Wanted: Parsi-Mann zum Heiraten gesucht!

25. Juni 2015

Von Wien nach Bombay: Unsere stv. Chefredakteurin sucht nach ihren Wurzeln und vor allem nach einem Ehemann. Die Mission: Ihre „Parsi“-Gemeinschaft vor dem Aussterben retten.

Googelt man „Parsis in Wien“, bietet die Suchmaschine einem verschiedene Flugangebote für „Paris-Wien“ an. Dabei ist meine Mission – radikal gesehen – eine auf Leben und Tod. Ich suche einen Parsi-Mann, keinen Franzosen.

Aber von vorn: Es war die Zahl, die mich aufrüttelte. Vorher hatte ich mich mittelmäßig bis nicht sonderlich für meine Wurzeln interessiert. Aber 100.000 in Summe? Das beeindruckte mich doch. Laut eines Zeitungsartikels (FAZ), der mir in die Hände fiel, gäbe es nur mehr so wenige auf der Welt. Ich hoffe, sie haben mich nicht mitgezählt. Denn das macht eine mehr. Ich bin Parsin. Und wir sterben aus.

Parsis (oder „Parsen“) sind Ur-Perser. Zu Zeiten der großen Perserkönige war die Glaubenslehre des Propheten Zarathustra eine Art Staatsreligion. Doch mit der Eroberung durch den Islam um 800 nach Christus verließ ein Großteil das Land und floh nach Indien. Dort nannte man sie „Parsen“ – weil sie aus Persien kamen. Noch heute leben sie als Religionsgemeinschaft in Indien, 70.000 etwa, wahrscheinlich weniger. Einer der berühmtesten Sprosse war Queen-Sänger Freddie Mercury, einer der erfolgreichsten der indische Stahlmagnat von „Tata Company“. Sie gelten als ehrenwerte, sehr geschäftstüchtige Community und man nennt sie oft „die Juden Indiens“. Doch auch wenn Geld und Ruhm nicht das Problem sind, so haben sie ein großes: Sich selbst.

Parsisein hat man im Blut

Parsi wird man nicht, man ist es. Das ist noch strenger als bei der österreichischen Staatsbürgerschaft, da bringt nicht mal Leistung oder 10 Jahre gute Führung was. Entweder du hast es im Blut oder nicht, konvertieren nicht erlaubt. Und zwar, und das ist der Clou, bist du nur dann Parsi, wenn der Blutüberträger dein Vater war. Weswegen ich als „Mischling“ in der absurden Situation bin, mich Parsi nennen zu dürfen, weil mein Vater einer ist, meine Cousinen können das allerdings nicht so einfach, da „nur“ ihre Mutter die Parsin ist. Soviel zu hausgemachten Fortpflanzungsproblemen.

Über diesen Blödsinn wird natürlich viel innerhalb der Gemeinschaft debattiert. Aber Religion und Reform – auch bei den Parsen ein Eiertanz. Und die Zeit rennt. 100.000 auf der ganzen Welt, Tendenz sinkend. Wie also schon Kennedy anregte: Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, frage, was du für dein Land tun kannst. Und was kann ich tun? Einen Parsi heiraten und viele kleine Parsis zur Welt bringen.

Parsis only, Zorastrians only, Eintritt nur für Parsen
Delna Antia

TEIL 1 Wien: Nur Zarathustris, keine Parsis

Ich beginne meine Suchaktion in Wien. Und siehe da, bei einem Event treffe ich tatsächlich einen Mann, der einen „Faroar“ - ein Zarathustra-Emblem – um den Hals trägt. Bingo, denke ich. Nicht ganz, sagt er. Er sei Perser aus dem Iran, kein Parsi aus Indien. Warum er die Kette trägt? „Weil ich den Glauben für eine sehr humane Religion halte. Im Herzen bin ich Zarathustri.“ Viele Iraner orientieren sich wieder an dem alten Glauben. „Heute wird gerade im städtischen Bereich des Irans der Zarathustrismus wieder populär, weil er eine zusätzliche spirituelle Dimension bietet“, erklärt mir Professor Bert Fragner, pensionierter Iranexperte, den ich anrufe. „Daher besitzt die Religion auch einen ambivalenten Status im Iran: Zum einen gehört sie zum Nationalerbe, zum anderen ist sie in der „Islamischen Republik“ naturgemäß die falsche Religion.“

Als äußerst human gilt die Religion deshalb, weil sie weder Gebote noch Verbote deklariert, dennoch sehr moralisch ist. „Gute Gedanken, Gute Worte, Gute Taten“ sind die Grundpfeiler, es geht darum glücklich zu sein und auf die Natur aufzupassen. Die Religion gründet sich auf die Lehren des Propheten Zarathustra, der – man weiß es nicht genau – um 1200 vor Christus gelebt hat und dem der Gott Ahura Mazda erschienen ist.

Auf meiner Suche nach einem Parsi-Mann lerne ich: In Wien glauben Menschen (und Männer) an Zarathustra, aber sie stammen aus dem Iran. Nicht genau, was ich suche! Denn die Gemeinschaft der Gläubigen ist gespalten: Es gibt einerseits Parsen und andererseits iranische Zarathustris. „Parsis gelten als Hardliner“, erzählt mir Guiti Charok. Die Wienerin veranstaltet regelmäßig Treffen für die, so schätzt sie, gut 20 Zarathustra-Gläubigen in Wien. Guiti erzählt mir, dass ihr als iranische Zarathustri einmal der Eintritt in einen parsischen Gebetstempel in Indien verwehrt wurde. Ja, eine Religion, zwei Lager. In Sachen Ehemann muss ich also mein „Lager“ aufsuchen.

 

TEIL 2 Bombay: Viele Parsis, keine Bräutigams

Mein Vater und ich fliegen tatsächlich nach Bombay, in seine Heimatstadt und zu meinen Parsi-Wurzeln. Nach 9 Stunden Lufthansa sitze ich im Bienennest. Gleich am ersten Abend wird für uns Dhansak gekocht, das Traditionslinsengericht der Parsen. Anwesend sind Großtanten, Cousins und Cousinen, deren Töchter und Söhne, ein Onkel ist aus London da, eine Tante aus Sidney eingetroffen, mein Papa aus Deutschland und mittendrunter ich aus Wien. Big Fat Parsi Family-Treffen! Ich bin begeistert. Und wie es sich für eine gescheite Minderheit gehört, wird nur über sich selbst geredet: Die strenge Blutsregel und ihre Irrsinnigkeit (laut meiner Familie), die exklusiven Parsi-Wohnareale in Bombay, dass letztens tatsächlich eine Parsi-Frau verhungert ist und ob das eigene Heiratsrecht der Parsen in Indien liberalisiert wurde. Ich entdecke tolle, starke Frauen auf den Sofas. Meine Tante Zarene, die mit 75 noch eine der besten Schulen Indiens leitet und regelmäßig Preise dafür gewinnt. Bildung und die Gleichberechtigung der Frau, bei den Parsen immer schon eine Selbstverständlichkeit.

 

Geier, Limonade und Luxushotel

Nur ein supertoller Parsi-Mann im Heiratsalter sitzt nicht auf dem Sofa. Ich erzähle, dass ich von „Parsi-Speed-Dating“ in Bombay gelesen hätte – um das Untereinander-Heiraten anzukurbeln. Ja, gäbe es tatsächlich, leider weiß keiner, wo und wann die nächsten „Datings“ sind.

Dafür begegnet mir das Parsitum in den nächsten Tagen, wo ich gehe und stehe. Die „Fire-Tempel“, die Gebetshäuser der Parsen, findet man überall im Zentrum Bombays, oft mit prächtigen Steinstatuen und prominentem Schild am Eingangstor: „Eintritt nur für Zarathustrische Parsis“. Man fragt sich, ob Exklusion die richtige Strategie ist, um Aussterben zu bekämpfen?! Täglich fahren wir mit dem Taxi an einem riesigen, parkartigen Gelände vorbei. „Hier sind die Towers of Silence“, erklärt mir mein Vater bedeutungsvoll. Es ist der sagenumwobene Ort, an dem die Parsen ihre Toten bestatten. Die Leichname werden dort von Geiern aufgefressen. Doch es gebe neuerdings ein Problem mit den Geiern, sie seien krank. Man wisse nicht, was vor sich gehe, erklärt mir meine Parsi-Freundin Pinaz mit verschwörerischer Miene.

Aber auch hinter herkömmlichen Dingen verbergen sich Parsen: „Dukes-Lemonade“ ist das National-Sprite Indiens: Erfinder – ein Parsi. Der Besitzer des angesagtesten Hipster-Cafés am „Kala Ghoda Market“ – ein Parsi. Die LKWS auf der Straße, die Wasserflaschen im Restaurant, der Consulting-Arbeitgeber meiner Tante, alle gehören zur Tata-Gruppe. Deren Gründer war Jamshedij Tata, erfolgreichster Unternehmer Indiens – ein Parsi. Selbst der süße Concierge im Taj Mahal Hotel, der mich galant zur Damentoilette geleitete, sieht mir an meiner Nasenspitze an, dass ich so eine bin wie er: Parsi. Das „Taj“ wurde übrigens auch vom Parsen Tata erbaut. Er zeigte damit den Briten, wie Luxushotel auf indisch geht. Schach matt, sage ich nur.

Parsen, die Integrationsprofis

Wir wollen in die Stadt Udvada im Bundesstaat Gujarat reisen. Der Ort war die Landungsstätte der ersten Parsen, die nach Indien immigrierten. Deswegen ist ihre Sprache auch „Gujarati“. Der Legende nach sollen die Parsen dem damaligen König versprochen haben „to sweeten the Indian community as sugar sweetens milk.“ Auch eine Integrationsbotschaft. Die Inder können heute mit Blick auf deren Wirtschaftsoutput sagen: Mission accomplished. 4 der 20 größten indischen Konzerne liegen in den Händen von Parsen, so die FAZ.

Leider müssen wir die Reise absagen. Papa ist krank. Also lerne ich den Familienarzt Dr. Lalkaka (Parsi) kennen, der treffsicher diagnostiziert, dass Bombays Drecksluft an der Misere Schuld ist und die einzige Medizin sei, die Stadt sofort zu verlassen. Tun wir nicht, wir fahren ins „Britannia“, eines der bekanntesten Restaurants Bombays. Viele ausländische Staatsgäste, etwa Prinz William und Kate, kehrten hier ein. Ich treffe dort zwar keinen Prinz Parsi, aber den Besitzer höchstpersönlich. Ein 90-jähriges Parsi-Urgestein und glühender Angela-Merkel-Fan. An der Wand: Die Queen, Zarathustra und Gandhi. Der soll übrigens gesagt haben: „In numbers Parsis are beneath contempt, but in contribution, beyond compare.“ Ja, Parsen sind sehr beliebt in Indien – Musterbeispiele gelungener Integration.

Die letzte Etappe meines Parsi-Parcours durch Bombay ist der Besuch meiner Facebook-Freunde Prayag und Porus, Newcomern der indischen Modeszene. Der Fotograf und der Stylist haben schon für Vogue, Cosmopolitan und Biber gearbeitet. Zwar sind sie gutaussehend und im heiratsfähigen Alter, dennoch keine Bräutigamkandidaten. Sie sind schwul. In Indien eigentlich eine verbotene Sache, für die Parsen kein Problem.

 

Britannia, Bombay, Wand, Zarathustra, Queen, Gandhi
Delna Antia

 

Am Ende der Reise habe ich keinen Parsi-Ehemann im Koffer. In Bombay hat es zwar im Gegensatz zu Wien nur so von Parsen gewimmelt, aber mit dem Mann zum Heiraten ist es wohl wie im echten Leben: Kompliziert. Ich muss dem Tod der Gemeinschaft ins Auge sehen. Diese Blutsgeschichte ist altertümlich. Wer Parsi sein mag, soll es sein dürfen. Wie wäre es mit Willkommenskultur bei uns Parsen?!

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