"Rad ist ein charmantes Verkehrsmittel."

27. August 2015

ÖVP-Spitzenkandidat Manfred Juraczka hat genug von Rot/Grün, sieht sich als Lobbyist für frustrierte Autofahrer und steht auf den „American Dream“ – nur nicht in der Staatsbürgerschaftsfrage. 

von Amar Rajkovic und Susanne Einzenberger (Fotos)


biber: Wofür steht die ÖVP in Wien?

Juraczka: Die ÖVP steht für Freiheit und gegen die Rot-Grüne Bevormundung.

Sind wir als Bürger in Wien unter Rot-Grün unfrei?

Die ÖVP will niemandem vorschreiben, wie er sein Leben zu führen hat, sondern will Möglichkeiten anbieten. Das ist in der Schulpolitik genauso der Fall wie in der Verkehrspolitik und das unterscheidet uns ganz wesentlich von Rot-Grün.

Was möchten Sie in der Bildung und im Verkehr tun?

Juraczka, Kaffeesud, ÖVP, Berfin
Susanne Einzenberger

Momentan hat man das Gefühl, Autofahrer seien schlechtere Menschen – zumindest, wenn man die Verkehrspolitik von Vizebürgermeisterin Vassilakou betrachtet. Die Politik soll den Menschen Angebote machen, ihnen aber nicht vorschreiben, welches Verkehrsmittel sie benutzen sollen. Ich will, dass bei mir die Autofahrer sagen: „Jetzt lass‘ ich das Auto stehen, weil ich mit der U-Bahn schneller bin.“

Treten frustrierte Autofahrer an Sie heran?

Extrem viele! Der neue Sport der Grünen ist es Hauptverkehrsstraßen, die drei-vier-spurig zu befahren sind, plötzlich zu Tempo 30 Zonen zu machen und das halte ich für unsinnig. Ich hege zur Verkehrsberuhigung für Tempo 30 durchaus Sympathien – aber nur in reinen Wohngegenden und in der Nähe von Schulen und Spitälern.

Weniger Lärm steigert die Lebensqualität, oder?

Wir sind eine Millionenstadt und das größte Problem, das wir im Verkehrsbereich haben, ist die Tatsache, dass täglich rund 250.000 PKWs aus dem Umfeld nach Wien pendeln. Da sagen wir: „Bauen wir doch die U-Bahn bis an die Stadtgrenze, errichten dort Park-and-Ride-Anlagen.“ Dann hätten wir Lebensqualität gewonnen.

Etliche Studien sagen der Stadt Wien hohe Lebensqualität nach.

Wien ist absolut lebenswert. Ich liebe Wien. Und Wien ist auch eine vergleichsweise saubere Stadt. Herr Bürgermeister Häupl hat ganz am Schluss dieser Rot-Grünen Regierungskoalition begriffen, dass man mit Events und Lifestyle alleine die Stadt nicht regieren kann. Dafür braucht es auch wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen.

Fahren Sie mit dem Rad?

Ja, als Sportgerät, wenn ich einen Radausflug mit meiner Familie mache. Ich finde, das Rad ist ein charmantes Verkehrsmittel.

Machen Sie sich über mögliche Zusammenarbeit bezüglich einer Koalition schon Gedanken?

Also ich hab das bei den Wahlen, die zuletzt stattgefunden haben, immer für eigenartig erachtet, dass es da schon mit vorgefassten Koalitionsansagen in die Wahlen ging. Ich glaube, jetzt haben wir einmal als Partei dafür zu kämpfen, dass so viele Menschen wie möglich uns am 11. Oktober das Vertrauen geben und ich hab immer gesagt, mich trennt zu allen andern Parteien inhaltlich das Eine oder Andere, aber eine Koalition ist für mich nie eine Liebesheirat. Da heißt es dann sich an einen Tisch zu setzen, zu besprechen, was die Ideen für die Stadt sind und entweder man findet sich in einem gemeinsamen Arbeitsübereinkommen oder eben nicht. Und dass es da bei den Grünen mit Verkehrspolitik, bei der SPÖ mit der Wirtschaftspolitik, aber auch bei der FPÖ natürlich was die Hetze betrifft, was Europapolitik, was Integration betrifft, dass es da massivste Auffassungsunterschiede gibt, das liegt auf der Hand.

Juraczka, Kaffeesud, ÖVP, Berfin
Susanne Einzenberger

 

Was trauen Sie Turgay Taskiran zu? Haben Sie ihn schon kennengelernt?

Nein, ich habe ihn noch nicht kennengelernt. Ich weiß auch gar nicht, ob er jetzt explizit antritt oder nicht.

Ist noch nicht fix. Wird sich klären, ob er genug Unterschriften zusammen bekommt.

Prinzipiell ist es sinnvoll, wenn sich Menschen mit Migrationshintergrund in bestehenden Strukturen etablieren. Sonst ist das ein Rückschritt, mit Wurzeln zu agieren, aber nicht verwurzelt zu erscheinen.

Herr Taskiran argumentiert mit der aussichtslosen Reihung migrantischer Kandidaten auf den Wahllisten.

Uns geht es vor allem darum, dass man keine Alibikandidaten aufstellt. Wir haben in Bezirksorganisationen Leute mit türkischen Wurzeln, die schon lange dabei sind und die uns genauso lieb und teuer sind wie alle anderen Mitarbeiter. Jeder, der in Wien zuhause ist, kann bei uns mitarbeiten und wird sich automatisch einen Platz bei uns erkämpfen.

Wünschen Sie sich Neos-Spitzenkandidatin Frau Meinl-Reisinger zurück?

Winston Churchill hat ein Mal gesagt: „Wer mit 30 nicht liberal ist, hat kein Herz. Wer mit 40 nicht konservativ ist, der hat kein Hirn.“ So gesehen müsste sie demnächst in unsere Reihen zurückkommen.

Spaß beiseite: In Sachen Wohnbauförderung, gemeinsame Schule der 10-14-Jährigen und Wahlrecht für Drittstaatangehörige sehe ich die ÖVP als die bürgerliche Partei. Nicht die NEOS.

Können Sie auf das Wahlrecht für Drittstaatangehörige eingehen?

Herr Minister Kurz und ich haben einen klaren Zugang dazu: Staatsbürgerschaft sollte am Ende eines erfolgreichen Integrationsprozesses stehen, damit verbunden auch das Wahlrecht und nicht „the other way around.“

Dem amerikanischen Bodenrecht können Sie nichts abgewinnen?

Das sind zwei unterschiedliche kulturelle Zugänge. Dafür hat Amerika andere Hemmnisse. Ich glaube, Herr Kurz hat den richtigen Schritt getan, indem er die Möglichkeit gegeben hat, die Frist zu verringern, wenn man gut integriert ist.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Herrn Kurz?

In der Politik sind Parteifreundschaften nicht von langer Dauer. Sebastian Kurz und ich haben den Vorteil, dass wir schon vorher Freunde waren. Toll, wenn man sieht, was für eine Karriere er in den letzten fünf Jahren gemacht hat. Und sein Ansatz „Integration durch Leistung“ ist genau der richtige Zugang zur emotionsgeladenen Integrationsdebatte.

Ein amerikanischer Zugang, oder?

Was mir an den USA gefällt, ist der American Dream. Egal, woher du kommst, woran du glaubst, wenn du hart arbeitest, kannst du es zu etwas bringen.

Apropos Zugang zur Arbeit: Sollten Asylwerber arbeiten dürfen?

Wenn es einen positiven Asylbescheid gibt, können diese Menschen sofort arbeiten. Vorher nicht.

Und wie beurteilen Sie die Geste von Herrn Häupl, unbegleitete Mädchen in Wien aufzunehmen? 

Wenn Michael Häupl rasch Quartiere für die Menschen, die vom Krieg verfolgt sind, zur Verfügung stellt, werde ich ihn unterstützen.

Können Sie sich ein Wien unter Bürgermeister Strache vorstellen?

Es geht nicht um meine Phantasie, es geht um die Gegebenheiten. Und da wird’s dann darum gehen, dieses Wahlergebnis vom 11. Oktober zu interpretieren. Wenn Sie mich heute fragen, woran ich glaube: Ich glaube nicht, dass die FPÖ stimmenstärkste Partei wird.

Und die ÖVP?

Wir wollen stärker als bei den letzten Wahlen 2010 abschneiden.(2010: 13,99%)

Sie haben sich kritisch gegenüber den neuen Ampeln geäußert. Warum?

Ich halte es für obszön, wenn 150.000 Menschen in dieser Stadt arbeitslos sind und wir keine anderen Sorgen haben, als zwei Manderl oder zwei Weiberl auf eine Ampel zu geben.

Geht es da nicht mehr um Symbolik?

Glauben Sie, dass sich die Probleme Homosexueller durch die Ampelmännchen in irgendeiner Form verbessert oder verschlechtert haben?     

Es geht um die Symbolik.

Ganz ehrlich, warum kommen so viele Menschen nach Europa? Weil wir ein Bollwerk der Freiheit sind. Weil wir tolerant sind. Und es leider Gottes nicht in der ganzen Welt unbedingt üblich ist, diese Toleranz, diese Freiheit zu leben. Also ich glaube, beim Thema Toleranz haben wir keinen exorbitant großen Aufholbedarf.

Bin mir nicht sicher, ob das ein Homosexueller auch so sieht.  

Ich glaube, dass sich auch Homosexuelle die Fragen wie „Wie viel Geld verdiene ich?“, „Wie sicher ist mein Arbeitsplatz?“oder „Wie lang stehe ich im Stau, wenn ich in die Arbeit fahre?“ stellen. Das sind Menschen, wie du und ich. Und die werden auch die Probleme haben, die wir alle haben. 

Was halten Sie vom Adoptionsrecht?

Wir haben so viele heterosexuelle Pärchen – Mann und Frau - die derzeit ganz sehnsüchtig auf eine Adoption warten und im Zweifel halte ich es doch für sinnvoll, wenn ein Kind beim Heranwachsen eine männliche und eine weibliche Bezugsperson hat.

Könnte aber sein, dass homosexuelle Paare das als Diskriminierung empfinden. Verstehen Sie die Kritik?

Ich muss ehrlich sagen, dass heterosexuelle Pärchen von Natur aus Kinder haben können und homosexuelle Pärchen eben nicht. Da ist nicht die Politik schuld, sondern das liegt in der Natur der Sache. Und wenn man ein Kind in ein „normales“ Umfeld einbetten möchte, sollte man Eltern finden, bei denen eine Bezugsperson männlich und die andere weiblich ist. 

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