„Herr Hanke, wie steht es um die Wiener Clubs?“

14. April 2021

Der Wiener Stadtrat für Finanzen Peter Hanke möchte einen Kultursommer auf die Bühne bringen, wartet mit kreativen Lösungen zum „Aufsperren Wiens“ auf und erzählt im biber-Interview, warum es das Ausbildungsstipendium im Pflegebereich braucht.

Von Delna Antia-Tatić, Fotos: Zoe Opratko

Peter Hanke
Foto: Zoe Opratko

BIBER: Herr Finanzstadtrat, bevor wir loslegen, eine dringende Frage aus der Redaktion: Haben Sie einen Laptop?

PETER HANKE: Ja. Ich habe auch ein iPad und ein Handy. Es gelingt mir durchaus mit der modernen Technologie mitzuhalten und ich verwende sie auch. Da sind wir erleichtert. Wir blicken auf ein Jahr Corona-Pandemie zurück: Haben Sie sich im März 2020 das wirtschaftliche Ausmaß der Krise so vorgestellt? Nein. Es ist überraschend. Wir alle dachten, dass nach dem ersten Lockdown ein Stück des Weges gegangen ist, und konnten uns nicht vorstellen, dass es einen weiteren geben würde. Heute sind wir sehr realistisch und wissen, welche Auswirkungen die Krise hat – insbesondere auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Tragik ist die: Hunderttausende Menschen sind arbeitslos geworden, Hunderttausende sind in Kurzarbeit und viele Zehntausende sind in Quarantäne. Bleiben wir bei den Zahlen: Wie viel hat Corona denn die Stadt Wien bisher gekostet? Bis dato hat Corona rund 500 Millionen Euro gekostet. Ich glaube, dass jeder Euro, der jetzt in das Thema Arbeit investiert wird, ein doppelter ist. Wien ist ein junge Stadt, viele junge Familien sind betroffen, die jetzt unsere Unterstützung ganz besonders brauchen.

Trotz dieser halben Milliarde Euro zusätzlicher Ausgaben hört ein jeder von individuellen Pleiten und von Hilfen, die nicht ankommen. Frustriert Sie das?

Persönlich gehen mir diese menschlichen Schicksale besonders ans Herz. Es ist auch schmerzhaft zu sehen, wie viele Einpersonenunternehmen (EPUs) und Kleinunternehmen mit dieser Krise in eine Schräglage gekommen sind. Im beruflichen und politischen Bereich ist aber jetzt auch die Zeit, um mit kreativen Lösungen in der Wirtschaft neue Projekte voranzutreiben. Sehen Sie es als Ihre Aufgabe die Wiener*innen vor einem wirtschaftlichen Ruin zu „retten“ – oder inwieweit ist das in einer Pandemie individuelles Schicksal? Nein, es kann nie individuelles Schicksal sein. Wir alle haben uns als Ziel gesetzt, niemanden in Wien zurückzulassen. Wenn wir diese Ansage ernsthaft leben, haben wir den Schulterschluss mit jenen Gruppen zu finden, die jetzt in der Krise besonders betroffen sind: Das sind die EPUs, die kleinen Gesellschaften, das sind die Branchen vom Handel, Tourismus und Kongressbereich – und das ist der gesamte Kulturbereich, der zum Erliegen gekommen ist. Das sind tausende Einzelschicksale. Da müssen wir versuchen, jetzt Lösungen zu finden– und das tun wir.

Peter Hanke
Foto: Zoe Opratko

Wie sehen solche Lösungen aus?

Wir haben in den letzten 12 Monaten vier Corona-Hilfspakete geschnürt – und ich befürchte, das hat noch kein Ende, sondern glaube, dass weitere Unterstützungen notwendig sein werden. Wir versuchen, zusätzlich den Kultursommer wieder auszurufen, wir werden über sechs Millionen Euro in die Hand nehmen, um Künstlerinnen und Künstlern kleinräumig die Möglichkeit des Auftritts in den Grätzeln zu geben, damit sie auf kleinen Bühnen und coronatauglich ihr Programm gestalten können. Wir haben die Vienna-Experience-Card eingeführt, die Wien einmal von einer anderen Seite erlebbar macht: ein Museumsbesuch zu Nachtstunden etwa. Und darüber hinaus planen wir die Gastro-Inseln. Das „Aufsperren Wiens“ liegt in diesen Tagen zwar noch in der Ferne, aber wir wollen am Tag eins gerüstet sein und den Schanigarten im Großen in allen Wiener Bezirken aufsperren.

Delna Antia-Tatić im Gespräch mit Finanzstadtrat Peter Hanke
Foto: Zoe Opratko

Wie ich gehört habe, muss man sich dafür bewerben – oder ist Platz für alle Betriebe?

Nein, es ist nicht Platz für alle. Es ist Platz für eine Auswahl jener Betriebe, die keinen Schanigarten haben. Wir setzen die Aktion jedoch Monat für Monat an, sodass wir mit einem Wechsel möglichst viele Gastronomen berücksichtigen können. In allen 23 Bezirken planen wir zwei Standorte und zusammen mit dem Schanigarten-Hotspot, dem Stadtpark, werden insgesamt 300 Gastronomen aufsperren können.

Wird bei der Auswahl auch die Vielfalt der Lokale berücksichtigt – wie etwa die Lokale der Märzstraße?

Nein, das werden wir so nicht schaffen können. Nachdem es zwei Standorte pro Bezirk geben soll, ist natürlich hier die Buntheit des Bezirks schon gefragt. Die Auswahl wird per Los unter notarieller Beglaubigung stattfinden. Daher können wir nicht sagen, ob sich alle wiederfinden – aber es soll eine bunte Mischung sein.

Bleiben wir beim Vergnügen. Was unsere Leserschaft natürlich besonders interessiert: Wie steht es um die Clubs? Wann kann man in Wien wieder feiern – und gibt es dann überhaupt noch Clubs, oder sind die dann alle schon „tot“?

Das hoffe ich nicht. Wir haben bereits eine Club-Förderung auf Landesebene generiert. Momentan sehen wir jedoch keine baldige Öffnung. Es ist für diese Branche sehr schwierig geworden und daher überlegen wir auch, in den nächsten Monaten hier eine weitere Unterstützung zu geben. Denn ich weiß, dass es – trotz Kurzarbeit und Unterstützungsleistungen von Bund und Land – eine unglaublich schwere Zeit für jeden Clubbesitzer ist. Aber auch für alle Angestellten. Trotz allem: Das Lebensgefühl wird sich nicht ändern. Es wird hoffentlich rasch wieder die Zeit kommen, wo wir die Clubatmosphäre in Wien genießen können.

Nun soll man Krisen bekanntlich für Investitionen nützen – und auch darüber wollen wir heute reden. Konkret über das Ausbildungsstipendium von 400€, das die Stadt Wien vergibt. Worum geht es dabei genau?

Wir sehen, wie sich Branchen verändern und dass wir gerade im Pflege- und Gesundheitsbereich viele Tausende neue Stellen besetzen müssen. Auch in der Elementarpädagogik herrscht Handlungsbedarf. Deshalb gibt es jetzt das Ausbildungsstipendium. Das ermöglicht, aus einer Branche bzw. einem bestehenden Arbeitsverhältnis, bei dem man nicht glaubt, dass dies die große Zukunft ist, in eine neue Branche, den Gesundheits- und Pflegebereich, zu wechseln. Dort brauchen wir bis 2030 über 9000 Stellen und wir wollen den Interessenten mit dem Ausbildungsstipendium den Umstieg leichter machen. Denn das Arbeitslosenentgelt – das sind rund 815 Euro – ist zu wenig, wenn man eine qualifzierte, längerfristige Ausbildung von ein bis zwei Jahren in Angriff nimmt. Deshalb gibt es jetzt diese 400€ pro Person, pro Monat, die es einem ermöglichen sollten, den Umstieg in einen neuen Job mit einer sicheren Zukunft zu gewähren.

Delna Antia-Tatić im Gespräch mit Finanzstadtrat Peter Hanke
Foto: Zoe Opratko

Bekomme ich das Stipendium von 400€ nur, wenn ich arbeitslos gemeldet bin? Sagen wir, ich bin eine Kellnerin in Kurzarbeit und möchte umsatteln, bekomme ich die 400€ dann auch?

Wenn die Kellnerin eine Pflegeassistenz anstrebt, dann muss sie die Ausbildungszeit von einem Jahr vollständig in die Ausbildung investieren, das bedeutet, sie wird keinen anderen Job ausüben können. Damit bekommt sie vom AMS automatisch 815 Euro, bekommt dann noch 400 Euro Stipendium dazu und mit 1200 Euro netto kann man sich dieses Überbrückungsjahr leisten. Denn das ist mein Anliegen: Dass sich ein Familienvater, eine alleinerziehende Mutter diese Veränderung leisten kann und die Chance auf einen Job mit Karrieremöglichkeit erhält.

 

Die Krise betrifft auch stark jene, die zum ersten Mal einen Fuß in die Arbeitswelt setzen. Stichwort Lehre. Wie viele junge Wiener*innen suchen derzeit einen Lehrstellenplatz?

Es sind mehr als 3000 und wir können einer Vielzahl einen guten Ausbildungsplatz in unseren eigenen Strukturen ermöglichen. Wir haben hier aufgestockt. Wir nehmen jetzt bei den Wiener Stadtwerken 150 neue Lehrlinge auf und wollen insbesondere auch junge Frauen ansprechen. Uns ist es wichtig, Fachkräfte der Zukunft zu entwickeln, aber auch Verantwortung zu übernehmen, sodass es keine Corona-Generation gibt. Wenn wir im Bereich der Arbeitslosigkeit das Mengenverhältnis anschauen, sind es natürlich junge Leute, die zwischen 19-24 Jahren besonders betroffen sind.

Mädchen werden seit Jahren besonders dazu aufgerufen, sich für Jobs in techniknahen Berufsfeldern zu interessieren. Was halten Sie denn von einer Frauenquote, zumindest in den großen staatsnahen Betrieben?

Und wo stehen wir derzeit bei 15.000 Mitarbeiter*innen bei den Stadtwerken? Bei den Stadtwerken liegt der Anteil an Frauen bei rund 20 Prozent. Ich glaube, dass eine Frauenquote Sinn macht – weil wir einfach die Durchmischung zu erhöhen haben. Aber eines ist auch klar: Gut qualifizierte Frauen werden immer ihren Weg finden und sie werden ihre Chance am Arbeitsmarkt haben. Dennoch glaube ich auch, dass staatliche Systeme aufgerufen sind, hier noch mal nachzubessern und in ihren eigenen Unternehmen den Frauenanteil erhöhen sollten.

Letzte Frage: Sie werden medial gern als „Sir“ beschrieben. Woher kommt diese Bezeichnung? Sind Sie ein besonderer Gentleman, Teetrinker – gefällt Ihnen das Image?

Mir gefällt der Respekt anderen Menschen gegenüber und ich versuche kultiviert, mit Vernunft und Weitblick aufzutreten. Ich bin nicht der klassische Politiker, ich habe Jahrzehnte in der Wirtschaft gearbeitet, habe mich dort sehr wohl gefühlt und mache diesen Job nun mit Überzeugung. Vieles, das ich da an Erfahrungen gesammelt habe, kann ich jetzt auch umsetzen. Ich versuche, meinen Tonfall den Themen der Sachlichkeit anzupassen, und bin daher vielleicht nicht so in marktschreierischen Gazetten zu lesen wie andere. Am Ende ist es meine Art, Politik zu machen, zu der ich stehe und mit der ich glaube, meinen Beitrag in dieser Stadtregierung leisten zu können.

Peter Hanke
Foto: Zoe Opratko
WER IST ER?
Name: Peter Hanke
Alter: 57
Funktion: Amtsführender Stadtrat für Finanzen, Wirtschaft, Arbeit, Internationales und Wiener Stadtwerke
Besonderes: Glaubt an einen positiven Effekt der Frauenquote bei staatlichen Unternehmen

 

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