„Wir sind die stille Mehrheit, die nicht mit Sachen wirft!“

09. Mai 2019

Nach dem Vorfall an der HTL Ottakting letzte Woche ist das Thema Gewalt an Schulen in aller Munde: Benno Bengesser, Schulsprecher der HTL Ottakring und Aitor Lopez de Alda, Schulsprecher der Vienna Business School im 8. Bezirk sind Gründer der Initiative „Gewaltfreie Schulen“. Die beiden sprachen mit biber über Schikane seitens der Lehrer, die Rolle von Skandalmedien, und über falsche Gruppendynamik.

von Lisa Kiesenhofer, Foto: Marko Mestrovic

Benno Bengesser (links) und Aitor Lopez de Alda (rechts) (c) Marko Mestrovic
Benno Bengesser (links) und Aitor Lopez de Alda (rechts) (c) Marko Mestrovic

biber: Benno, wie ist das Klima an der HTL Ottakring nach dem Vorfall?

Benno Bengesser: Die Schüler können schon wieder darüber lachen. Lehrer suchen das Gespräch mit Schülern, um Klarheit zu schaffen und zu informieren. In den letzten Tagen waren viele Medien in der Schule. Dem Image unserer Schule hat das nicht gerade geholfen.

Was habt ihr denn über euch gelesen?

Aitor Lopez de Alda:Viele Medien wollen nur eine gute Story und sprechen dann vom „Spuck-Lehrer“ und den „Brutalo-Schülern“. Aber diese Schuldzuweisungen helfen nicht, die Situation zu verbessern. So eine Wortwahl trägt erst recht zu Gewalt bei und stellt die Realität falsch dar. Die HTL-Ottakring ist ja nicht der Brennpunkt der Welt.

Ihr habt die Initiative „Gewaltfreie Schulen“ gegründet – was ist das genau?

Benno: Der Vorfall in Währing, wo eine Lehrerin ihre Schüler jahrelang schikanierte, war der erste Anstoß. Seit dem Vorfall in meiner HTL gibt es die Initiative und gewinnt täglich Mitglieder aus verschiedenen Schultypen und Bezirken. Wichtig ist uns, dass wir absolut unabhängig und unparteiisch im Vergleich zu Schülerorganisationen sind. Wir freuen uns zwar über jede Unterstützung, entscheiden tun jedoch wir Schüler.

Was sind eure konkreten Forderungen?

Aitor: Die Grundidee ist, dass es einen Systemwechsel braucht. An meiner Schule zum Beispiel können Schüler seit einem Jahr Lehrer bewerten. Durch ehrliches Feedback kann Gewalt vermieden werden, weil man schnell sieht, ob sich ein Lehrer eignet, oder nicht. Und es besteht Chancengleichheit. Außerdem wollen wir, dass die Probezeit für Quereinsteiger von einem Jahr auf ein halbes reduziert wird. Auch den Umgang mit Handys sollte man lernen. Fächer wie Soziale Kompetenz bieten sich hier wirklich an.

Was meint ihr: Ist Gewalt an Schulen ein neues Phänomen?

Benno: Ich habe in letzter Zeit einige ältere Zeitungsartikel gelesen, wo Gewalt an Schulen schon vor Jahren Thema war. Und nicht nur in Wien. Reibereien zwischen Schülern hat es immer schon gegeben. Dass ein Lehrer gemobbt wird oder dieser Schüler tyrannisiert, war mir aber gerade in meiner Schule nicht bekannt.
Aitor: In einer Schule gibt es viele Jugendliche, und wenn einer aus der Reihe tanzt, kann der Rest nichts dafür. Wir sind die stille Mehrheit, die nicht mit Sachen wirft und die etwas lernen will. Aber es gibt kein allgemeines Aggressionsproblem.

Was kann man als außenstehender Schüler tun, um so eine Eskalation zu verhindern?

Benno: In Klassen herrscht eine große Gruppendynamik – wenn zwei etwas anfangen, zieht der Rest mit. Dass Schüler die Situation erkennen, ist der erste Schritt. Ihnen muss auch bewusst gemacht werden, dass sie Individuen sind. Man kann bei einer Aktion auch einfach nicht mitmachen.
Aitor: Gespräche sind immer wichtig. Egal, ob der Lehrer bei Kollegen Unterstützung sucht, oder die Eltern mit eingebunden werden. Jeder muss verstehen, dass drüber reden nichts Schlimmes ist.

Habt ihr Tipps für Jugendliche, damit sich solche Situationen vermeiden lassen?

Aitor: Konsequenzen sind wichtig. Eine Verwarnung vergisst man schnell –  kontinuierliche und langsam ansteigende Konsequenzen bringen mehr. Meistens wissen Jugendliche nicht, welche Folgen eine Aktion hat. Der HTL-Schüler hätte sich sicher nicht gedacht, dass er einmal in allen Medien sein wird. Meine Grundregel für ein gutes Zusammenleben ist: Poste oder mache nichts, von dem du nicht willst, dass es deine Oma sieht. Denn wenn das Leben von anderen beeinträchtigt wird, hört für mich der Spaß auf.

Die Initiative „Gewaltfreie Schulen“ steht noch in den Startlöchern. Sobald wir Neuigkeiten für euch haben, werden wir diesen Post aktualisieren. 

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