"Wir machen dann mal, wie wir glauben"

22. Februar 2019

 

Eine Laudatio an unseren Ex-Chef und „biber-Babo“ Simon Kravagna

Schock. Er geht. Das geht doch gar nicht. Bei biber geht (und kommt) zwar immer irgendwer – daran sind wir gewöhnt. Aber dass ER geht, scheint dann doch verboten. Doch Tatsache, Chefe hat einen neuen Job. Seit Mitte Februar ist er Geschäftsführer von fjum - dem Forum für Journalismus und Medien, arbeitet irgendwo da draußen in Sankt Marx und lässt uns hier in der Redaktion jetzt wirklich machen, wie wir glauben. Nach 10 Jahren mit scharf legt Gründer und Chefredakteur Dr. Simon Kravagna sein „Herzensprojekt“ in unsere Hände. Ein Vertrauensbeweis. Dafür und für alles andere wollen wir uns bedanken. Denn obwohl er Herausgeber und Haupteigentümer von biber bleibt, ist der Abschied groß.

 

SÜPER-CHEF

Tausend Projekte, jede Woche alles neu und keiner kennt sich aus: Wie oft haben wir gestöhnt. Vor allem, wenn Cover Entscheidungen anstanden. Da wurde kurz vor Schluss die Facebook-Community und Büro-Nachbar Kenan Güngör um Expertenfeedback gebeten. Wir sind auch am Abgabetag noch ins Schwimmbad gefahren, um ein legendäres „Burkini“-Cover zu schießen. Trotz des kreativen Chaos oder wohl gerade deswegen: Simon ist Süper-Chef. Denn sein Führungscredo bewirkt, dass keine Wahl bleibt, als über sich hinauszuwachsen. „Mach, wie du glaubst!“ – es gibt keinen Satz, den wir öfter gehört haben. Unsere Reaktion war meist dieselbe: ungläubiges Augenaufreißen weil Aufgabe noch nie gemacht, hilflose Schockstarre weil keinen Schimmer, wie Aufgabe bewältigt werden soll, dann: machen, wie man glaubt. Und siehe da, hinterher war man um eine Fähigkeit reicher. Danke Simon.

 

MENTOR

Das sagt man eh viel zu selten. Wie viele „Bibers“ ihm die eigene Karriere mit zu verdanken haben, ist doch beachtlich. Und so kann Chefe stolz sein, wohin es die biber-Sprösslinge geschafft haben. Die Krone, Heute, Falter, der ORF, VICE und das Biber selbst sind nur einige Beispiele. Hier arbeiten inzwischen erfolgreich Absolventen der biber-Akademie mit ihren komischen Namen voll von „-ićs“ und „-oglus“. Vor zehn Jahren hatte kaum einE JournalistIN in Österreich Migrationshintergrund. Die subversive Unterwanderung der Medienlandschaft ist also gelungen. Simon spielte dabei besonders als Mentor eine Rolle. Der lange Kärntner, der schon Arafat und Haider interviewt hat, ist ein Eins-a-Journalist. Das beweist regelmäßig seine renommierte „Interview in Zahlen“-Reihe. Was hat Österreich nicht alles erfahren: etwa dass der Kanzler „0“ Lieder am Handy hat, Blümel dafür „2“ Tattoos und Frau Dichand erst ab „20“ Millionen Euro Menschen als reich empfindet.

 

VISIONÄR

Doch neben der journalistischen Qualität hat der 47-Jährige seinen Biberlingen wohl mit einer Begabung am meisten imponiert: Er hat nicht nur innovative Ideen, er setzt sie auch noch um – am liebsten aus dem Nichts heraus. „Biber – das Magazin für Neue Österreicher“ ist das schärfste Beispiel. Ein deutschsprachiges Magazin in Wien, das aus den Lebenswelten jener ÖsterreicherInnen berichtet, deren Eltern nicht Hans und Hannelore heißen. Von den sagenumwobenen Anfangsjahren kennen wir heute in der Redaktion fast nur Geschichten. Es war die Zeit der „Ivanas“, der Recherchen auf Gürtel und Balkanstraße, als man bis nachts unbezahlt vor den Rechnern saß und irgendwann Pizza bestellte. Gut, dass Amar Rajković sich damals dachte: Bei einem Magazin, das „Jugo“ aufs Cover schreibt, muss er arbeiten. Und gut, dass unser stv. Chefredakteur das auch heute noch tut. Simon hat mit biber eine Welt geschaffen, die oft mehr als nur Arbeit ist. Vor allem aber hat er „Journalismus mit scharf“ erfunden und der fährt – um es in seinen Worten zu sagen – heute wie damals.

 

DADDY COOL

Der Vater von drei Söhnen hat in der Redaktion vorgelebt, wie es dem modernen Mann mit der Vereinbarkeit von Kind und Karriere ergeht. Da kommt man morgens mit Augenringen und erzählt dramatische Geschichten von Kaffeehäusern, die in Neubau vor 7 Uhr nicht öffnen, da eilt man am Nachmittag, weil Kinder vom Kindergarten geholt werden müssen und antwortet auf E-Mails um Mitternacht. Und wenn die Babysitterin absagt, dann macht man den Termin im Außenministerium eben mit Sohnemann auf dem Schoß. Gerade wir Neo-Eltern bei biber konnten von Chefe viel lernen. Ob zum Thema Geburt, Fläschchen oder Kinderwagendiebstahl: Daddy cool kennt sich aus.

 

DR. FEMINIST

Für uns Frauen sind solche Beobachtungen natürlich prägend. Es zeigt, es geht. Simon ist überzeugter Feminist. Mehr noch, er ist promovierter. So ein Doktor führt zu guter Letzt dazu, dass er eine weibliche Nachfolgerin nominiert hat, die noch dazu Mama in Teilzeit ist. Feministischer geht es wohl nicht. Delna Antia-Tatić – so heißt die neue Chefredakteurin von biber (S.6) – will zwar keine Quote erfüllen, aber das muss man doch stehen lassen: Wie viele Chefredakteurinnen mit Windelmann daheim gibt es noch in Österreich? Eben. In diesem Sinn unser bester Rat von uns an dich: Mach genauso weiter wie du glaubst, Simon – und viel Spaß bei fjum.

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