Ost-Spezial: WERBUNG AUF AUSLÄNDISCH

09. Juni 2011

Warum Südeuropäer Geiz nicht automatisch geil finden, eine Latte nur ein Kaffee ist und der beste Werbeslogan, wenn schlecht in einer fremden Sprache übersetzt, auf keine Kuhhaut geht.  


Mustafa Yilmaz hatte es eilig und läuft über den Taksim Platz in Istanbul. Er schnappt den Slogan des Media-Markt-Plakats auf: „Ben aptal değilim“ oder auf Deutsch: „Ich bin doch nicht blöd.“ Die Plakatmodels tippen sich dabei auf die Stirn. Was um Gottes Willen soll das heißen? Er kam nicht dahinter und lief weiter.


Im Sommer 2009 sollte es vielen Türken so gehen wie ihm. „In der Türkei ist die Geste des auf die Stirntippens einfach nicht bekannt“, erklärt der interkulturelle Strategieberater Caglayan Caliskan. Damit noch nicht genug. Media Markt transportierte mit seiner Werbung: Geiz ist geil, ich bin doch nicht blöd und kaufe teuer ein, wenn ich billig shoppen kann.

 

 

 

 


Notbremse gezogen
Doch materieller Status ist für viele Türken enorm wichtig, der Schnäppchenjäger ist gerade in der türkischen Oberschicht in etwa so beliebt wie ein griechisches Militärflugzeug in Grenznähe. Geiz finden viele Türken ziemlich ungeil. Fazit: Die Werbekampagne von Media Markt in der Türkei sorgte für derart viel Verwirrung und Empörung, dass sie kurzerhand für drei Monate gestoppt werden musste.

2010 versuchte es Media Markt mit einer neuen Bildsprache und zeigte eine Fotomontage von Media Markt Kunden mit Tierköpfen. Der Slogan zur Kuh-Fotomontage lautete: Ich bin doch keine Melkkuh. Die Botschaft dahinter: Media-Markt-Kunden sind schlauer und lassen sich beim Kauf eben nicht melken oder über den Tisch ziehen. Für die Nicht-Media-Markt-Kunden war das weniger schmeichelhaft. Verwirrung und Empörung waren damit abermals garantiert und schlussendlich brummte die in der Türkei zuständige Behörde dem Unternehmen eine Strafe von rund 60.000 Euro auf. Das Argument: Die Media Markt Werbung beleidigt und verhöhnt jene Konsumenten, die bei der Konkurrenz einkaufen.



Hoch gepokert haben die österreichischen Lotterien mit dem Einsatz eines Tiersymbols. Zum Jahreswechsel kürten sie ein Schwein zum Covermodel aller Rubbellose, das im Islam als unrein gilt. Ob das einer Firma Glück und Umsatz bringen kann? Laut dem Pressesprecher der Lotterien gab es weder Kundenbeschwerden noch mediale Kritik – auch nicht von türkischen Kunden. Schwein gehabt.

 

 

 



Erfolgreiche Werbung ist länderspezifisch
Es gibt zwar globale Marken in einem globalen Markt, einzig der globale, standardisierte Kunde fehlt. Bereits zwischen einzelnen österreichischen Bundesländern bestehen oft gravierende Mentalitätsunterschiede. Kommen eine andere Sprache und andere Kultur dazu, wird die Sache so richtig kompliziert. Während etwa in Österreich gut und gerne mit dem Faktor Erotik geworben wird, ist Sex in der türkischen Werbung so (noch) nicht möglich. Deutsche Konsumenten assoziieren laut Werbewirkungsforschung „Gesundheit“ mit ärztlicher Betreuung.

Sehen hingegen die Konsumenten in Frankreich und den USA seriös blickende Menschen mit Arztkittel und Stethoskop, verbinden sie das wenig werbungstauglich mit Krankheit.  Für deutsche und amerikanische Konsumenten gehört Kerzenschein zur Romantik, für Franzosen nicht. Das zu ignorieren bedeutet, Werbebudgets zu verschwenden.


Selbst elektronische Geräte wie Computer und Handy galten bis vor wenigen Jahren als „kulturfreie“ Produkte, aber auch deren Verbreitungs- und Nutzungsgrad ist stark länderspezifisch. Eine Handywerbung könnte in Ägypten am Familientisch gedreht werden, selbst beim Essen gilt ständiges Telefonieren nicht als unhöflich. Die gleiche Situation am deutschen Familientisch sähe anders aus. Während in der türkischen Maggi-Werbung Großfamilien mit drei bis vier Kinder um den Suppentopf sitzen, würde man dahinter in Österreich vermutlich eine SOS-Kinderdorf Familie vermuten.

Eins-zu-eins-Übersetzungen reichen nicht
Viele Unternehmen setzen bei ihrem internationalen Werbeauftritt auf einen standardisierten  Markenauftritt, etwa indem ein Werbeslogan in andere Sprachen eins-zu-eins übersetzt wird. Das kann in die Hose gehen. Die Erste Group ließ 2009 ihr Werbepärchen nach einer Kurzeinschulung Serbisch sprechen, das klang aber so daneben, dass es einen Sturm der Entrüstung auslöste. Die Serben fühlten sich - gelinde gesagt - nicht ganz Ernst genommen. Das Unternehmen reagierte schnell, der Spot wurde neu und vor allem professionell synchronisiert und ein Entschuldigungsspot der Bank via YouTube und Facebook verbreitet.

 

 

 

 


Die Erste Group setzt mit mehr als 17 Millionen Bankkunden in acht Märkten auf einen einheitlichen Markenauftritt, mit Rücksicht auf kulturelle Unterschiede und lokale Marketingchefs vor Ort. „Kreative Werbeideen funktionieren immer und in jedem Land, vorausgesetzt, sie verstoßen nicht gegen kulturelle Codes“, erklärt dazu Daniel Ratzenböck, Head of Brand Communication der Erste Group. Ein Erfolgsfaktor dabei? In der Marketingabteilung der Erste Group sitzen neun Mitarbeiter aus vier Ländern, ein Migrationshintergrund, der in vielen anderen Unternehmen fehlt. „Unternehmen die soziale Vielfalt im eigenen Unternehmen leben, haben beim internationalen Werbeauftritt die besseren Karten“, sagt Caliskan. „Die Kunst im interkulturellen Dialog besteht darin, die Welt der Konsumenten zu verstehen. Werbebotschaften müssen die Gefühls- und Wertewelt der Menschen berühren.“

 



Fallstricke im eigenen Land
Vor einem Jahr und wagte nöm Milch einen für österreichische Verhältnisse mutigen Schritt: Aus der nöm Milch wurde in türkischen Supermärkten nöm Süt, bestehende nöm Produkte wurden um türkische Klassiker wie Ayran erweitert. Auch kulturelle Besonderheiten wie das blaue Auge, in der Türkei das Symbol für Glück, kamen auf die Packungen. Die Kronen Zeitung machte sofort das Fördern einer Parallelgesellschaft aus und kampagnisierte dagegen. Doch irgendwann war die künstliche Aufregung wieder verflogen und die erfolgreiche türkische Linie steht heute noch immer in den Regalen. Vielleicht sollte es auch die Krone mit einer türkischen Ausgabe probieren.

 

 

 

 

 



Die Klassiker der Werbepannen:

- Starbucks sieht es „als eine Verpflichtung, unseren Kunden den besten Kaffee und ein unvergessliches Kaffeeerlebnis bieten zu können“. Einen bestenfalls unvergesslichen Lachanfall hatten die Starbucks-Kunden in Deutschland als die englische Werbekampagne mit der Frage „Morgens eine Latte?“ lanciert wurde.

- Der Automobilriese Ford brachte das Modell „Kuga“ auf den Markt. Nur blöd, dass „Kuga“, ins Bosnisch-Kroatisch-Serbische übersetzt Pest bedeutet.


- Die Parfümerie Douglas übersetzte „come in and find out“ ebenfalls zu wortwörtlich. Die Botschaft auf Deutsch „Komm hinein und finde wieder raus“ erinnert an peinliche Ausrutscher im Englisch-Unterricht.

-Colgate sorgte in Frankreich für Gekicher als die neue Zahnpasta „Cue“ vorgestellt wurde. Das anrüchige Pornomagazin Cue (der Arsch) freute sich hingegen über unbezahlte PR.



    Buchtipp: Samland, Bernd M., „Übersetzt du noch oder verstehst du schon?“, Werbe-Englisch für Anfänger. Herder Verlag, 12.– Euro

 

 

von Christina Aumayr-Hajek

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Kommentare

 
 

hahaha
nicht real oder?

 
 

Ich studiere Übersetzen und Dolmetschen und solche wirklich peinlichen und absolut vermeidbaren Fehler regen mich total auf. Wie viele Personen haben arbeiten an einer Werbekampagne von Firmen wie Mediamarkt oder der Erste Group? Wie viel Geld wird darin investiert? Und dann wird genau an der falschen Stelle gespart, nämlich an einer professionellen Übersetzung.

Professionell übersetzen und dolmetschen bedeutet nicht einfach Worte durch Worte in einer anderen Sprache zu ersetzen. Übersetzt und gedolmetscht wird der SINN, der hinter diesen Worten steht, und zwar so, dass er denselben Effekt in der Zielkultur erzielt, wie der Autor ihn in der eigenen Kultur beabsichtigt hat. Manchmal könne dafür nicht die gleichen Worte, Bilder, Gesten, Methoden, etc. verwendet werden, weil Menschen unterschiedlicher Sprachen und Kulturen die Welt anders sehen. Ein Übersetzer muss diese Unterschiede kennen, deshalb genügt es für das übersetzen nicht einfach "mehr oder weniger" zwei Sprachen zu beherrschen, es gehört viel mehr Wissen dazu.

Und es gehört auch viel mehr Verantwortungsbewusstsein dazu: Ein professioneller Übersetzer (oder Übersetzerin) hätte die Firma darauf aufmerksam machen MÜSSEN, dass die Kampagne, so wie sie für Österreich konzipiert wurde, in der Türkei nicht funktionieren wird und dass an dieser Stelle zu sparen ganz schön nach hinten losgehen kann.

 

Das Schwein gilt im Islam zwar als unrein, aber Glücksspiel genauso! Also wird sich deswegen keiner beschwert haben. :)

 

dazu fällt mir bei den autos der opel nova ein, der in spanisch-sprachigen ländern einen schweren stand hatte, weil "no va" heißt schlicht: "geht nicht"
und dann gibt`s da noch den "mitsubishi pajero" - in südamerika einfach ein "wixer" ;-)

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