Twitter-Journalismus: Warum auch in der Türkei Youtube und Co politisch überschätzt werden

01. April 2014

Was haben Sie nicht gelacht über Recep Tayyip Erdoğan auf Twitter. Und im Youtube war der türkische Premier auch der Renner. Mit den abgehörten Telefonaten, die den Premier mit Sex, Crime und Korruption in Verbindung brachten. In den Social-Media-Kanälen war die  Wahl damit bereits vor der Wahl entschieden. Gegen Erdoğan.

Die Wahl ist ganz anders ausgegangen. Mehrheitlich pro Erdoğan. Offenbar sehen die meisten Türken ihren Premier anders als die Twitter & Youtube-Community. Und gar nicht so wenige werden vom „Internet“ gerade einmal gehört haben. Blöd nur, dass auch Journalisten und Journalistinnen immer mehr ihre Zeit mit twittern als mit recherchieren verbringen. Daher konnte man auch in heimischen und internationalen Medien zunehmend den Eindruck gewinnen, dass die AKP unter dem Machtpolitiker Erdoğan bei den Kommunalwahlen in der Türkei eine Schlappe erleiden wird.

Das war nicht so. Im Gegenteil. Erdoğan ist stärker denn je. Und als Leser steht man da und staunt.  Bei aller - völlig berechtigter - Kritik an Erdoğan wäre es doch gut gewesen zu beschreiben, dass sein autoritärer Regierung-Stil offenbar viele Türken nicht weiter stört. Vielleicht hätten auch ein paar Berichte über die sozialen Errungenschaften der AKP („Grüne Karte“) das Bild vollständiger gemacht. Und wie ist es nun wirklich mit der Pressefreiheit in der Türkei? Welche Informationen haben die Türken? All das hätte jedenfalls ein wahrhaftigeres Bild von der realen Stimmung im Land gezeigt, als die Fixierung auf die Twitter-Sperre und die You-Tube-Soap rund um den Türken-Premier.

Kommentare

 

Das Problem ist doch auch, dass viele Türkei-Außenkorrespondenten ihre Bobo-Bezirke nicht verlassen und glauben so einen Eindruck über die gesamte Türkei zu gewinnen.

Ich denke außerdem, dass auch viele Youtube- oder Twitter-User kein Problem mit der Sperre hatten, weil Erdogan damit in erster Linie die Betreiber unter Druck setzen wollte und das ist ihm offenbar gelungen. Viele wollten einfach, dass dieser Krieg zwischen Gülen und Erdogan endet und Gülens Macht auch allgemein bekannt und gefürchtet ist.

Und was gerne vergessen wird: wie sieht es denn um die Opposition aus? Wieso wird die nicht gewählt?

Die größte Oppositionspartei ist die faschistisch-geprägte und elitäre Partei CHP, die politisch noch in der Zeit Atatürk hängt und seit Jahrzehnten um den Beibehalt des Status-quo kämpft. Das ist die größte Oppositionspartei die in manchen Provinzen keine 1 % (!!!) erreicht. Diese wird seit Jahrzehnten von ihren Stammwählern gewählt, für andere bleibt sie unwählbar. Solange es keine wählbare Opposition gibt, wird auch die AKP gewählt werden.

Dass für viele das Ergebnis so überraschend kam zeigt auch, dass hier extrem einseitig berichtet wurde. Bei allen Meinungsumfragen lag die AKP immer zwischen 35-45 % und es war nie außer Frage, dass sie erneut gewinnen wird.

Die Opposition sollte sich in Zukunft auf annehmbare Parteiprogramme anstatt auf Skandale konzentrieren. Hat man hier denn irgendwas von der Opposition gehört, außer dass sie Erdogan nicht wollen? Hier reicht es schließlich auch nicht, Faymann schlecht zu reden um Wahlen zu gewinnen.

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