susanne Einzenberger
Ausnahmen in Deutschland, Totalverbot in der Türkei

Wie sehen die Nichtraucherschutzregelungen in anderen Staaten aus? In Deutschland ist der Nichtraucherschutz Ländersache. Doch Bundesweit gilt ein totales Rauchverbot in öffentlichen Einrichtungen und Verkehrsmitteln sowie in Gastronomien. Anfangs galt dies auch für Shisha-Bars. Doch 2013 fiel das Oberverwaltungsgericht Münster ein Grundsatzurteil, wonach das Rauchen von getrockneten Früchten über eine Wasserpfeife nicht unter das Nichtraucherschutzgesetz fällt. Die Begründung dazu: Es gebe keine Erkenntnisse darüber, dass Passivraucher durch den Dampf der Wasserpfeifen gesundheitlich gefährdet werden. Ähnlich ist die Situation auch in Ungarn.

In der Türkei dagegen, dem Mutterland der „Nargile“, herrscht  seit 2009 ein Totalverbot. Zigaretten und jegliche Wasserpfeifen wurden aus Teehäusern, Cafés und Bars verbannt. Die Regierung  greift hart durch. Wer sich nicht an das Verbot hält muss 69 Lira (30 Euro) zahlen. Gastwirte, die das Rauchen dulden müssen sogar 500 bis 5000 Lira (230 bis 2300 Euro).

SPÖ und ÖVP halten an ihrem Vorhaben fest, das Qualmen ab 2018 gänzlich zu verbieten. Die Grünen begrüßen diesen Schritt, wollen jedoch das Verbot mit sofortiger Wirkung. Die Neos sprechen sich grundsätzlich für das Rauchverbot aus, möchten jedoch Shisha-Bars davon ausnehmen. Nur die FPÖ stellt sich gegen das totale Qualmverbot und sind für die Beibehaltung der gegenwärtigen Regelungen. (Siehe „Das sagen die Parteien.“)

„Von unseren Politikern lass ich mir nichts mehr versprechen“

Shisha
Foto: Susanne Einzenberger
Von diesen Meinungsverschiedenheiten ist Eray genervt und fühlt sich von der Politik hintergangen. „Von unseren Politikern lass ich mir nichts mehr versprechen. Wenn es sein, muss gehe ich mit meinen Gästen demonstrieren.“  Weitere Betreiber werden Erays Beispiel folgen.

Zurück im „Efendis“ in Rudolfsheim. Auch Romans Gäste stehen hinter dem Besitzer. Egal welchen Alters und welcher Herkunft. Österreicher, Türken, Jugos, Deutsche, Polen. Sie alle bringen Leben hier rein. Selbst seine 78-jährige Oma würde sich hier regelmäßig aufhalten. Wenn er seine Shisha-Bar zusperren muss, sei Deutschland für ihn eine Option. „Ich weiß, dass ich meinen Beruf weiterhin ausüben werde. Aber meine Gäste können nicht jeden Tag nach Deutschland kommen.“ witzelt der 22-jährige. Noch kann Roman lachen, 2018 ist damit Schluss.

 

 

Das sagen die Parteien:

„Deutsches Recht ist für Österreich irrelevant.“, sagt die Pressesprecherin des SPÖ geleiteten Gesundheitsministeriums Raphaela Pammer. Eine Ausnahme wird es hierzulande nicht geben. „Die Raucherquote unter Jugendlichen ist in Österreich im internationalen Vergleich ohnehin überdurchschnittlich hoch. Daher möchten wir verhindern, dass Teenager auch zu Wasserpfeifen greifen.“ Politisch stößt das generelle Rauchverbot auf breite Akzeptanz. Erwin Rasinger, Gesundheitssprecher der ÖVP, erklärt, dass es sich um eine richtige Maßnahme handele. Die Gesundheitssprecherin der Grünen, Eva Mückstein, begrüßt ebenfalls dieses Vorgehen, will jedoch eine raschere Umsetzung statt eine Übergangsfrist bis 2018. Die Neos sind zwar für ein Rauchverbot, wollen jedoch eine Ausnahme für Shisha-Bars. Elias von der Locht von den Junos (Junge Liberale Neos) beteuert, dass solche Lokale explizit zum Shisha-Konsum aufgesucht werden und es so zu keiner Gesundheitsschädigung von Passivrauchern kommen könne. Außerdem entziehe man den Betreibern ihre Geschäftsgrundlagen, wodurch Arbeitsplätze verloren gingen. FPÖ-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch-Jenewein dagegen hält nichts von einem allgemeinen Verbot für Wasserpfeifen. „Man kann den Leuten nicht ständig etwas verbieten. Die Trennung in Raucher- und Nichtraucherbereich habe bislang gut funktioniert.“

 

 

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