Warum bin ich keine Technik-Queen?

03. April 2015

biber-Redakteurin Alexandra Stanic hat als Kind gerne Baumhäuser gebaut. Das ist aber nur einer der Gründe, warum sie Frauen bewundert, die in der Technik arbeiten. Auch die Einstiegsgehälter locken. Ob unsere Redakteurin doch noch die Branche wechselt?


von Alexandra Stanić, Mitarbeit: Larissa Schneider

Alles begann in der Unterstufe. Während ich viel lieber Baumhäuser geplant und gebaut hätte, musste ich stricken. Geometrisches Zeichnen gehörte zu meinen Angst-Fächern. Das lag aber nicht daran, dass ich es nicht konnte oder nicht gerne gemacht habe. Der Lehrer hat uns Mädchen einfach von Anfang an das Gefühl gegeben, dieses technische Fach wäre nichts für uns. Diese Zeiten scheinen vorbei zu sein. In den letzten Jahren hat sich viel getan und ich muss ehrlich zugeben, ich bin ein wenig neidisch. Heute sind Schulen und Unternehmen bei diesem Thema viel sensibler. So gibt es mittlerweile Initiativen wie „Technikqueens gesucht“, die von der OMV ins Leben gerufen wurde oder das Mentoring-Programm YOLANTE von Siemens Österreich, das Studentinnen technisch-naturwissenschaftlicher Studienfächer Praxiseinblicke gewährt und ihnen Mentorinnen zur Verfügung stellt.

Laut Statistik Austria arbeiten derzeit 25.200 Frauen als Naturwissenschaftlerin, Mathematikerin oder Ingenieurin. Zum Vergleich: Knapp 75.500 Männer üben den gleichen Beruf aus. Mehr als 182.000 Männer arbeiten derzeit als Ingenieurtechniker oder als vergleichbare Fachkraft, die Zahl der Frauen liegt hier bei 16.700.

Thermodynamik, Wirtschaftsingenieurwesen – und ich nur so: Wie bitte?

Studentinnen, Technik und Frauen, Pläne, TU Wien
Foto: Christoph Liebentritt

Frauen sind also noch immer eine Seltenheit in dieser Branche, deswegen mache ich mich auf die Suche nach Technikerinnen. Die zwei Freundinnen und TU-Studentinnen Susanna Dinkic und Jelena Jovanovic studieren beide Fächer, mit denen ich im ersten Moment nichts anfangen kann. „Ich studiere Wirtschaftsingenieurwesen-Maschinenbau im achten Semester“, erklärt mir die 21-jährige Jelena und lacht laut los, als sie mein verdutztes Gesicht sieht. „Es ist eine Mischung aus einem BWL- und einem Maschinenbau-Studium.“ Den Großteil ihrer Zeit rechnet sie, außerdem hat sie Fächer wie Thermodynamik oder Elektrotechnik. Auf meine Frage, ob sie denn schon als Kind Interesse an Technik gehabt hat, winkt sie ab. „Ich war jetzt nicht so ein Mädchen, das von klein auf mit Autos gespielt hat“, stellt sie klar. „Ich hatte in der Schule großes Interesse an Mathematik und da mein Vater Ingenieur ist, habe ich mich an ein technisches Studium gewagt.“

Ich recherchiere: Jelenas Studium war eine gute Wahl. So sucht beispielsweise Siemens Österreich laufend nach Technikerinnen. Neben Antriebs-, Automatisierungs-, Elektrotechnik oder Maschinenbau ist auch Wirtschaftsingenieurwesen besonders gefragt.

Aber auch das Studium von Jelenas Mitbewohnerin Susanna ist sinnvoll. Die Wiener Stadtwerke suchen immer wieder nach TechnikerInnen mit Ausbildungsschwerpunkten in Bereichen wie Verkehr. Und genau hier sieht sich Susanna nach ihrem Studium. „Ich kann mir gut vorstellen, in der Verkehrsplanung zu arbeiten“, spricht die 22-Jährige von ihrer Zukunft . „Mein Vater arbeitet am Bau, ich habe ihn früher oft besucht.“ Deswegen studiert sie drei Jahre lang Bauingenieurwesen, wechselt dann auf Raumplanung und studiert das seit über zwei Jahren. „In meinem Studium lerne ich viel über Stadtentwicklung und welche Faktoren Einfluss darauf haben.“

„Falls Jelena und Susanna ihren Master an der TU Wien abschließen, werden sie um 20 bis 30 Prozent brutto mehr verdienen als jemand, der kein technisches Studium absolviert hat“, erklärt Conrad Pramböck. Er ist Experte für Gehaltsund Karrierefragen und leitet bei der Personalberatung Pedersen & Partners den Geschäft sbereich Compensation Consulting. Trotzdem ist die Frauenquote an der TU Wien mit 17 Prozent noch sehr gering. „Das hängt mit der persönlichen Affinität zu Maschinen und Zahlen zusammen“, so Pramböck. Ich bin zwar auch nicht unbedingt zahlen-affin, aber ich habe dank der beiden Mädels zumindest eine Ahnung, was mich in einem technischen Studium erwarten würde. Jelena gibt mir noch einen Tipp mit auf den Weg: „Mädchen sollten sich nicht von Technik abschrecken lassen, wir können das genauso wie Jungs.“

Visitenkarte im A4-Format?

T-Mobile, Frauen und TEchnik, Netzwerke
Foto: T-Mobile
Vanja Gailberger ist Abteilungsleiterin Core Network & Enabler Engineering bei T-Mobile Austria. Ich frage mich, ob sich ihre lange Jobbezeichnung auf einer Visitenkarte ausgeht? Vanja leitet eine Abteilung, die für die Netzplanung und den Netzaufbau von T-Mobile zuständig
ist. Die 39-Jährige erzählt von ihrem Alltag: „Zu meinen Hauptaufgaben zählen Planung und Management der durchzuführenden Tätigkeiten, Personalführung, Netzausbau-Management und Vertragsverhandlungen mit Herstellern und Lieferanten.“ Nach ihrer HTL-Matura besuchte die gebürtige Bosnierin die Fachhochschule Technikum Wien und arbeitet nun seit 15 Jahren bei T-Mobile. Auch Vanja interessierte sich schon in der Schule für Mathematik und Physik. „Ich wollte eine technische Ausbildung und mit der Zeit hat sich das in Richtung Telekommunikation entwickelt“, spricht Vanja über ihren Werdegang.

Netzausbau und -planung? Ich bezweifle, dass mich meine männlichen Kollegen in diesem Gebiet ernst nehmen würden. Vanja korrigiert mich: „Mit Fachkompetenz lassen sich alle Aufgaben gut bewältigen, ob Frau oder Mann ist da völlig egal.“ Ziemlich emanzipiert, aber Geschlechterverteilung hin oder her, die Tatsache, dass man mit einem Master in einem technischen Studium ein Einstiegsgehalt zwischen 35.000 und 40.000 Euro brutto hat, weckt mein Interesse. Konkret bedeutet das nämlich Folgendes: Mal angenommen ich habe ein Bruttojahresgehalt von 40.000 Euro, dann würde ich monatlich 1.840 Euro auf die Hand bekommen.

Wunschzettel: Chemiebaukasten

Chemie, Öl, Technik und Frauen, weißer Kittel
Foto: Christoph Liebentritt

Während meiner Schulzeit hat mich Chemie fasziniert. Aber mit meiner Wahl an eine Handelsakademie zu gehen, war es ab der Oberstufe nur ein Nebenfach, dem kaum Beachtung geschenkt wurde. Umso spannender sind die Erzählungen von Elizaveta Eremina. Die 23-Jährige hat Chemie an der Moskauer Universität studiert und arbeitet heute in einem Labor einer Ölproduktions- Firma im 22. Bezirk. Die gebürtige Russin lebt seit zwei Jahren in Wien und macht gerade ihren Master in Bio-Chemie. „In meinem Fach ist die Geschlechteraufteilung relativ ausgeglichen“, erzählt Elizaveta. „Aber in bestimmten Kursen wie Verfahrenstechnik sind eindeutig mehr Männer anwesend.“ In ihrem Job wird es für Liza manchmal schmierig, denn sie arbeitet mit industriellen Ölen. Sie misst die Veränderungen dieser Öle und verfolgt ihren Alterungsprozess. Analysen und Messungen des Öls sind ihr täglich Brot.

Ich habe genug gehört. „Können Sie mir sagen, welche Technikerinnen besonders gefragt sind?“, erkundige ich mich genauer bei den Wiener Stadtwerken und erfahre, dass es ab September wieder ein Trainee Programm gibt. Der Schwerpunkt liegt unter anderem bei Bauingenieurwesen. Es werden speziell Frauen zur Bewerbung für einen technischen Bereich aufgefordert. Nach meiner Recherche wird also klar: Technik und Frauen sind zwei Begriffe, die nicht mehr gesondert betrachtet werden. Ob ich nun ein Ingenieur-Studium anfange? Wer weiß. Nächste Woche schleiche ich mich in eine Vorlesung an der Technischen Uni. Vielleicht wohne ich in ein paar Jahren ja doch in einem von mir gebauten (Baum)Haus.

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