Mix it like a girl!

08. Juli 2019

Masha Dabelka
(C) Susanne Einzenberger

Die russische Künstlerin Masha Dabelka hat eine DJ-Schule nur für Frauen gegründet. Wir sprachen mit ihr über „Turntablista“ und Technopartys in Sibirien.

„Als ich nach 10 Jahren klassischer Musikausbildung zum ersten Mal in einem Club mit elektronischer Musik in Kontakt kam, wurde mir etwas bewusst: Dass Musik auch ein physischer Prozess, ja ein ganzkörperliches Erlebnis sein kann“, sagt die Musikerin Mariya Aleynikova. Besser bekannt unter ihrem DJ-Namen Masha Dabelka, steht die Russin bereits seit 16 Jahren an den Turntables. Nun möchte sie ihre Erfahrungen an andere Mädchen und Frauen weitergeben. „Turntablista“ ist Mashas erste DJ-Schule für Mädchen. Die Idee dafür, die Schule zu gründen, kam Masha, als sie als Assistentin im Sound Lab der Akademie der Bildenden Künste tätig war. „Die Studentinnen sahen in mir ein Vorbild. Ich denke schon, dass ich eine Inspiration für sie sein kann“, so die 35-Jährige.

Technik ist sexy!

Doch warum richtet sich Turntablista nur an Frauen? „Es gibt immer noch eine große weibliche Unsicherheit in der elektronischen Musik. Ich bin auch schon beim Produzieren vor meinem Laptop gesessen und dachte mir, ach, ich bin doch zu blöd dafür! Warum kapieren Jungs Sidechain Compressions und ich nicht?“, erklärt Masha. Diese Unsicherheit möchte Masha den Schülerinnen nehmen, indem sie ein grundlegendes Verständnis von Musik vermittelt. In Wien existieren fünf DJ-Schulen, an keiner einzigen von ihnen findet sich eine weibliche Lehrkraft. Und auf großen Festivals liegt der Frauenanteil im Line-Up bei nur 15 Prozent. Masha sieht sich nicht als eine von jenen Künstlern, die immer nur Regeln brechen wollen. „Regeln brechen zu wollen, ohne sie zu kennen, macht die ganze Geschichte ziemlich infantil. Zu Beginn sollte man lernen, was Dinge wie BPM (beats per minute) und Takt bedeuten. Die Frauen sollen wirklich verstehen, warum man Platten synchronisieren soll und was ein Cue Point ist. Denn Technik ist sexy!“. Im Unterricht möchte sie sowohl ihre klassische Musikausbildung als auch ihre Praxis-Erfahrung als DJ an die Schülerinnen weitergeben.

Sogenannte „Raves“

Ursprünglich stammt Masha aus Novosibirsk, einer Stadt mit anderthalb Millionen Einwohnern, die fast im Zentrum Russlands liegt. Sie stammt aus einer Familie von Ingenieuren und Musikern – und sieht sich sozusagen als „Cyborg“ aus diesen zwei Seiten. Schon mit vier Jahren bekam sie Klavierunterricht, aber zog einen Schlussstrich unter die Klassik, nachdem sie als Teenager begann, in Novosibirsker Clubs zu gehen. „Vor 15 Jahren begannen wir eigene Veranstaltungen in Sibirien zu organisieren, damit ich und meine Freunde einen Platz zum Auflegen hatten. Diese fanden auf verlassenen Industriegeländen statt. Erst viel später wusste ich, dass man das ‚Rave‘ nannte“, so Masha. Technopartys im tiefen Russland der frühen 2000er zu veranstalten, war aber keine leichte Aufgabe. „Immer wieder gab es Probleme mit Nachbarn und Polizei. Die Menschen waren damals nicht bereit dafür. Es lag bei uns jungen Menschen, unsere eigene Kultur aufzubauen. Wenn wir eine Location buchen wollten, gaben wir uns am Telefon sogar als reiche Moskauer aus“, lacht Masha und betont dabei die „A“s besonders, um den Moskauer Dialekt nachzuahmen.

Masha Dabelka
(C) Susanne Einzenberger

Sowjet-Polizisten und Eichhörnchen 

Es gab ein Ereignis, das Masha auf den Gedanken brachte, Sibirien zu verlassen. Sie organisierte mit ihrem damaligen Freund eine große Veranstaltung mit über 400 Gästen. „Nach nicht einmal zwei Stunden kam die Polizei im Sowjet-Stil, löste die Party auf, und nahm meinen Freund fest. Ich hatte keine Ahnung was mit ihm passiert“, erzählt sie. In dem Aufruhr und zwischen den Gästen, die ihr Geld zurückverlangten, erlitt Masha einen Nervenzusammenbruch. Doch das hielt sie vorerst nicht davon hab, ihre DJ-Karriere weiter zu verfolgen. Seinerzeit war Masha Dabelka eine der wenigen weiblichen DJs in Sibirien, die bekannt wurde. „Ich hatte meine Webseite namens Beltschatnik.“ Das bedeutet so viel wie Haus für Eichhörnchen, oder sinngemäß Vogelhaus. „Damals sagten mir alle, dass es bescheuert sei, eine russische Seite zu haben. Das war, bevor Designer wie Gosha Rubchinskiy die kyrillische Schrift cool gemacht haben, versteht sich“, grinst Masha. Sie sah Techno nicht als schwarze Welt, sondern wollte, dass Menschen zu ihr kamen, „wie die Eichhörnchen“. Daher trägt sie auch das Wort „Dabelka“ (dt. Eichhörnchen) im Künstlernamen. Die Auftritte liefen damals so gut, dass sie ihr Studium der Internationalen Entwicklung abbrach.

Von Novosibirsk nach Wien

Was hat es für Masha bedeutet, DJ und Frau zu sein? „Ich habe eigentlich diese Situation voll ausgenutzt“, sagt sie. Aus einer Laune heraus registrierte sie sich bei „Female Pressure“, einer Plattform für weibliche und nicht-binäre Künstler, die von der Österreicherin Susanne Kirchmayr – besser bekannt unter ihrem DJ-Namen Electric Indigo– schon 1998 ins Leben gerufen wurde. Österreichische Promoter wurden auf Masha aufmerksam und flogen sie 2007 aus Sibirien zur Viennale ein. In Wien wurde sie dann an der Akademie der Bildenden Künste aufgenommen, seit 2008 lebt sie nun hier. „Von Sibirien aus gesehen war Europa wie ein einziges großes Land. Erst als ich nach Österreich gekommen bin, habe ich die Nuancen zwischen den einzelnen Ländern gesehen“, sagt Masha. Das Projekt „Turntablista“ ist heuer auch Teil der Vienna Biennale und wird noch bis 6. Oktober im MAK vorgestellt.

Möchtest auch du das DJ-Handwerk erlernen? Mehr Informationen und Anmeldung unter: www.turntablista.com

 

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