Wer braucht noch Deutsch?

13. Oktober 2011

Tschechische Schüler sollen nur noch Englisch als verpflichtende Fremdsprache lernen. Deutsch würde damit zum Wahlfach absinken. Österreichische und deutsche Interessensvertreter steigen auf die Barrikaden.


 

 Daniel Münich will tschechische Schüler für den internationalen Wettbewerb fit machen.    Der Chef des Nationalen Wirtschaftsrats der Regierung (NERV) hat vorgeschlagen, dass nur noch Englisch als verpflichtende Fremdsprache angeboten werden soll und zwar ab der dritten Klasse. Außerdem sollen mathematische, wirtschaftliche und juristische Kenntnisse stärker im Lehrplan verankert werden. Deutsch soll nur noch ein Wahlfach sein.


Diesen Vorschlägen kann Jiri Pesek gar nichts abgewinnen. „Die Politiker und Banker sitzen wie Affen im Prager Käfig“, sagt der Professor für deutsche Studien an der Prager Karlsuniversität. „Und wenn nur englische Zuschauer vorbeikommen, denken sie die Welt spricht Englisch. Diese Zoogartenpersepektive ist schädlich.“

 

 

 

Er verweist darauf, dass sich mehr als 36 Prozent der tschechischen Wirtschaft auf deutschsprachige Partner stützt und über 90 Millionen Menschen in den Nachbarländerndern Deutsch sprechen. „Das ist Wahnsinn da über eine Drittsprache zu kommunizieren“, sagt Pesek.


PISA-Krise
Jana Kucerova musste schon vor vier Jahren aufhören, Deutsch zu unterrichten. „Das Interesse der Schüler geht zurück“, sagt die Tschechischlehrerin vom Österreichischen Gymnasium in Prag. Sie fürchtet, dass jetzt noch mehr Deutschlehrer arbeitslos werden. Die Regierung hat jedoch ganz andere Sorgen, denn die Ergebnisse der PISA-Studie sind alamierend. Die tschechischen Schüler liegen im im Vergleich mit anderen westlichen Ländern unter dem Durchschnitt. Schulminister Dobes will daher so schnell wie möglich handeln. Er will die Schulen so finanzieren, dass die Qualität beurteilt wird und nicht die Zahl der Schüler. Für den Uni-Professor Pesek ist das ein Alptraum. „Da schafft man die echten Ghettos für die sozial Schwachen.“ Auch österreichische und deutsche Manager beobachten die derzeitige Entwicklung mit Sorge. Für drei Viertel der befragten Unternehmen sind Deutschkenntnisse „sehr wichtig“, Englisch jedoch nur für die Hälfte, bestätigt eine aktuelle Umfrage der deutsch-tschechischen Industrie– und Handelskammer.


Deutsch als Kapital
Über 4000 deutschsprachige Unternehmen wie Baumax, Spar oder Raiffeisenbank prägen das Straßenbild in Tschechien und schaffen Arbeitsplätze. Seit 1.Mai 2011 sind auch die Grenzen zum deutschen und österreichischen Arbeitsmarkt offen. „Die deutschen Wirtschaftspartner sind ein Kapital, dass die Tschechen vermissen, wenn sie nicht Deutsch können“, sagt Nikolaus Seiwald von der Österreichischen Wirtschaftskammer in Prag. „Ich glaube also, dass eine solche Regelung eine Fehlentscheidung ist.“

 


Deshalb wollen österreichische und deutsche Interessensverbände nun gegensteuern. Im Herbst starten sie Initiativen an Schulen, um Deutsch interessanter zu machen. Auftraggeber sind die Handelskammern und das Goethe-Instit

 

ut in Prag, unterstützt von der deutschen und der österreichischen Botschaft. „Im Endeffekt setzt sich immer Angebot und Nachfrage durch“, zeigt sich Seiwald überzeugt und wirbt für die Attraktivität der deutschen Sprache. „Wer neben Englisch noch eine zweite Sprache kann, hat bessere Chancen.“

 

 

Von Stephanie de la Barra

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Kommentare

 

War es denn bisher so, dass an allen Schulen Englisch und Deutsch verpflichtende Fremdsprachen waren?

 

Ich dachte eher, daß man zwischen Englisch und Deutsch wählen konnte ?

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