Lies das mal, Sebastian!

13. April 2018

Die Regierung spart bei den AMS-Geldern für Flüchtlinge. Damit werden Erfolgsstories wie jene von Ayham Youssef und Amro Albaghdadi in Zukunft schwieriger. Die beiden Syrer haben ihren Jobeinstieg in Österreich geschafft – auch über einen Kurs, der vom Arbeitsmarktservice unterstützt wurde. 

Von Simon Kravagna und Susanne Einzenberger (Fotos)

Was machst du in
 deinem Job?

Ich optimiere für
Kunden ihren Wer-beauftritt, damit die
richtige Werbung online
der richtigen Person
ausgespielt wird. Konkret
erstelle ich digitale Kampagnen (Programmatic, Social und Native),
setze die richtige Trackings und plane die Mediapläne. Derzeit bin ich noch im Traineeprogramm und gehe alle Abtei- lungen durch von Search Programmatic über Social Advertising bis hin zu Affiliate Marketing und Client Services.

Was magst du an deinem Job?

Erstens die Leute hier: Alle sind wirklich super und sehr hilfsbereit. Zwei- tens lerne ich jeden Tag dazu. Vier mal im Jahr fahre ich auf Fortbildung zu unserem Headquarter nach Deutschland. Im April besuche ich eine Marketing- Konferenz in München.

Wie bist du zu Netzeffekt gekommen?

Wir hatten im biber-Kurs einen Workshop mit der Journalistin Livia Klingl. Sie hat eine tolle Facebook-Community, hat dort ein paar Infos von mir gepostet und gefragt, ob jemand für mich ein Prakti- kum hätte. Zuerst habe ich ein Unternehmenstraining bei Trending Topics gemacht. Über einen anderen Kontakt habe ich diesen Job gefunden.

War es für dich leicht in Österreich?

Nein. Die anderen Flüchtlinge haben mir gesagt, dass ich keinen Job in Österrei- ch finden werde. Aber ich wollte immer arbeiten. Ich hatte vor der Flucht ein gutes Leben: Freunde, einen Job, ein Auto und so ... Ich wollte das wieder haben. Jetzt ist es soweit! 

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Was machst du in deinem Job?

Ich mache Videos und fotografiere auch.

Was magst du an deinem 
Job?

Jeder Tag ist anders. Man muss auch schnell sein. Beides ist gut. Ich mag keine Routine und bin ungeduldig.

Was hast du vorher gemacht?

Vor meiner Flucht habe ich Jus studiert und als Video-Reporter und Fotograf gearbeitet.

Wie bist du zum Standard gekommen?

Im biber-Kurs habe ich mich bei meh- reren Medien für ein Arbeitstraining
als Fotograf beworben. Ich hatte viele Zusagen und bin dann im Sommer 2017 zum Standard. Dort wurden einige Fotos von mir für Stories verwendet. Auch zwei Videos habe ich gemacht. Offenbar habe ich damals gute Sachen gemacht, weil ich jetzt den Job bekommen habe.

Das klingt, also ob es nicht so schwer wäre?

In Österreich ist es einfacher als in Syrien einen Job zu finden. Es geht darum, dass du etwas kannst und
nicht nur darum, wen du kennst. Glück braucht man natürlich überall.

Was sagen andere Flüchtlinge zu deiner Story?

Viele sind überrascht. Sie glauben nicht daran, dass man einen Job bekommen kann und sitzen nur zu Hause. Am wichtigsten ist es, immer aktiv und unter- wegs zu sein, um Arbeit zu suchen. Ich habe im arabischen Supermarkt gehakelt und sogar einmal am Weihnachtsmarkt Marmelade verkauft. 

 

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Kommentar von Chefredakteur Simon Kravagna: 

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Der neue Stil von Sebastian Kurz ist politisch erfolgreich aber ökonomisch daneben. biber-Chefredakteur Simon Kravagna über die Kürzung der AMS-Gelder für Flüchtlinge.  

Wenn man selbst erlebt hat, wie Integration funktioniert, dann  lässt einen der „neue Stil“ von Kanzler Kurz ratlos zurück. War es nicht der junge Kurz, der Politik abseits der Scheuklappen und Ideologien betreiben wollte? Dem es – so betonte er immer wieder - darum ging, Probleme zu analysieren, um diese dann pragmatisch zu lösen? Oder galt dies nur bis zur Kanzlerschaft?

Anders sind zumindest die Kürzungen der AMS-Gelder für Flüchtlinge kaum zu deuten. Wie der bürgerliche AMS-Chef Johannes Kopf zu Recht argumentiert, geht es bei der Integration von Flüchtlingen am Arbeitsmarkt um eine rein ökonomische Rechnung. Jeder Flüchtling, der einen Job hat, ist ein Gewinn. Und jeder eingesetzte Euro, der beschäftigungslose Flüchtlinge aus der Mindestsicherung raus holt, ist daher eine Investition.

Die Wahrheit ist Die Regierung unter Kurz tut das Gegenteil. Es wird bei Integration gespart, nicht investiert. Die Mittel für das gerade erst eingeführte Integrationsjahr werden um die Hälfte gekürzt. 2019 fallen die Mittel ganz weg. Die ersten Auswirkungen sind bereits sichtbar. Laut Gewerkschaft werden hunderte SprachlehrerInnen in den kommenden Monaten ihren Job verlieren.

Anders als behauptet ist es schlichtweg falsch, die Einsparungen mit sinkenden Flüchtlingszahlen zu rechtfertigen. Die Wahrheit ist: Es kommen zwar immer weniger Flüchtlinge nach Österreich.  Aber es kommen immer mehr Flüchtlinge zum AMS. Ganz einfach aufgrund der Tatsache, dass die Asylverfahren oft Jahre dauern. Erst mit einem positiven Asylbescheid übernimmt das AMS die Betreuung der Flüchtlinge. Konkret waren im März 2015 rund 15.000 Flüchtlinge beim AMS gemeldet, im März 2018 waren es mehr als 32.000.

Rund 30 Prozent aller Flüchtlinge, die 2015 nach Österreich gekommen sind, haben bereits einen Job. Für viele ist das eine erschreckend niedrige Zahl. International gesehen ist es aber ein Erfolg, der auch durch sinnvolle Projekte, Unterstützungsleistungen und Trainingsprogramme des AMS erreicht wurde. Auch biber hat dazu ein bisschen etwas beigetragen – durch einen Kurs für geflüchtete Menschen aus dem Medienbereich.

Geschwätz von gestern? Wir wissen daher ganz genau, wie schwierig es ist, Flüchtlinge am Arbeitsmarkt zu integrieren. Aber es geht. Und es zahlt sich unterm Strich für Österreich aus. Aber offenbar zählen ökonomische Überlegungen weniger als populistischer Aktionismus. Politisch wird das sicher erfolgreich sein. Da mache ich mir keine Illusionen. Aber war das mit der Integration nur das Geschwätz von gestern, lieber Sebastian?

 

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