König Artur und sein Harem

17. September 2012

Artur ist jung, knackig und lebt den Traum eines jeden Mannes. Seit zwei Monaten teilt das polnische Model Badezimmer, Küche und das Nachtleben mit elf Schönheiten aus der ganzen Welt. Der Kampf ums Bad, Zicken-Terror um die letzte Erdnussbutter und empörte Nachbarn gehören zum Alltag der Model-WG. Schauplatz des Fashion-Harems: Istanbul, Türkei.

 

 

Vierter Juli. Atatürk Airport. Gefühlte 40 Grad. Ich bin in Istanbul gelandet. Die Stadt begrüßt mich mit Hektik: jede Menge Touristen, zu viele Baustellen, lästige Händler und so gut wie immer Stau. Ich soll hier, in der 13-Millionen-Metropole, meiner Arbeit als Model nachgehen. Die türkische Agentur, die mich gebucht hat, wünscht sich junge, sportlich aussehende Männer. Ich bin so ein Typ. Und ich bin nervös.

Schließlich werde ich hier mit elf weiblichen Kolleginnen zusammenleben. Die Herkunft meiner Mitbewohnerinnen liest sich wie ein Drehbuch für die perfekte Männerfantasie: Drei Brasilianerinnen, zwei Südafrikanerinnen, eine Polin, eine Tschechin, eine Bulgarin, eine Russin, ein Model aus Australien und eine Schönheit aus Kanada. Und ich, ein Pole aus Wien. Das Appartement ist groß. Vier Stockwerke mit sechs Doppelzimmern, drei Badezimmer, eine Wohn- und Chillarea, eine Küche und eine Schaukel, die mitten durchs Wohnzimmer gespannt ist. Die magischen Zutaten für einen perfekten Sommer und meinen Plan, hier zu arbeiten und vor allem zu entspannen. Mann, das wird ein Spaß.

 

Chaos im Bad

 

 

 

 

O.k., gleich zu Beginn bekam meine Euphorie doch einen ordentlichen Dämpfer. Die Schlange vor dem Bad war jeden Morgen länger als jene bei der Wiener Gebietskrankenkasse. „Wie lange, um Gottes Willen, kann ein Mensch für eine Dusche brauchen“, fragte ich mich. Klar, Frauen haben mehr zu tun, das verstand ich. Dass sie dann auch noch ein Schlachtfeld zurücklassen, ging mir aber nicht in den Kopf. Überall lagen Gegenstände, Lockenwickler, Haartrockner, Schminkzeug und andere Kosmetika herum. Ich stellte keine Fragen und erkundigte mich auch nicht, wozu jene Apparate dienen, die ich nie zuvor gesehen hatte. Stattdessen duschte ich zügig und verließ brav das Badezimmer, um Platz für schlechtgelaunte und verschlafene Mädels zu machen. Man(n) muss ja nicht alles wissen.

Hanri, die südafrikanische Mitbewohnerin, toppte alle anderen Mädels. Sie bekam schnell den wenig schmeichelhaften Award „Slowest Model of the World“ verliehen. Hanri war ein Allround-Talent: Sie war nicht nur im Badezimmer, sondern auch bei den Castings, bei gemeinsamen Treffen und allen anderen Abmachungen die Letzte. Das blieb auch so.

 

 

 

 

 

 

 

 

Busen und Bart

 

Istanbul ist ein sehr spezifischer Model-Markt. Hier sind keine Hungermodels gefragt, sondern kurvige Frauen mit weiblicher Taille und bildhübschen Gesichtern. Bei Männern stehen Bart und ein muskulöser Körper hoch im Kurs – also nicht jene Milchgesichter, die sonst so en vogue sind. Da ich dem Typus „maskulin, bärtig, durchtrainiert“ entspreche, wurde ich von türkischen Agenturen gut gebucht. Jeweils am Abend zuvor bekam ich den Plan für den kommenden Tag. Unser Fahrer Sedat holte uns früh morgens ab und chauffierte die Mädels und mich zu den Castings. Die Gagen sind in Österreich niedriger, man bekommt aber mehr Jobs, weil es in der Türkei viel mehr Bekleidungsfirmen gibt, die Kataloge produzieren. Ich genoss meine Beliebtheit bei den Kunden. Genauso wie Manoella aus Bulgarien. Während sie aufgrund ihrer Kurven kaum Aufträge in Österreich, Deutschland oder Italien an Land zog, war sie in Istanbul im Dauereinsatz. Sie hatte mehr Jobs als alle anderen Mädels zusammen. Das sorgte oft für Stress in der WG, der nur mit gemeinsamem Schoko- oder Erdnussbutterverzehr wieder verschwand.

 

Sexy Klaustrophobie

 

Natürlich waren wir alle auch nach Istanbul gekommen, um die vibrierende Clubszene am Bosporus zu erleben. Schnell gewann ich aber eine wichtige Erkenntnis. Als Mann allein kommt man nirgends rein. Die Türsteher vor den glamourösen und noblen Clubs am Bosporus sind für das stinknormale Partyvolk eine uneinnehmbare Festung. Ganz anders war es, wenn ich mit den Mädels kam. Models werden in den Clubs auf Händen getragen. Für mich bedeutete jeder nächtliche Streifzug mit meinen Mitbewohnerinnen damit den sicheren Eintritt in jeden noch so noblen Club und coole Drinks zum Abwinken.

Einer dieser Party-Samstage endete aber, bevor er so richtig angefangen hatte. Wir blieben einfach im Lift unseres Haus stecken. Die Kabine fuhr zu tief runter, sodass die Tür nicht mehr aufging. Acht wunderschöne Frauen und ich eingesperrt in einem Aufzug. Was bei einigen von euch vielleicht die Fantasie gehörig beflügelt, stellte sich als der reinste Alptraum heraus. Die Hitze und mangelnder Sauerstoff sorgten zunehmend für Stress. Ein Mädchen verlor das Bewusstsein. Ich schlug darauf das Glas in der Tür ein, um für etwas frische Luft zu sorgen. Von außen versuchte uns unser Freund Rafael zu helfen. In der Eile war er ohne T-Shirt auf den Gang geeilt. Mittlerweile hatte sich die ganze Nachbarschaft versammelt. Statt uns zu helfen, attackierte ein Mann wütend den halbnackten Rafael. Nur Dank des Hausmeisters schafften wir es dann doch noch nach draußen. Das war der erste Kulturschock. Unsere Nachbarn kümmerten sich mehr um das fehlende Oberteil meines Kollegen als um das Wohlbefinden des Mädchens. Somit fand die Party im Lift ihr unrühmliches Ende.

 

Zicken im Ramadan

 

Elf Mädels in High-Heels, knappen Tops und kurzen Röcken sind selbst für die Metropole Istanbul zu heavy. Mein Chauffeur Sedat hatte diese Situation treffend mit den drei Schlagwörtern „Street, sexy, dangerous“ beschrieben. Beim ersten gemeinsamen Spaziergang wusste ich genau, was er damit meinte. Oft kamen Männer auf uns zu und wollten Fotos schießen oder fragten nach den Telefonnummern der Mädels. Wiederum andere waren entsetzt, aufgrund zu viel nackter Haut. Die wird in manchen Gegenden Konstantinopels nicht gern gesehen. Selbst im Fitnessstudio war der Dresscode ständig ein Thema. Die Mädels durften nicht einmal mit den männlichen Mitarbeitern reden. Istanbul ist eine Stadt der Gegensätze – einerseits westlich liberal, andererseits traditionell muslimisch.

So prägt die Religion auch das Straßenbild. Bereits eine Woche vor dem Beginn des Fastenmonats Ramadan hingen Plakate, die sich allesamt auf diesen wichtigen islamischen Monat bezogen. Die Stadt wurde aufpoliert, Gebäude dekoriert, Straßen gekehrt. Auch unser Chauffeur Sedat fastete. Und das merkte man schon an seiner schlechten Laune in den ersten Ramadan-Tagen. Dann war er wieder ganz der Alte. Ich hatte viel Respekt vor Sedat. Den ganzen Tag auf den verrückten und vollgestopften Straßen Istanbuls fahren und dabei nichts trinken, essen, rauchen. Hut ab! Nicht zu vergessen die Launen der oft zickigen Models.

 

„Don’t shit where you eat“

 

 

 

 

Ich weiß, das dürfte seltsam klingen, aber zum Glück habe ich keine Freundin. Wenn ich mir das allabendliche Drama am Telefon vorstelle. Was hätte ich mir alles anhören können. Die Mädels aus meiner Wohnung waren alle attraktiv, richtig heiße Miezen. Von der Sambagöttin bis zur russischen Schönheit, Adonis selbst wäre eifersüchtig auf mich gewesen. Da hätte keine Freundin mitgespielt.

Das Komische an der Sache: Je länger ich mit den elf Süper-Models zusammenwohnte, desto weniger interessierten sie mich sexuell. Dave Mustaine (Sänger und Gitarrist der Metal-Band „Megadeath“) pflegte, etwas derb, zu formulieren: „You don’t shit where you eat“.

Ich traf natürlich bei den unzähligen Fashion-Partys viele Frauen, die mich im Normalfall näher interessieren würden. Durch das ständige Reisen und den ganzen Arbeitsstress, blieb es meist nur bei einer Nacht. Mit der Zeit gewöhnt man sich daran, im Ernst.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Schoko statt Sellerie

 

In Gegensatz zu meinen Mitbewohnerinnen, ernähre ich mich sehr gesund und sportorientiert. Als die Mädels merkten, dass ich lieber an einer Selleriestange mit Nüssen als an einem Schokoriegel naschte, baten sie mich um Ernährungstipps. Sie beherzigten sofort meinen Diätvorschlag, hielten sich aber genau einen Tag lang daran. Dann fanden sie immer einen guten Grund, sich doch wieder einen Schoko-Riegel hineinzustopfen. Entweder, weil der Freund nicht zurück geschrieben hatte, ein Casting zu viel Energie verschlang oder es Zoff mit einem anderen Model gab. Nur Marcelina aus Polen war diszipliniert. Die anderen Mädels nahmen in Istanbul alle zu, wie sie mir stolz mitteilten.

Essstörungen und Models? Davon konnte in der Istanbuler Model-WG keine Rede sein. Im Gegenteil. Es tobten regelmäßig Kämpfe um die letzte Erdnussbutter im Kühlschrank. So erwischte etwa Melissa eines Tages ihre Zimmerkollegin Manoella beim heimlichen Naschen der knappen Erdnussbutter. Melissa versuchte die Erdnussbutter-Affäre friedlich zu klären und bat Manoella zu einem Gespräch. Manoella wiederum meinte, es sei nur ein kleiner Löffel gewesen. Melissa glaubte ihr kein Wort. Ich konnte mir das lautstarke Gezeter nicht länger anhören und schaltete den Soundtrack des Films „Halloween“ ganz laut ein. Das sollte nicht das letzte Mal sein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

King Artur

 

Es fühlte sich gut an, der Hahn im Korb zu sein. Das war ein riesengroßer „Ego-pump“ für mich. Die Mädels nannten mich alle „King“, und ich hoffe, nicht nur aufgrund meines Namens Artur. Denn immer, wenn ein Mann gebraucht wurde, kamen sie auf mich zu. Manchmal wurde es mir zu bunt und ich musste eine Pause von der Model-WG hinlegen. Regelmäßige Besuche im Fitnessstudio und das Training von brasilianischem Jiu Jitsu und Karate halfen mir, meinen Testosteronspiegel zu halten und den Angriff der Östrogene abzuwehren.

Veronica, Isabella, Hannah, Melissa, Hanri, Marcelina, Inga, Gyovanna, Manoella, Catherine und Eva. Diese Engel haben mir den Himmel näher gebracht. Dafür liebe ich sie und verzeihe ihnen all die Zickereien und Dramen. Und danke Istanbul, dir hab ich das alles zu verdanken!

 

Von Artur Zolkiewicz (Text und Fotos)

 

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