Die Burka in der Bibliothek

29. März 2011

Ich sitze in der Germanistik-Bibliothek auf der Uni, und neben mir sitzt eine Frau, vermutlich aus einem arabischen Land und studiert fleißig einen Berg Bücher. Bitte, das lobe ich mir, wenn es Migranten gibt, die sich derart für die deutsche Sprache interessieren, dass sie diese sogar studieren.

Die Dame neben mir ist schon ein wenig älter, sie hat kleine Fältchen um die Augen und liest gerade in Marlene Streeruwitz "Frauenjahre". Das Buch handelt von einer Frau, die von ihrem Mann betrogen und verlassen wurde. Sie kümmert sich ganz alleine um ihre beiden Kinder und findet nichts Schönes an ihrem Leben. Mit Sexabenteuern hält sie sich über Wasser und auch ein neuer Mann, der in ihr Leben tritt ändert wenig an ihrem Gefühl, nicht liebenswert zu sein.

So ähnlich geht die Geschichte - ich habe den Inhalt nur mehr dumpf in Erinnerung.

Da ist eigentlich nichts Ungewöhnliches dran, wenn eine junge Frau österreichische, leicht feministisch angehauchte Literatur studiert, finde ich.

Diese Frau ist aber nicht alleine. Ihr Mann sitzt neben ihr mit verschränkten Armen und schaut ihr beim Lesen zu. Die Frau ist bis auf die Augen verhüllt. Ein Mal verlässt sie den Lesesaal, sofort steht er auf und geht ihr nach. Einige Minuten später kommen sie zurück, sie liest weiter, er kontrolliert weiter. Ab und zu flüsterte er etwas in harschem Ton in ihre Richtung und gestikuliert wild. Einige Studenten schauen verstört.

Ich verstehe die Sorge des Mannes: die Bibliothek ist wirklich ein Ort, wo man seine Frau beschützen muss. Angesichts des vielen Wissens, das hier überall steht, dass zur aufgeklärten Selbstständigkeit erzieht sowieso. So saßen die beiden beinahe vier Stunden da. Der Mann hatte keine Lust ein Buch zu lesen. Er hatte nur Lust aufzupassen. Einmal schlief er kurz ein. Als er aufwachte, deutete er ihr zu gehen. Sie schlug die Bücher zu und spurte sofort.

Ich wünsche dieser Frau, dass es ihr nicht geht wie Streeruwitz' Protagonistin: Sie soll verlassen werden, aber dann einen Mann finden, der sie auf Händen trägt und ihr die Sterne vom Himmel holt.

 

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