Fit im Ramadan

30. Juni 2014

 

Unser Redakteur Schadi Mouhandes möchte fasten und trotzdem körperlich fit bleiben. Während sich viele Gläubige abends die Bäuche vollschlagen, zählt Schadi Kalorien, Nährwerte und Vitamine. Ein Selbstversuch.

 

Ramadan steht mit 28. Juni vor der Tür. Von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang soll im heiligen muslimischen Fastenmonat weder gegessen, getrunken noch anders „gesündigt“ werden. Die ersten Mamas kaufen aber bereits allerlei Leckereien ein. Ihre Speisen, ob es Dolma, Lahmacun oder Baklava sind, werden voller Fett und Zucker sein. Dabei wird im Fastenmonat Ramadan mit der eigenen Enthaltung eigentlich den hungernden Menschen gedacht. Aber im Endeffekt essen wir Muslime viel mehr als normal und nehmen meist dadurch extrem zu. Was nicht Sinn der Sache sein sollte.

 

Diesen Sommer soll das bei mir nicht so laufen. Ich will vorab testen, ob ich auch trainiert und ohne zusätzliche Fettpolster durch die Fastenzeit kommen kann. Für meinen Selbsttest gebe ich mir vier Tage – und gehe sofort einkaufen.

 

 

Beim Shop für Fitnessprodukte kaufe ich 1kg Whey, 1kg Casein und einen Workoutbooster. Keine Sorge, das sind keine Anabolika. Whey und Casein sind Proteine, die der Körper braucht um Muskeln aufzubauen. Ein Workoutbooster „kickt“ wie der Kaffee am Morgen, nur nimmt man den meist vor dem Training. Vollgepackt mit diesen Muskelmachern gehe ich zum Supermarkt um die Ecke und lade meinen Einkaufswagen mit echter Nahrung voll: tonnenweise Putenaufschnitt, eben soviel Lachs-, Puten- und Rindersteaks, Vollkornnudeln und Reis, kohlenhydratarmes Gemüse (grünes Gemüse, Tomaten und Paprika), sowie Vollkornbrot, Äpfel, Magertopfen, grünen Tee, Zitronen und Magermilch. Beim heimgehen wünsche ich mir einen LKW, statt bloß meinen Rucksack.

 

 

TAG 1

6 Esslöffel „Kokain“, dazu Lachs mit Magertopfen

 

Punkt 2 Uhr morgens klingelt mein Wecker, um mir zu signalisieren, dass ich noch 30 Minuten zum Frühstücken habe. Dann nämlich geht langsam die Sonne auf und verbietet mir das Essen und Trinken bis zum Abend.

Ich mache mir einen grünen Tee und lasse den Teebeutel in der Tasse. Trinke ihn aber noch nicht! Ich bestreiche drei Vollkornscheiben mit Magertopfen, lege großzügig Lachs oben drauf und stopfe alles genüsslich in mich hinein. Anschließend esse ich einen Apfel, der als Zuckerspender für den Tag dienen soll. Nun hole ich mein Casein Pulver heraus. Zugegebenermaßen, es sieht wie Kokain aus und ich fühle mich wie Pablo Escobar in seinen besten Tagen. Ich mixe 50g Pulver (ca. 6 gehäufte Esslöffel) mit 500ml Milch und trinke diesen äußerst leckeren Shake. Danach schaue ich auf den kalten, bitteren, ranzig gewordenen grünen Tee. Jetzt kommt die Auflösung: Du nimmst den Tee und wäschst dir damit deine Achseln. Nein, Spaß Freunde, ihr trinkt ihn natürlich. Schmeckt eklig, ist aber extrem gut, denn durch die bitteren Stoffe im grünen Tee wird der Hunger über Stunden gehemmt sein. Nach meinem Powerfrühstück lege ich mich nochmal für sechs Stunden hin.

 

 

Dem Fresswahn ein Ende setzen!

 

Der Tag verläuft sehr angenehm, obwohl ich normalerweise mindestens das Doppelte esse. Ab 18 Uhr zwitschert allerdings mein Bauch wie ein Vogel. Es ist zwar kein Gefühl, als ob ich umkippen würde, aber Hunger ist nun mal Hunger. Aber ich versuche mit dem Kopf, statt mit meinem Bauch die höheren Ziele meiner Vor-Ramadan-Mission zu erfassen: Wenn nach dem Ramadan auf einmal alle Muslime wie Top Athleten aussehen, ist es das Knurren im Bauch wert.

 

Diesem Fress-Wahn soll endlich ein Ende gesetzt werden. Man soll bitteschön nicht nur psychisch, sondern auch physisch im Ramadan an sich arbeiten. Der Prophet (sas*) empfiehlt besonders im Ramadan seinen Magen wie folgt zu füllen: 1/3 Nahrung, 1/3 Flüssigkeit und 1/3 Luft. Das symbolisiert, dass sogar der Prophet zur Mäßigung ruft. Sonst wäre das Fasten komplett ungesund und sogar schädlich. Ich lese ein wenig im Internet über die Ramadane der letzten Jahre und erfahre, dass besonders in den ersten drei Tage in vielen Krankenhäusern muslimischer Länder vermehrt Mägen abgesaugt und geplatzte Organe wieder zusammengeflickt werden mussten, weil viele beim Fastenbrechen jegliche Kontrolle über sich selbst verlieren. Da kann man nur den Kopf schütteln!

*sas, arabisch für:

 

 

Das neue Fitnessstudio: McMoschee

 

Das nächste Fastenbrechen rückt immer näher. Normalerweise würde man jetzt anfangen zu kochen. Ich aber eröffne wieder mein Drogenlabor und bereite zwei Shakes zu, bestehend aus 500ml Wasser mit 30g Whey (4 Esslöffel) und einen Mix aus Wasser und meinem Workoutbooster. Danach packe ich meine Sportsachen inklusive zweier Datteln und ab gehts ins Fitnessstudio. Um Punkt 21 Uhr breche ich mein Fasten mit Datteln, dem Whey Shake und Workoutbooster. Ich warte noch 10 Minuten, bis der eingeflößte Zucker mir Kraft gibt – dann beginne ich mein Workout. Ich trainiere Bizeps, Brust und Trizeps und bemerke zunächst keine Schwäche. Doch nach ca. einer Stunde ist meine Puste weg. Umziehen, ab nach Hause, 500 ml Wasser mit 30g Whey nochmal getrunken und nun beginne ich endlich mein Essen zuzubereiten. Ich koche mir 250g Reis, 300g Pute und 300g Brokkoli. Dazu nochmal 500ml Wasser mit Zitrone, für die Vitamine. Das Wasser ist sehr wichtig, da man über den Tag leicht dehydriert, also dem Körper Wasser entzogen wird. Anschließend eile ich noch in die Moschee, um Teravih (xxx) zu beten, was alleine nochmal ein Fitnessprogramm für sich ist, da man sich bis zu 20 mal erheben und senken muss. Um 23 Uhr nochmal ins Schwitzen kommen, puh!

Als Nachtsnack verpasse ich mir 500ml Magermilch mit 30g Casein, damit ich auch über Nacht mit ordentlichen Eiweißen versorgt werde. Muskeln brauchen nämlich auch nachts Energie zum wachsen. Falls ihr wollt, könnt ihr anstatt Milch mit Casein auch 300g Magertopfen löffeln. Schmeckt ein wenig trocken, aber mit ein ganz klein wenig Honig viel erträglicher. Um punkt 0 Uhr falle ich erschöpft, aber zufrieden ins Bett. In 2 Stunden stehe ich wieder auf.
 

 

Über Nacht zum Terminator

 

Die nächsten drei Tage verlaufen wenig anders, außer dass ich Fleisch, Gemüse und Gewürze immer variiert habe, da ich nicht tagelang haargenau das gleiche essen möchte. Am vierten Tag habe ich ca. 3 Kilo verloren und stelle mir schon vor wie ich am Ende des Ramadan aussehen könnte. Brad Pitt? David Beckham? Kivanc Tatlitug? Ich hoffe alle 3 zusammen!

Ich kann abschließend sagen, dass ich mit der Reihenfolge "Sport und dann Essen" kein Problem hatte. Mein Blutzucker war permanent im grünen Bereich und ich bin weder verdurstet, noch umgekippt vor Schwäche, wie es leider die Vorurteile über "Ramadan und Sport" sagen. Das einzig schwierige ist das Essen, da ich mich doch gern mal mit Baklava, Künefe und Co. zu den Ramadan TV-Serien verwöhnen würde. Ich weiß, dass ich in diesem Monat nicht zum Herkules mutieren kann, aber zum abnehmen und gleichzeitigem Muskelaufbau ist er sehr gut geeignet.

 

In diesem Sinne wünsche ich allen Muslimen auf dieser Welt einen gesegneten Ramadan voller Liebe, kohlenhydratfreies Essen und Schweiß.

Euer,

Schadi

 

 

INFO

 

Kohlenhydrate = Es gibt "gute" Kohlenhydrate (Vollkornnudeln, Reis, Vollkornbrot usw.) und "schlechte" Kohlenhydrate (Schokolade, Burger, Weißbrot usw.) Generell sollte man nicht so viel Kohlenhydrate essen, denn die machen uns fett!

Protein = Muskeln brauchen gute Kohlenhydrate und Proteine zum Aufbau

Whey Protein = Versorgt eure Muskeln mit Proteinen, die schnell wirken

Casein Protein = Versorgt eure Muskeln langsamer, über einen längeren Zeitraum mit Proteinen

Workoutbooster = Damit ihr Power vor dem Training bekommt 

 

 

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Kommentare

 

Ein GLÄUBIGER stopft sich nicht voll sei es im Ramadan oder im anderem Monat!

 

Das stimmt. Aber Islam und Muslime sind zwei Sachen leider heutzutage und man sieht leider das eine sehr große Anzahl sich vollstopft und besonders in den reicheren arabischen Ländern. Das ist auch nicht aus "westlichen"-"manipulierten" Medien übernehmen, sondern aus arabischen Medien. 

 

LG

Schadi

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