"Ich war schon immer eine Macherin."

03. September 2020

Kasia Greco will mit der Wien-Wahl-Kandidatur etwas in ihrem Heimatbezirk Währing bewegen. Die ÖVP-Politikerin und Vizepräsidentin der WKW hat mit biber über ihre Erfahrungen mit Diskriminierungen gesprochen, warum sie sich selbst nicht als Feministin bezeichnet und was sie an einem freien Tag in Wien macht. 

Von Anna Jandrisevits, Fotos: Eugénie Sophie

Kasia Greco
© Eugénie Sophie

biber: Ihr Background sieht anders aus, als der von den meisten ÖVP-PolitikerInnen. Sie haben Migrationshintergrund?

Kasia Greco: Meine Großeltern waren Wiener, die nach Lwiw gezogen sind, wo mein Vater geboren ist. Mit Anfang des Krieges sind sie nach Katowice gezogen. Die Familie meiner Mutter stammt aus Krakau. Meine Eltern haben sich schon in der Volksschule in Polen kennengelernt und sind letztendlich zusammen nach Wien gekommen. Ich bin hier geboren und aufgewachsen. 

Ihr Lebenslauf ist beeindruckend. Sie sprechen sechs Sprachen und haben schon früh multikulturelle Erfahrungen gesammelt.   

Nach der Matura wollte ich für ein Jahr ins Ausland und habe in Amerika und Frankreich gelebt und gearbeitet. Bevor ich wieder nach Wien kam, wollte ich den Sommer noch in Madrid verbringen. Aber ich verliebte mich in die Stadt und spanische Kultur, und entschied, Internationale BWL in Madrid zu studieren. Danach machte ich meinen MBA in Mailand. Während dieser Zeit begann ich, im Pharmaziebereich zu arbeiten. Und so wurden aus dem geplanten einem Jahr im Ausland elfeinhalb Jahre. Ich bin in dem Austausch mit Kulturen und Menschen aufgegangen. Seit 1997 ist Wien wieder mein festes Zuhause. 

Wie sind Sie zur ÖVP gekommen?

Dank meiner Arbeit im Pharmaziebereich war ich auch in der Interessensvertretung tätig. Als ich mich 2009 als Unternehmensberaterin selbstständig gemacht habe, bin ich zum Wirtschaftsbund und der Wirtschaftskammer gestoßen. Eines führte zum anderen und schließlich hat mich die Währinger ÖVP gefragt, ob ich nicht auch bei ihnen dabei sein will. Und das wollte ich! Für mich ist Politik eine Dienstleistung für die Mitbürger. Ich definiere mich über Inhalte und arbeite lösungsorientiert. Die Volkspartei ist meine politische Heimat und vertritt am ehesten meine Werte und wie ich aufgewachsen bin. Ich war schon immer eine Macherin. Wenn ich dasitze und jammere, wird es nicht besser. Ich will etwas gegen das Jammern tun!

Warum kandidieren Sie für die Wien-Wahl?

Es ist eine Chance, schon im kleinen Grätzel was zu bewegen. Wohlwissend, dass wir in Währing in einem privilegierten Bezirk leben, können wir denen helfen, denen es nicht so gut geht. Meine großen Anliegen sind die Bürgerbeteiligung und ein offenes Amtshaus, weil ich das Gefühl habe, das Miteinander im Bezirk ist verlorengegangen. Auch das Thema Bildung ist mir wichtig, von der Chancengleichheit bis zum Generationendialog. Bildung ist die Basis für alles, ob für die Wirtschaft oder unsere Gesundheit. Da liegt auch mein anderer Fokus: Wir dürfen nicht nur gesund machen, sondern müssen auch gesund erhalten. Wenn wir nicht schon den Kindern beibringen, sich die Zähne richtig zu putzen oder sich gesund zu ernähren, wird es immer schwieriger. Ich finde es toll, Menschen zu helfen und zu unterstützen. Wenn mir hierfür ein größerer Raum geboten wird, nehme ich ihn dankbar an.

Sie sind Integrationsbotschafterin des Österreichischen Integrationsfonds. Was bedeutet Integration für Sie? 

Integration bedeutet für mich ein aufeinander Zugehen und einander Zuhören. Ein gegenseitiger Respekt, um Austausch zu schaffen und Gemeinsamkeiten zu finden: Wie bist du, wie bin ich? Das Ziel ist, Integration zur Bereicherung zu machen, um eine Vielfalt an Ideen, Traditionen und Speisen zu schaffen. Das ist für mich gelungene Integration – ein gegenseitiges Bereichern. 

Ihre Kollegin Susanne Raab meinte, dass bezüglich Integration in „Wien oft weggeschaut“ wurde und wir von der "romantischen Vorstellung von Multikulturalität" weg müssten. Würden Sie dem zustimmen?  

Ja, dem würde ich zustimmen. Ich glaube, dass Integration sehr gut funktionieren könnte, aber es nicht so rosig und harmonisch ist, wie wir gerne hätten. Ich hätte gerne den Luxus, mir Fall pro Fall anzusehen. Aber ich bin auch nur ein Mensch und würde am liebsten die ganze Welt retten! (lacht) In meiner Tätigkeit habe ich viel Positives erlebt, durfte Impulse geben und von anderen Menschen lernen. Eine Zeit lang habe ich mit syrischen Frauen zusammengearbeitet. Um das Leid dieser Frauen zu spüren, muss man kein Arabisch verstehen. Natürlich gehört es dazu, unsere Kultur zu respektieren und unsere Sprache zu lernen. Aber viele von ihnen können nicht einmal ihre eigene Sprache, weil sie Analphabeten sind oder in ihrem Land keine Bildung erhalten haben. Wir müssen unseren Anspruch der schnellen Integration zurückschrauben und verstehen, dass diese Menschen aus einer Notlage bei uns sind. Ich bin keine Expertin, aber ich bin eine unsterbliche Optimistin. Den syrischen Frauen habe ich irgendwann von meiner italienischen Schwiegermutter erzählt und sie haben mir gesagt, dass auch ihre arabischen Schwiegermütter zuhause das Kommando haben. Auf solche kleinen Feinheiten kommt es an. Wir haben noch ganz viel zu tun, aber wenn wir im eigenen Häuserblock beginnen, können wir auf lange Sicht etwas bewegen. Mich haben meine Erfahrungen dazu bewegt, andere darauf aufmerksam zu machen, dass unterschiedliche Kulturen bereichernd sein können. Und diese Erfahrungen waren nicht immer lustig mit einem polnischen Vornamen. 

Haben Sie selbst Diskriminierungen erlebt? 

Absolut. Schon zu Schulzeiten, etwa von Lehrern, die meinten, man könnte meinen Namen nicht aussprechen. Aufgrund meines Namens wurde ich automatisch als Legasthenikerin eingestuft. Wir haben zuhause polnisch gesprochen, aber ich hatte nie ein Problem mit Deutsch. Meine Schulfreundin, deren Eltern aus der Türkei waren, und ich – wir waren die zwei Ausländer. Obwohl wir in Wien geboren sind und deutsch sprechen. Man hat mich auch als Flüchtlingskind beschimpft. Ich habe schon sehr darunter gelitten. Das sind Dinge, die dich als Kind prägen. Man versteht sie vielleicht mit 8 Jahren nicht, aber sie prägen dich. Es wird dir gezeigt: Du bist anders. 

Seitens der ÖVP wird vermehrt im negativen Kontext über die Mehrsprachigkeit von Kindern gesprochen. 

Ich finde, Mehrsprachigkeit ist eine große Bereicherung für Kinder. Je mehr Sprachen, umso besser. Mein Mann ist aus Süditalien, ich spreche mit meinen Kindern zuhause Italienisch und wenn ich alleine mit ihnen bin, Polnisch. Aber wenn wir Aufgaben machen, machen wir diese auf Deutsch. Die Sprache des Landes, in dem wir leben, muss die vorrangige Sprache sein. Das macht einen Unterschied, nicht nur in der Schule, sondern auch in der Aus- und Weiterbildung. 

Sie sind Mitglied bei den „Alpha Frauen“ und Vorstandsmitglied bei „Frau in der Wirtschaft“. Würden Sie sich als Feministin bezeichnen? 

Nein. Für mich geht es nicht darum, Frauen eine Stimme zu geben, sondern Frauen zu ermutigen, ihre Stimme zu verwenden. Es stimmt, dass je weiter nach oben man in Führungspositionen schaut, umso männlicher sind sie. Ich war lange eine Gegnerin der Frauenquote, mittlerweile glaube ich, dass sie helfen kann, das System aufzubrechen. Aber dann liegt es an der Einzelnen zu beweisen, was sie kann und macht. Es ist leider oft schwierig, Frauen vor den Vorhang zu holen. Nicht, weil wir keine tollen Frauen haben, sondern weil ihnen der Anstoß fehlt. Ich finde auch, dass wir in Medien, Gesprächen oder Podiumsdiskussionen aufhören müssen, Kinder als Frauenproblem und Mutterthematik zu sehen, sondern als eine Familienangelegenheit. Mein Mann und ich haben von Anfang an alles zusammen gemacht. Trotzdem gibt es für mich nichts Schöneres als meine Familie zu bekochen oder meine Kinder zu umsorgen. Jede Frau ist ermächtigt, für sich selbst zu entscheiden, wie sie es haben möchte. 

Aber ist es nicht feministisch, Frauen zu ermächtigen, selbst Entscheidungen zu fällen?

Im Einvernehmen mit dem Partner oder der Partnerin. Ich schreibe auch niemandem vor, wie oder was sie tun soll. Ich kenne Frauen, die sich für keine Kinder entschieden haben und Frauen, die sich für Kinder und keine Arbeit entschieden haben. Oder Frauen, die beides schaffen, wie ich. Es gibt hier nicht das eine Richtige.   

Genug von Politik. Wenn Sie morgen einen freien Tag in Wien hätten, was würden Sie tun?

Rein in das Sportgewand und raus in die Natur! Ich würde endlich mal wieder schauen, wie es den Rehen im Pötzleinsdorfer Schlosspark geht. Dann würde ich durch den 18. Bezirk flanieren und eine Freundin anrufen, die ich lange nicht mehr gesehen habe, damit wir bei schönem Wetter gute Gespräche führen und die Zeit genießen.

 

 

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