Wahlkampf fürs Klima: Ist ein gasfreies Wien möglich?

02. September 2020

In Wien wird wahlgekämpft. Um junge Wähler*innen zu gewinnen, legt die Politik den Fokus auf Klimaschutz. Die einen pflanzen Bäume, anderen reicht das nicht: Klimaaktivist*innen fordern „Raus aus Gas“. Aber wie realistisch ist diese Forderung derzeit?

Von Lisa Kiesenhofer

In gut einem Monat wird in Wien gewählt. Hört man sich in der Politik um, steht vor allem ein Punkt immer wieder auf der Agenda: Klimaschutz. Was alles zum Thema gehört, ist oft Ansichtssache.

„Die Döblinger wünschen sich mehr Grün und einen lebenswerten Bezirk“, sagt Daniel Resch (ÖVP), Vorsteher des 19. Bezirks, auf die Frage, worauf er sich im Wahlkampf besonders fokussiert. „Heuer haben wir wieder viele Bäume im Bezirk gepflanzt und der Wienerwald ist sogar UNESCO-geschützt.“ Auch in Währing werden fleißig Bäume gepflanzt: Die Grüne Amtskollegin Silvia Nossek baut heuer darauf, den öffentlichen Raum grüner zu gestalten. Der umgebaute Nepomuk-Vogl Platz wird noch pünktlich vor der Wahl eröffnet.

Anpassung an den Klimawandel ist kein Klimaschutz

Kritik kommt von Stefan Geier. Er ist am Institut für Raumplanung, Umweltplanung und Bodenordnung an der Universität für Bodenkultur in Wien (BOKU) tätig. „Klimaschutz und Klimawandelanpassung werden oft verwechselt: Begrünung ist wichtig, um die Folgen der Klimakrise erträglicher zu machen”, sagt der Wissenschaftler. Um die Klimakrise aufzuhalten, brauche es aber schärfere, weitreichendere Maßnahmen. „Klimaschutz bedeutet im Energie- und Verkehrssektor völlig auf fossile Energieträger zu verzichten - vor allem in Wien gibt es hier viel Potential,“ sagt Geier.

Und tatsächlich ist man in Österreich noch weit von den Klimazielen entfernt. Die Regierung hat sich selbst aufgetragen, bis 2040 Klimaneutral zu sein. Derzeit produziert Österreich aber jedes Jahr mehr Treibhausgase, die die Klimakrise weiter anheizen. Etwa ein Drittel der Emissionen entstehen in Wien nur durchs Heizen. Nur zum Vergleich: Würde jeder Mensch so leben wie der Durchschnittsösterreicher, bräuchten wir fast 4 Planeten.

Fridays for Future Wien
Fridays for Future Wien

Die Klimaaktivist*innen von Fridays For Future sehen dringenden Handlungsbedarf. „Mehr als die Hälfte der Wiener Haushalte heizen immer noch mit fossilen Brennstoffen, ganz vorne dabei ist Gas“, sagt die 17-jährige Vivi Wörther. „Es braucht endlich ein absolutes Verbot von fossilen Heizsystemen im Neubau und in weiterer Folge auch im Bestand – so könnte Wien knapp ein Drittel seiner Emissionen einsparen.“ Denn derzeit gebe es noch ein Schlupfloch. “Die Baupolizei lässt es immer noch durchgehen, im Neubau Gasheizung einzubauen. Es gibt aber genug erneuerbare und klimaschonende Heizungen, die auch laut Bauordnung vorzuziehen sind. Dieses Schlupfloch muss beseitigt werden! Eine Gasheizung hat eine Lebensdauer von etwa 30 Jahren – wie sollen wir da in 20 Jahren klimaneutral sein?“, sagt die Klimaaktivistin.

vivi_woerther
Vivi Wörther, Klimaaktivistin von Fridays For Future

Viele Möglichkeiten, wenig Umsetzung

 

In den Bezirken 18 und 19 hat man nichts gegen die Idee eines gasfreien Wiens. In den ersten Bezirken werden derzeit Klimaschutzzonen errichtet, in denen man keine fossilen Heizsysteme mehr einbauen darf. „Ich hoffe, dass so etwas auch bald in Währing kommt“, sagt Silvia Nossek (Grüne). „Werden trotz Alternativen immer noch Gasheizungen im Neubau eingebaut, braucht es strengere Verbote. Da reichen Empfehlungen offenbar nicht.“

Erneuerbare, grüne Heizmöglichkeiten werden auch vom Döblinger Bezirksvorsteher unterstützt. Allerdings sei der Umstieg oft nicht möglich. „Eine Klimaschutzzone wäre auch in Döbling denkbar, die Umsetzung ist derzeit aber nicht machbar“, sagt Daniel Resch (ÖVP). „Viele Häuser haben nicht einmal Zugang/Anschluss zur Fernwärme oder sind denkmalgeschützt, was den Umbau sehr schwierig macht.“ Das Angebot an Alternativen müsse zuerst geschaffen werden und das könne nur die Stadt, nicht der Bezirk. Zudem fordert Resch (ÖVP) mehr Bezirksbudget für Klimaschutz.

Auch der Wissenschafter sieht das Problem in der Umsetzung. „Leider ist die Lebensrealität der Meisten noch weit von dem weg, was technisch schon möglich wäre“, sagt Stefan Geier. In Wien hängen nur ein Drittel aller Haushalte an der Fernwärme. Genau an diesem Problem müsse man ansetzen. „In der Stadt Wien ist in Puncto klimaschonender Energieraumplanung in den letzten Jahren schon viel passiert, allerdings steckt der Sektor im Vergleich zu anderen noch in den Kinderschuhen“, sagt Geier.

Es gibt aber Positivbeispiele, die Mut machen: Innovative Bauträger bauen immer öfter hocheffiziente Gebäude mit erneuerbarer Energieversorgung. Das ist nicht nur gut fürs Klima sondern auch für die Geldtaschen der Mieter*innen. „Um die Klimaziele noch zu erreichen, wird es in fünf bis zehn Jahren ohnehin ein österreichweites Verbot von fossilen Brennstoffen geben müssen, wenn wir übers Heizen sprechen“, sagt Geier „Die Klimaschutzzonen sind ein wichtiger Schritt in diese Richtung – es gibt aber noch viel tun.“

Fridays For Future streikt: „Raus aus Gas“

Fridays for Future Wien
Fridays for Future Wien

Auch die Klimaaktivist*innen fordern strengere Verbote und eine bessere Energieinfrastruktur von der Politik. „Jeder muss die Möglichkeit haben, umweltfreundlich zu heizen“, sagt Vivi Wörther. „Die Gasheizung durch einen Anschluss ans Fernwärmenetz zu ersetzen muss auch für Menschen mit wenig Geld leistbar sein – hier braucht es finanzielle Unterstützung von der Politik. Übrigens: Eine Gasheizung hat sehr hohe Fixkosten – allein durch die jährliche Wartung zahlt der Mieter drauf“, sagt die 17-jährige.”Wir sorgen dafür, dass sich die Politik nicht mehr vor diesem wichtigen Thema drücken kann!“

Ihre Forderungen wollen die Klimaaktivist*innen von Fridays For Future beim „Raus aus Gas“ Streik, am Freitag, 4. September durch die Straßen Wiens tragen. Gestartet wird um 17:30 mit einer Kundgebung am Heldenplatz. Der Demozug geht über die Löwelstraße, den Ring entlang und endet am Rathaus.

Fridays for Future Wien
Fridays for Future Wien

Bereich: 

Das könnte dich auch interessieren

Collage: Zoe Opratko
   Keine Bevölkerungsgruppe wird in...

Anmelden & Mitreden

5 + 1 =
Bitte löse die Rechnung