Migranten können auch Corona bekommen

29. September 2020

Corona ist nicht auf dem Balkan entstanden. Das Corona-Virus hat auch keine besondere Vorliebe für rappelvolle türkische Hochzeiten. Und dennoch lesen und hören wir viel über balkanesische Reise-Rückkehrer und türkische Super-Spreader-Hochzeiten. Warum eigentlich?


Der gelernte Österreicher in uns kennt natürlich die Antwort. Wenn Ivan sich im Urlaub an der Adria infiziert, ist es ungleich schlimmer, als wenn sich Christian beim Urlaub im gleichen Badeort infiziert hat. Ivan war fahrlässig, Christian hatte einfach Pech.

Eh klar. Wenn Ebru sich während der Hochzeit ihrer Cousine ansteckt, ist es der Stoff aus dem Boulevard-Aufmacher sind. Wenn Andrea sich während einer FPÖ-Veranstaltung ansteckt, ist es nur Ausdruck ihrer kritischen Haltung zu den Allmachtsphantasien der Gesundheitsbehörden.

Also nur rassistisch überspitzt und alles geschmeidig in Ausländerreich? Leider nein.

Denn auch wenn sich Medien und Politik lieber auf die Fahrlässigkeiten der Migranten stürzen, bleiben es doch Fahrlässigkeiten. Sind Hochzeiten, in denen sich die halbe türkische Community wiederfindet, in diesen Zeiten notwendig?

Nein.

Sie sind ein gefährliches Risiko - auch wenn man Abstand hält und Mundschutz aufhat. Sind Reisen zu den Großeltern am West-Balkan in diesen Zeiten notwendig?

Nein.

Denn auch wenn man seine Großeltern vermisst, riskiert man nicht nur sie anzustecken, sondern sich selbst und bei der Rückkehr tatsächlich neue Cluster zu verursachen.

Corona ist nicht auf dem Balkan entstanden, aber wenn ich mir die jungen Leute auf der Ottakringer "Balkanmeile" ansehe, fühle ich mich dennoch unwohl. Das Corona-Virus hat keine besondere Vorliebe für türkische Veranstaltungen, aber wenn sich die Todesanzeigen aus dem Umfeld der Moscheen häufen, sollte man wohl lieber die Reißleine ziehen. Oder anders gesagt: Migranten sind mündige Menschen und jeder muss für sich und seine Community Verantwortung übernehmen, unnötige Risiken vermeiden und sollte gewissen Parteien und Medien keine Vorlagen für rassistisch überzeichnete Kampagnen liefern.

 

Rusen Timur Aksak, 35, lebt und arbeitet als Kommunikationsberater in Wien.

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