PARIS. MODE. MANIE

29. März 2010

Paris. Mode. Manie. Schickes Marais oder doch lieber charmantes Abesses – Shoppen in Paris braucht eine Anleitung.
biber-Korrespondentin Paulina hat eine parat.

Von Paulina Szmydke und Spela Kasal (Fotos)

Paris und die Mode. Wo soll frau da anfangen? Vielleicht in einem Quartier, in das ich selbst leicht verschossen bin. Seit einem
halben Jahr schon versuche ich hier, eine Wohnung zu finden, und bin, wie ich jedes Mal schmerzlich erfahren muss, nicht die
einzige. Das Viertel heißt „Le Marais“ und ist ein einzigartiges Pflaster. Ein bisschen jüdisch, etwas gay, Bobo-chic, kreativ,
immer für eine Überraschung gut und geschmacklich auf der richtigen Seite – wäre es ein Mann, ich würde ihn heiraten. Doch
vor allem lässt es sich hier hervorragend pariserisch shoppen. Nicht durch Zufall sieht man hier zwischen koscherer Pizza und
der nächsten Gay-Bar junge Pariserinnen geschäftig den neuesten Mode-Trends hinterher laufen. Eine Freundin von mir hat mal beklagt: „Ich könnte schwören, die Mauern hier sind beweglich. Nie kommt man zwei Mal an derselben Stelle vorbei.“ Sie hat natürlich Recht, aber darin besteht ja gerade der Spaß: Einfach hinein tauchen und sich treiben lassen.

Alle Hände voll
Richtung „Dolls“ zum Beispiel. Was so süß und unschuldig klingt, ist in Wahrheit brandgefährlich. Ich schaffe es nie, hier reinzugehen, und mit leeren Händen wieder rauszukommen. Meine absolute Lieblingsboutique. Ich schätze den Laden
für seine professionelle Beratung und vertraue auf den Geschmack der stilsicheren Einkäuferin. Jedes Teil ist tragbar, jedes
fällt angenehm auf. Eine von (meines Wissens nach) nur zwei Boutiquen in Paris, die Malene Birger führt. Eine dänische Designerin, die mit ihrem Stil hervorragend nach Paris passt. Shoppen mit reinem Gewissen, das ist „Merci“ - ein gerade mal
ein Jahr alter neuer Concept-Store und schon ein Star am Pariser Mode-Himmel. Der gesamte Profit wird an karitative Organisationen verschenkt. In dem coolen Loft, einer ehemaligen Glas-Fabrik, gibt es unter anderem Schmuck von Marni um einen Bruchteil des Preises (80 €). Der Grund dafür: Auch die Firmen verzichten zum Teil auf ihren Profit und stellen Stücke mit Materialien her, die ihnen von der letzten Saison übrig geblieben sind. Das Marais ist aber vor allem ein Vintage-Heaven. Hierzu eine kleine Anekdote: Eine Kollegin von mir, Fashion-Redakteurin bei einer großen österreichischen Tageszeitung, kam neulich in Paris ohne Koffer an. Bei der Airline hieß es: „Keine Ahnung, wo der steckt.“ Die eisigen Temperaturen ließen ihr keine Wahl – sie musste shoppen gehen. Schlimm, ich weiß. So spazierte sie in die erstbeste Vintage-Boutique und siehe da: Ein kurzer beiger Pelz, so weich wie Federn, Innen-Fütterung in perfektem Etat, Preis: 60 Euro. Das gute Stück wurde prompt zum abendlichen Umtrunk in die „La Perle“ (siehe Kasten) ausgeführt. Die Kollegin sah aus, als käme sie selbst direkt vom Laufsteg. In der neuen Herbst-/Winterkollektion von Isabelle Marant, die einige Tage zuvor präsentiert wurde, gab es einen Pelz, der mit diesem im Schnitt beinahe identisch war. Preis: 1850 €.

Fashion Week forever
Im Marais gibt es eine ganze Reihe charmanter Läden, die den Stil der Stadt verkörpern: sei es Paul & Joe Sister, Swildens, der Abou d'Abi Bazar oder COS, die qualitativ hochwertigere Tochter von H&M, die es leider noch nicht in Wien gibt (die nächstgelegene Filiale ist in München). Einen Abstecher wert ist auch die Rue Charlot. Besonders hip finde ich die Gegend um Etienne Marcel, im 2. Pariser Arrondissement. Hier steht etwa das Kiliwatch. Ob in Pelz, Jeans oder Schnürlsamt, der Laden hat alles, was man sich auf den Leib werfen kann – Taschen, T-Shirts, Hemden, Hüte, Schuhe und Jacken in allen Längen und Stilen. 90 Prozent stammen aus zweiter Hand, der Rest ist neu. Während der Fashion Week ist hier die Hölle los, wie man so schön sagt. Rock-Stars lassen sich vor laufenden Kameras interviewen und plaudern über ihre Shopping-
Geheimnisse. Ein paar Straßen weiter hat eine neue Filiale unter dem Namen Hippy Market eröffnet - 200 m² ausschließlich der
Second-Hand-Mode gewidmet. Achtung: viel Zeit einplanen. Auch wenn alles fein säuberlich nach Farben und Materialien geordnet ist, das Stöbern kann eine Weile dauern.

Shoppen mit Message
Schräg gegenüber gibt es eine Boutique, dessen Designs seit zwei Jahren in der Pariser Szene den Ton angeben. „Eleven Paris“ verkauft T-Shirts mit einer Message: Ein „Make Art Not War“-Spruch hier, eine „I love Kate Moss“- Bekundung da, ein als Wild Wild West-Bandit verkleideter Obama mit Präsidenten-Hündchen „Bo“ (ebenfalls maskiert) unterm Arm. Die Teile kommen in männlichen wie weiblichen Schnitten. 39€ das Stück. Samstags ertönt zum Shoppen lässige DJ-Musik. Cool, am Puls der Zeit
and very Rock‘n‘ Roll – die Fetzen ebenso wie der Sound.Weiter unten, in der Nähe von Les Halles, führt Clery Brice Sneakers
in limitierter Auflage sechs Monate bevor die anderen checken, dass es sie überhaupt gibt. Die Boutique bietet zudem Modelle
zweier Londoner Schuhdesigner an, die vielleicht etwas „étrange“ wirken für Pariser Verhältnisse: Verschnörkelte Stöckel, rosa
Plüsch und Kirschen-Muster. Mit anderen Worten: très Avantgarde, „très Carnaby Street“, so der Verkäufer. „Wir wollten mit
der Auswahl ein wenig Farbe in die Stadt bringen“, sagt er. Wer sich nach einem fachwissenschaftlichen Zugang zur Mode
sehnt, dem sei die „Librairie de la Mode“ empfohlen. Die Buchhandlung in Clery Brice’s Straße informiert über den Rap-Stil der guten alten 80er ebenso professionell wie über walisische Quilt-Muster und den berühmt-berüchtigten französischen Louboutin-Absatz.

 

Neues im Norden
Wenn ich genug habe vom Pariser Rummel, fahre ich zum Luftholen weiter rauf in den Norden der Stadt. Abbesses – zwischen
Pigalle und Montmartre gelegen – ist ein Viertel, von dem man höchstens die Metro-Station kennt, wenn man zum Sacré Coeur hinauf möchte. Schade, denn gerade Abbesses hat sich als eine der wenigen Gegenden in Paris seinen dörflichen Charme
behalten. Ich mag hier Roberta Oprandis halb Boutique, halb Galerie namens „Spree“. Oprandi ist seit zehn Jahren in Abbesses
und gilt als Pionierin unter den Hipstern. In ihrem Laden unterstützte sie Vanessa Bruno und Isabelle Marant, die zwei Pariser
Vorzeige-Designerinnen, lange bevor die Damen berühmt und erfolgreich wurden – und teuer natürlich. Aber wozu gibt es den
Schlussverkauf (der in Paris noch ein echter ist)? Da purzeln die Preise um 70 Prozent herunter – das nächste Mal wieder im Juni. Und wenn man nicht aussehen möchte wie jeder andere, dann ist „Cancan“ die richtige Adresse. Dahinter steckt die Art von
simpler Mode, die man mit einer Vintage-Handtasche von Chanel gut kombinieren kann: Kleidchen um weniger als 100 € von
ebenso wenig bekannten Labels. Anders als in Mailand etwa gilt es in Paris schließlich nicht mit handfester Markenkleidung
aufzufallen, sondern mit originellen, femininen Kombinationen bestehend aus Teilen, die man nicht an jeder Ecke findet.
Ein gewisses Raumdenken ist gefragt. So kommt Aurélie Dupont, Primaballerina an der Pariser Oper und für ihren guten
Geschmack bekannt, auch gern hierher.

HIER MACHST DU SHOPPING-PAUSE:

Hier machst du Shopping-Pause Breizh Café, Breizh Café und nochmals Breizh Café. Ich kann das Restaurant im Marais jedem wärmstens ans Herz legen. Hier gibt es Crêpes (süß) und Galettes (salzig) in allen Variationen. Ab 3,80 € das Stück. Echt bretonisch! Laut den strengen Geschmacksnerven von „Le Figaro“ die zweitbeste Crêperie der Stadt, laut meinen eigenen der absolute Gewinner. Abends ist in „La Perle“ was los - attraktive Gespräche mit interessanten Menschen. Zum Brunch unbedingt in die Rose Bakery, rue des Martyrs - hier ist alles bio, bobo und mittlerweile über die Staatsgrenzen bekannt. Coole und relaxte Klientel, passend zur Atmosphäre des Quartiers. Spät nachmittags oder abends bietet sich „La Fourmi“ an – erinnert mich an den Wiener „Tunnel“. Auf der anderen Seite der Seine, in Saint Germain, ist Shopping zwar teuer, man kann aber nicht aus
Paris abreisen, ohne bei Pierre Hermé auf einen kulinarischen Orgasmus namens „Croissant Ispahan“ vorbeigeschaut zu
haben. Der Name ist eine Hommage an die gleichnamige iranische Rosen-Art, aus deren Blüten (neben Litschi und Himbeere) die Füllung besteht. Im Quartier Latin nebenan lohnt es sich auch beim Chez Le Libanais für ein Manakiche anzustehen, also ein
köstliches Fladenbrot mit gehacktem Lammfleisch oder libanesischer Multi-Käse-Füllung. Bon appétit!

MODE-ADRESSEN:

Dolls, 56 rue de Saintonge, 75003 Paris
Merci, 111 boulevard Beaumarchais, 75003 Paris
Paul & Joe Sister, 58 Rue Vieille du Temple, 75003 Paris
Swildens, 22 rue du Poitou, 75003 Paris
Abou d'Abi Bazar, 125 rue Vieille du Temple 75003 Paris
COS, 4 rue des Rosiers, 75004 Paris
Kiliwatch, 64 rue Tiquetonne, 75002 Paris
Hippy Market, 3 rue de Turbigo, 75001 Paris
Eleven Paris, 37 rue Etienne Marcel 75001 Paris
Clery Brice, 11 Rue Pierre Lescot, 75001 Paris
Librairie de la Mode, 22 rue Pierre-Lescot, 75001 Paris
Spree, 16 rue de La Vieuville, 75018 Paris
Cancan, 30 rue Henry Monnier, 75009 Paris

GASTRO-ADRESSEN:
Breizh Café, 109 rue Vieille du Temple, 75003 Paris
La Perle, 78 rue Vieille du Temple, 75003 Paris
Rose Bakery, 46 rue des Martyrs, 75009 Paris
La Fourmi, 74 rue des Martyrs, 75018 Paris
Pierre Hermé, 72 rue Bonaparte, 75006 Paris
Chez Le Libanais, 35 rue Saint-André-des-Arts, 75006 Paris

 

 

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Kommentare

 

wer sind die Lieferanten dieser Mode-Labels, kommen die Klamotten aus Fair-Trade Produktionsstätten, haben die Mitarbeiter die die Sachen produzieren gerechte und faire Arbeitsbedingunge und stammen die Klamotten aus nachhaltiger Produktion unter Einhaltung von Umweltstandards?

The Children behind the labels: http://www.youtube.com/watch?v=1XtYhfcEZ9A

http://www.youtube.com/nlcnet#p/u/32/1XtYhfcEZ9A

http://blog.aktiv-gegen-kinderarbeit.de/archives/1509-Usbekistan-Interna...

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