Die Reise ins bosnische Dorf

14. Dezember 2015

Dieses Anhängsel Migrationshintergrund kann nicht das Gefühl beschreiben, welches sich bei dem einen oder anderen dahinter verbirgt. Auch bei mir. Seit meiner Kindheit, Jahr für Jahr in der neuen Heimat, war es ein Gefühl, wie zwischen zwei Welten zu leben. Ich kannte das dort und ich lernte immer mehr das hier kennen. Es prägte mich, veränderte mich und führte schließlich zu einer immer größeren Entwurzelung vom alten Leben im bosnischen Dorf, das ich vor kurzem wieder mal besuchte.

Omas Obstbäume
Ein Heimaturlaub, der in den letzten Jahren immer seltener wurde. Das, was mich früher mit Bosnien verband, verschwindet langsam, weil auch unten die Zeit nicht stehen bleibt. Das Problem dabei: Ich fühle mich hier in Wien zwar geborgen und zuhause, aber ein Teil von mir fehlt. Die Kindheit, das Haus meiner Eltern, der Duft der Obstbäume in Omas Garten, die mich wohl nie richtig ankommen lassen werden, weil ich das hier alles nicht hatte. Und fahre ich runter, katapultiert es mich zurück in die Vergangenheit. Es fühlt sich an, als ob ich eine kurze Reise in ein altes Leben mache, welches bei der Rückkehr wieder zur Erinnerung wird und ein Gefühl zurückbleibt, etwas verloren zu haben. Meine Wurzeln.

Bei diesem Gefühl ging es mir nie um Nationalstolz oder um die Zugehörigkeit zu einem Land. Und wenn Debatten über Integration geführt wurden, wo auch Österreich als die neue Heimat wahrgenommen und geliebt werden sollte, fehlte es bei der Diskussion am Einfühlungsvermögen zu verstehen, dass jeder seine eigene Geschichte vom alten Leben mitbringt. Dieses Gefühl kommt in einem hoch, wenn man die Grenze in die alte Heimat überquert, die Straßen entlang fährt, die in einem etwas Vertrautes wecken. Auch dieses Mal saß ich jeden Morgen im Garten, schaute auf die bosnischen Felder hinaus, fühlte mich wieder wie ein Kind, das sein Zuhause verlassen musste und nur wieder mal zu Besuch kommt. Ich vermisse es, diesen Teil vom Leben, den ich zurückgelassen habe. Mir fehlt es in Österreich Großeltern und ein Elternhaus zu haben, wo ich “die kapija”(das Tor) aufmachen kann, hineingehe und weiß, dass es für immer mein Zuhause sein wird. Das ist jetzt weit weg. Die Großeltern sind tot und keiner wartet mehr, keiner winkt einem mehr, wenn man wieder nach Österreich fährt. Sie waren einer der Gründe, warum die Heimaturlaube früher öfter geplant wurden. Geblieben sind die Straßen, die Häuser und Leute, von denen man viele gar nicht mehr kennt und deren Kinder für einen Fremde sind.

Ausländische Nummerntafeln
Und ist das Urlaubsprogramm vorbei, paar Mal Cevapi essen und Kaffees in der Stadt trinken, überkommt einen die Nervosität. Man merkt, dass man irgendwie gar nicht mehr dazugehört, sich durch die ausländischen Nummerntafeln outet und für die Leute unten die Diaspora ist, die sich mal wieder blicken lässt. Du glaubst zu spüren, wie ein Urlauber in der eigenen Heimat wahrgenommen zu werden und sehnst dich nach dem Vertrauten, deinem Zuhause in der neuen Heimat, wo du dich nicht mehr wie ein Urlauber fühlst, aber doch auf eine Art und Weise Ausländer bleibst. Und dann fährt man zurück, verlässt das alte Leben. Es kommt einem vor, als ob man in ein geordnetes, sicheres und besser funktionierendes Leben zurückkehrt, was in dem Moment Österreich als neue Heimat spürbarer macht. Und nach sehr vielen emotionalen Momenten in Bosnien, erreiche ich die österreichische Grenze, wo ich mich plötzlich wieder sicherer fühle. Es kommt mir vor wie ein Stück heile Welt, in die ich zurückkehre. In Wien angekommen und die Wohnungstür aufgesperrt, spüre ich eine Erleichterung und fühle, wie sehr ich die Stadt vermisst habe und Zuhause angekommen bin. Zurück aus der Vergangenheit in die Gegenwart und mein neues Leben.

 

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