„Wie anti-europäisch ist das denn?“

23. Juli 2018

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Foto: Kristjan Morina

Österreich hat vor wenigen Wochen den EU-Ratsvorsitz übernommen. Grüne EU-Abgeordnete Monika Vana nimmt Kritik an der EU-Politik der schwarz-blauen Regierung.

Text: Andrija Perkovic, Mitarbeit: Jakob Eigenbauer

biber: Wie wichtig ist die EU-Ratspräsidentschaft?

Monika Vana: Prinzipiell ist so eine EU-Ratspräsidentschaft eine tolle Sache. Die gibt einem Land wirklich die Möglichkeit Akzente zu setzen. Gerade jetzt in diesem halben Jahr wäre es besonders wichtig. Sie ist die letzte Möglichkeit vor der Neuwahl des Europaparlaments große Weichenstellungen vorzunehmen. Die anschließende rumänische Präsidentschaft wird nur mehr Vorwahlkampf sein. Insofern liegt jetzt viel an Österreich.

Was halten sie vom EU-Kurs unserer Regierung?

Um etwas Positives zu sagen: Sie sind auf der Verwaltungsebene und der Vorbereitungsebene sachlicher Natur gut unterwegs. Sie haben ausgezeichnete Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die das gut im Griff haben, diese Präsidentschaft sachlich zu verwalten.

Um etwas Negatives zu sagen?

Europa braucht mehr. Das was die österreichische Bundesregierung inhaltlich aufführt, eigentlich missbraucht, ist, eben nicht ein ehrlicher Makler zu sein. Anstatt Meinungen zusammenzubringen, setzten sie beinhart eine rechtsnationale Abschottungspolitik durch. Beispiel: Der totale Fokus auf das Thema Migration. Man hört ja fast nichts anderes mehr in öffentlichen Statements.

Sie reden über den Schutz der europäischen Außengrenzen?

Nicht nur Außengrenzen. Die FPÖ hat ja schon wiederholt aufhorchen lassen, dass auch die Innengrenzen, die Binnengrenzen wiederaufgebaut werden sollen. An einigen Grenzen gibt’s das ja leider schon temporär, aber das EU-Recht setzt da ein klares Limit. Aber die FPÖ ist da ganz offensiv, im Wiedererrichten von Grenzen. 

Was meinen Sie damit?

Ich rede von Jahrzehnte gewachsenes EU-Recht, wie der Personenfreiheit. In den 50er Jahren unterzeichneten Römer Verträgen gibt es diese Grundfreiheit für Arbeitnehmerinnen in einem EU-Land ihrer Wahl zu leben und zu arbeiten und auch entsprechend die Sozialleistungen des dortigen Landes zu beziehen.

Das will die Regierung nun ändern?

Die österreichische Bundesregierung will jetzt auf Biegen und Brechen die Indexierung der Familienbeihilfe durchsetzen. Kinder von EU-BürgerInnen, nach den Lebenserhaltungskosten des Landes bezahlt werden sollen wo die Kinder sind. Im Fall von Österreich, vor allem der Ostgrenze Österreichs würde das einen dramatischen Einkommensverlust bedeuten. Zum Beispiel: Frauen, die im Pflegebereich arbeiten. Sie zahlen zwar ins österreichische System ein, kriegen aber für ihre Kinder, die über der Grenze leben weniger, als ihnen nach österreichischem Recht zustehen würde.

Das ist ein Bruch vom EU-Recht?

Die europäische Kommission hat auch wiederholt schon angemerkt, dass Österreich damit ein Vertragsverletzungsverfahren riskiert. Und das während der österreichischen Ratspräsidentschaft. Wie anti-europäisch ist das denn?

Die Regierung wird das aber dennoch durchziehen?

Die Bundesregierung und das österreichische Parlament haben das schon beschlossen. In Kraft soll diese Indexierung am 1. Jänner 2019 treten, damit man kein unmittelbares Verfahren während der Ratspräsidentschaft riskiert. Aber es ist ganz klar, dass Österreich ab dem 2. Jänner 2019 ein Vertragsverletzungsverfahren wegen Bruch des EU-Rechts riskieren wird. Das ist nichts was ich als Grüne jetzt behaupte. Das hat die Europäische Kommission schon wiederholt erklärt.

Ihrer Meinung nach ist die österreichische Regierung also antieuropäisch?

Ja, ich glaube, dass die österreichische Ratspräsidentschaft antieuropäisch ist. Abgesehen von den Rechtsbrüchen ist Renationalisierung ein Thema - versteckt unterm Deckmantel Subsidiarität. Subsidiarität heißt, dass die Dinge auf der Ebene entschieden werden sollten, wo sie den besten Effekt haben. Nicht alles muss auf EU-Ebene geregelt werden, es gibt natürlich auch noch Dinge, die auf nationaler oder regionaler Ebene geregelt werden.

Subsidiarität klingt ja ganz gut?

Aber was die Bundesregierung will ist eine deutliche Renationalisierung. Diese aber ausschließlich auf Umwelt- und Sozialgesetzgebung. Die Bundesregierung ist auch nicht konsequent in ihrer Subsidiaritätsforderung. Gleichzeitig bestreben sie den Bau einer Militär- und Verteidigungsunion. In diese schieben sie Milliarden hinein auch aus dem EU-Budget, wo Österreich als neutrales Land teilnimmt unter akuter Neutralitätsgefährdung.

Wie stark ist die Kommunikation zwischen der österreichischen Regierung und den anderen EU-Staaten?

Hauptsächlich bemüht sich Bundeskanzler Kurz eine Achse zu den Visegrad-Staaten aufzubauen. Das sind jene Länder die eine betont restriktive ablehnende Migrationspolitik verfolgen. Er hat erklärt, dass er Brückenbauer sein will. Deshalb fährt jetzt in andere Länder zur Vorbereitung der Ratspräsidentschaft und das Ergebnis war, dass die Visegrad-Länder vom gemeinsamen Asylgipfel ausgestiegen sind. Also so viel zu seinen wahren Ambitionen als sogenannter Brückenbauer. Kurz oder die gesamte Bundesregierung will ganz klar politisch Achsen mit den osteuropäischen Ländern bauen, weil ihnen die Migrationspolitik im Fokus steht. Das ist ganz offensichtlich.

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