Michael Ballack - Fluch oder Segen?

25. Juni 2008

Wenn im heutigen Halbfinale Deutschland-Türkei 22 - aus türkischer Sicht hoffentlich gesunde - Spieler auf das Feld hinauslaufen, wird einer von ihnen besonders im Mittelpunkt stehen. Michael Ballack, 31, Mittelfeldmotor und Kapitän der Deutschen Nationalmannschaft ist die größte Stütze unseres nördlichen Nachbarn und verdient inzwischen beim Abramowitsch-Klub F.C. Chelsea seine Brötchen.

Segen:

Nicht schlecht für einen DDR-Jungen, dessen Karriere beim namhaften örtlichen Verein BSG Motor „Fritz Heckert“ Karl-Marx-Stadt seinen Anfang fand und über den Chemnitzer FC bald in höhere Etagen des deutschen Profifußballs führte. Kaiserslautern, Bayern Leverkusen und schließlich Bayern München waren die prominenten Arbeitgeber, für die sich Ballack tagein und tagaus die Fußballstiefel schnürte, bevor er den Sprung auf die Insel wagte. Zum Verein des berühmten russischen Oligarchen, zum Klub mit himmelshohen Erwartungen und einen, in Ultraschallgeschwindigkeit, drehenden Personalkarussell. Nicht zu vergessen ist die brutale und erbarmungslose britische Presse, die kein Pardon kennt, wenn es um Fußballfragen geht. Nach anfänglichen Schwierigkeiten spielte er sich auch dort in die Herzen der Fans und bekam viel Anerkennung von Teamkollegen wie Lampard, Terry oder Drogba (auch wenn er mit dem Letzteren nicht nur einmal verschiedener Meinung war). Die angeführten Fakten sprechen für eine Bilderbuchkarriere. Dieser Eindruck wird durch die Auszeichnung Ballacks zum Deutschen Fußballer des Jahres in den Jahren 2002, 2003, 2005 noch mehr verstärkt. Michael Ballack, Segen für jeden Fußballklub?

Fluch:

Nein, lautet die etwas lapidare Antwort von vielen seiner Kritiker. Michael Ballack trägt seit vielen Jahren ein Image, das zentnerschwer an seiner Person haftet und ihn auf Schritt und Tritt verfolgt. Nach seinem Transfer zum Werksklub Bayer Leverkusen entwickelt er sich zum Spitzenspieler, der in entscheidenden Momenten die Nerven verliert und keine Führungsfähigkeiten demonstriert. Im Jahr 2000 verliert er mit seiner Mannschaft am letzten Spieltag gegen SpVgg Unterhaching. Und das obwohl schon ein Remis zum Gewinn der deutschen Meisterschaft gereicht hätte – obendrein schießt er das unglückliche Eigentor, das die Niederlage besiegelte. Im Jahr 2002 wird er erneut Vizemeister, verliert im DFB-Pokalfinale und zieht auch im CL-Finale gegen Real Madrid den Kürzeren. Im selben Jahr schafft er überraschenderweise mit der Nationalmannschaft den Einzug in das WM-Finale, wo er seinen Meister in der brasilianischen „Selecao“ fand. Er fand bei Bayern München endlich in die Erfolgsspur, wurde aber nach 4 Jahren und zwei gewonnenen „Doubles“ eher unfreundlich aus München verabschiedet. Er habe mit den ständigen Wechselgerüchten um seine Person und durchschnittlichen Leistungen am Ende seines Engagements bei den Münchnern nicht positiv zu den sportlichen Entwicklungen beigetragen, hieß es. Franz Beckenbauer, Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenige, die Führungstroika der Bayernetage, ließen kein gutes Haar an ihrem Mittelfeldstar. Ballack entgegnete allen Vorwürfen und ging mit reinem Gewissen zum englischen Spitzenklub. Dort etablierte er sich spätestens seit der Rückkehr von seiner Verletzung zum Leistungsträger und drang bis in das CL-Finale vor. Was dort folgte war eine schmerzvolle Niederlage. Manchester United gewann nach Elfmeterschießen die bedeutendste Trophäe des europäischen Vereinsfußballs und Michael Ballack blieb wieder einmal der zweite Platz, die goldene Ananas, die Gewissheit des zweiten Gewinners, oder um es etwas härter zu formulieren, des ersten Verlierers. Heute am späten Abend werden wir erfahren ob er diesen Fluch besiegen und für viele Millionen deutsche Fans zum gesegneten Heiligen wird.

 

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