SKI HEIL, AVUSTURYA

03. Februar 2011

Österreichs Skilehrer schlagen Alarm: Immer weniger Jugendliche können sich fürs  Pistenwedeln begeistern. Ganze Schulklassen fahren nicht mehr auf Skikurs, weil zu wenig Interesse besteht. Sind auch daran wieder die Ausländer schuld?


Im noblen Vorzeige-Skiort St. Anton am Arlberg wuselt es wie in einem Ameisenhaufen. Grund dafür ist der internationale Interski-Kongress. Im Hauptprogramm: Die Zukunft des österreichischen Nationalsports, für den es im Moment nicht nur rosig ausschaut.
Zwar ist Österreichs Nationalsport Nummer 1 so populär wie eh und je – die Betten in den Winterskizentren sind voll und die Skirennen werden gestürmt. Doch gleichzeitig wedeln jedes Jahr weniger Schüler und Schülerinnen die Pisten runter.

Es fehlt der Nachwuchs: Laut Statistik Austria waren 2010 immerhin 30.000 Schüler weniger auf den Pisten als noch vor 10 Jahren. Einerseits, weil es immer weniger Kinder gibt. Andererseits aber, weil viele Schulklassen aufgrund mangelnden Interesses gar nicht mehr auf Skikurs fahren. Das wäre vor 20 Jahren noch undenkbar gewesen. Skifahren und Österreich: das ist Pflicht!

 Damit nicht bald der erste arbeitslose Skilehrer beim AMS landet, gibt es beim Kongress statt Aprés-Ski-Partys ein stundenlanges Nachsitzen zum Thema Integration. Dass es mehr Migranten in den Schulklassen gibt, ist auch dem Interski-Verband aufgefallen, der weltweit 250.000 Skilehrer aus 35 Ländern vereint. Und nun stellen sich die sonnengebräunten Skilehrer bei ihrem Kongress die bange Frage:  Gibt es einen Zusammenhang zwischen Klassen mit einem hohen Ausländeranteil und der Abwahl des Skikurses? biber fragt nach:

TSCHÜSS PISTENGAUDI

Anfang der 90er-Jahre waren es laut Bundesministerium für Wirtschaft, Jugend und Familie noch 180.000 Schüler, die einen Skikurs besucht haben, heute sind es nur knapp 150.000. Seit Mitte der 90er besteht die Möglichkeit, den Skikurs abzuwählen und das wird auch getan. Stimmen nicht mindestens 70% der Eltern dafür, müssen alle zu Hause bleiben. In den letzten Jahren ist das immer häufiger der Fall, vor allem in Schulen im Osten Österreichs.

Und das liegt laut Sepp Redl, Präsident des Interski-Verbands Austria, auch an der der Herkunft der Eltern. Betroffen sind davon meist Klassen mit einem hohen Anteil von Schülern und Schülerinnen mit Migrationshintergrund. „Wenn die Eltern keinen Bezug zum Skifahren haben, ist es unendlich schwierig, ihre Zustimmung zu bekommen“, erklärt der passionierte Skifahrer. Und das obwohl Studien belegen, dass jeder fünfte Skifahrer aus Österreich ausschließlich durch die Wintersportwoche zum Wintersport gebracht wurde.

"EIN SKIKURS GEHT ORDENTLICH INS BÖRSERL"

Die Theorie, dass Migranten schwer in den Schnee zu bekommen sind, wird vom islamischen Gymnasium im 15. Bezirk nicht bestätigt. Hier wird Skigefahren zumindest zwei Mal jährlich.  Gemeinsam mit der Stadt Wien werden Tagesausflüge organisiert, die inklusive Skiausrüstung 30 Euro kosten. „An der Begeisterung fürs Skifahren scheitern die einwöchigen Skikurse nicht, sondern am Kostenfaktor“, ist Ludwig Sommer, Direktor der Schule überzeugt. „Ein Skikurs geht ordentlich ins Börserl.“

Eine Woche Skivergnügen kostet rund 300 Euro – inklusive Skiausrüstung. Zusätzlich kommen die Kosten für Skianzug, Taschengeld und andere Kleinigkeiten. Das kann für die Eltern schon mal 500 Euro weniger am Konto bedeuten. Ein Preis, den nicht jede Familie zahlen kann oder will. „Nur ein Tag ist aber etwas, das sich viele Eltern leisten können und wollen“, erzählt Direktor Sommer. Bei den muslimischen Schülern kommen weitere Faktoren dazu. „Unsere Schüler haben andere Ansprüche. Das Essen muss halal sein, die Buben und Mädchen streng getrennt und die Gebetszeiten müssen eingehalten werden“, so Ludwig.

HALAL-ESSEN AUF DER HÜTTE
Erich Melmer Internationaler Präsident von InterSki ist davon überzeugt, dass Probleme mit religiösen Regeln schnell gelöst werden können: „Speisevorschriften lassen sich im Vorfeld abklären. Auch dass Mädchen nicht Skifahren dürfen, kommt kaum vor. Das Problem ist die Angst vor dem Unbekannten. Wir scheitern daran, die Schüler in den Schnee zu bekommen.“ Beim Kongress wurde das Problem erstmals formuliert, um sich in Zukunft mit Lösungsmodellen für Schüler mit speziellen Bedürfnissen zu beschäftigen.     

In den zweiten und dritten Klassen des Radetzkygymnasiums in Wien Landstraße wurde dieses Jahr die 70%-Mehrheit erreicht. Sie werden auf Skikurs fahren. Im Trend liegt das jedoch nicht. Direktor Etlinger muss immer mehr Überzeugungsarbeit leisten. „50 % Schüler haben Migrationshintergrund. Da sie in ihren Heimatländern keine besondere Ski-Tradition haben, sind sie nicht besonders am Skikurs interessiert.”

DER SKIANZUG VOM COUSIN

Die migrantischen Schüler bringen das Problem auf den Punkt: „Skifahren ist ur zach. Ski muss ich mir ausborgen. Die sind dann meisten total abgenützt. Die leiwanden Snowboards können sich meine Eltern nicht leisten. Den Skianzug hab ich von meinem Cousin! Das geht gar nicht“, erklärt Murat, 12. Auch für seine Schulkollegin Elvira ist der Skikurs nicht gerade das Highlight des Jahres. „Ich komme immer in die schlechteste Leistungsgruppe. Meine Freunde sind zwar auch nicht besser. Aber die schlechteste Leistungsgruppe ... das ist irgendwie ur uncool ...“

 Früher wurde man noch zum Skikurs gezwungen. „Mit neongelbem Skianzug, dem billigsten den es zu kaufen gab, bin ich dagestanden. Die Coolen von der Schule waren die Snowboarder. Da konnte ich nicht mithalten. Ich hab’s so gehasst”, erzählt biber-Redakteurin Ivana Cucujkić (26) vom erzwungenen Winterspaß. Für Martina (25) war es noch schlimmer: „Mit Skifahren verbinde ich Armut. Als ich auf Skikurs musste, konnten sich meine Eltern nicht mal die Wohnung leisten. Meine Mitschüler haben mir dann eine Ausrüstung organisiert. Ich habe mich so geschämt.“

Dass Ausländer auch ein bisschen Skifahren können, beweist die grüne, türkischstämmige Nationalratsabgeordnete Alev Korun. Obwohl in der Türkei zur Schule gegangen, gab es bereits dort die ersten Lektionen in Pflug, Wedeln und Schuss. Als sie mit 19 Jahren nach Österreich kam, sah die Sache aber schon wieder anders aus: „Ich dachte ich kann gut Skifahren, doch dann bin ich mit meiner damaligen WG-Kollegin auf den Berg hinauf. Ich hab Stunden gebraucht um heil runterzukommen. Damals war schnell klar – ich kann doch nicht so gut Skifahren – zumindest nicht nach österreichischen Maßstäben.”

SKIFAHREN IST SEXY

Waren früher Migra-Kids dem „Gruppenzwang Skikurs“ unterlegen, sieht die Sache heute anders aus. In vielen Klassen überstimmen die Eltern mit Migrationshintergrund die skiaffinen Österreicher. Ein Trend, der sich mittlerweile auf den Pisten bemerkbar macht und bis zu Sportminister Norbert Darabos vorgedrungen ist. Gemeinsam mit der WKO gründete das Sportministerium die „Koordinationsstelle Wintersportwochen“. Der soll den Skikurs wieder beliebt machen. Schüler und ihre Eltern sollen vor allem darüber aufgeklärt werden, wie wichtig ein Skikurs für den sozialen Zusammenhalt ist. „Wir wollen die Attraktivität steigern“, erklärt ein Mitarbeiter. Wie das genau funktionieren soll, das weiß man allerdings nicht so genau. Es wird aber etwa daran gedacht, Sponsoren für die Skikurse zu suchen.

BIBER-TIPP:

 Man macht es wie Skisuperstar Ivica Kostelić. Der kroatische Skifahrer und Sieger des Super-G-Rennen am Hahnenkamm hatte schon als kleiner Bub auf Skiern trainiert. Den kostenaufwendigen Sport konnten sich seine Eltern nur mühevoll leisten: „Da das Geld damals nur für die Liftkarten gereicht hat, haben wir am Campingplatz geschlafen. Schließlich ist das Skifahren ohne einen Liftpass nicht möglich”, erzählte er vor Kurzem in einem Interview. Also Leute: Zelte ausborgen und rein ins Ski-Vergnügen. 

 

 

 

 










Fotos: René Wallentin/ Styling: Viktoria Platzer/ Makup&Haare: Ramona Kandinger/
Produktion: Ivana Cucujkić/ Models: Ivan Delchev, Philipp Groner
Ein großes Dankeschön mit scharf geht an die Bergbahnen am Zauberberg Semmering und an Sport Puschi für die freundliche Zusammenarbeit.

www.zauberberg.at
www.sportpushi.at

 

von Monika Bratić

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Kommentare

 

Allein die Spritpreise und somit die Anfahrt wird immer teurer, geschweige von den horrenden Tagesskipasskarten, die auch mittlerweile jenseits der 35 Euronen liegen! Somit wird das Skifahren meiner Meinung nach für immer mehr Personen etwas besonderes und wird nicht mehr zum wöchentlichen Alltag in den Wintermonaten dazu gezählt.

 

hä? ist mir was entgangen oder seit wann sind wir jugos auf einmal schlechte skifahrer. ihr tut so im artikel als wären wir erst gestern aus unserne höhlen gekrochen und haben zum ersten mal einen berg mit schnee gesehen.

in meiner family würd mir jetzt niemand einfallen der nicht ski fahren kann. ein großer teil kann sogar sehr, sehr gut skifahren (halt noch nicht mit carving ski :)

ich bin früher oft mit meinem vater auf die bjelasnica zum skifahren gefahren.

da bin ich als jemand der in der alpenrepublik groß geworden ist noch ein relativ mittelmässiger skifahrer im vergleich zum rest meines bekanntenkreises.

 

sarajlije ausgenommen :)

 

ihr snobs aus der hauptstadt. Ich habs auch mal auf herzegovinischen Steinen probiert, hat nicht so gut geklappt.

 

Also an mir liegt es ned :-).... ich fuhr schi (sagt man das so???), aber ich mag snowboarden eigentlich mehr.

Ich finde es aber wirklich verdammt teuer und will eigentlich ned soviel Geld ausgeben dafür.

 

"„Unsere Schüler haben andere Ansprüche. Das Essen muss halal sein, die Buben und Mädchen streng getrennt und die Gebetszeiten müssen eingehalten werden“, so Ludwig."

Wie deppat ist das denn?

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