In Meidling entsteht ein Dorf für obdachlose Menschen

16. Mai 2017

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VinziDorf, freiwillige Helfer
Die freiwilligen Helfer des VinziDorfs. Foto: Wiener VinziWerke

Bis zu 24 obdachlose Männer sollen künftig im sogenannten VinziDorf betreut werden. Ich habe mich dort kurz vor dem Spatenstich mit der Koordinatorin Regine Gaber getroffen und obdachlose Menschen gefragt, wie das Angebot bei ihnen ankommt.


Im späten Frühjahr 2018 soll es fertig sein, das sogenannte Wiener VinziDorf. 24 obdachlose österreichische Männer werden dort einen neuen Lebensmittelpunkt finden. Denn das VinziDorf ist keine Notschlafstelle – die dort aufgenommenen Menschen dürfen so lange bleiben, wie sie wollen. Anlaufstelle soll es für diejenigen sein, die bei den anderen Sozialeinrichtungen Wiens nicht bleiben können, weil sie Haustiere haben oder an einer schweren Alkoholsucht leiden.

 

“Uns ist es wichtig, dass die Menschen bei uns zuerst einmal ankommen. Sie dürfen hier auch in einem gewissen Rahmen Alkohol konsumieren. Wenn sie sich dann wohl fühlen, kann über Therapien und alles weitere gesprochen werden”, erklärt mir Regine Gaber, Koordinatorin der Wiener VinziWerke. Das Dorf finanziert sich ausschließlich aus Spenden und freiwilliger Hilfe. “Von der Stadt Wien erhalten wir keinen Cent. Deshalb freut es uns immer sehr, wenn Leute ihre Hilfe anbieten oder uns mit Spenden unterstützen”, so Gaber.

 

VinziDorf, freiwillige Helfer
Die freiwilligen Helfer des VinziDorfs. Foto: Wiener VinziWerke

 

Weitläufiges Grundstück mit blühender Natur

 

Das Grundstück befindet sich in einer sehr ruhigen Wohngegend in der Hetzendorfer Straße. Schon als wir der alten Klostermauer entlang laufen, lässt sich erahnen, wie groß das vom Lazaristenorden zur Verfügung gestellte Grundstück ist. Straßenseitig befindet sich das Bestandsgebäude, das momentan saniert wird. Dort werden acht Wohnräume entstehen, inklusive Speisesaal, Büroräume und ein Schlafraum für die Betreuungskräfte. Wie groß das Grundstück ist, zeigt sich auch im Jahresrückblick. 2016 wurden 20.000 Quadratmeter Rasen gemäht (das sind im Galileo-Vergleich ungefähr drei Fußballfelder).

 

Garten, VinziDorf, Bäume, Pflanzen
Sandro Nicolussi

 

Es besteht bereits großes Interesse

 

Die VinziWerke haben schon Anfragen von Obdachlosen bekommen, mussten sie aber leider auf nächstes Jahr vertrösten. “Die Leute haben nicht viel davon, wenn ich ihnen sage, dass der Platz in einem Jahr frei wird. Sie leben jetzt auf der Straße und brauchen jetzt irgendwas um unterzukommen”, sagt sie. Deshalb sind alle Beteiligten bestrebt, das Dorf so schnell wie möglich fertig zu stellen.

 

In der Mariahilfer Straße treffe ich auf dem Heimweg vom Büro das obdachlose Paar Nuka und Jana. Als ich mich dazu setze und ihnen vom VinziDorf erzähle, freuen sich beide sehr über ein Angebot wie dieses. Vor allem der Winter in Wien sei sehr hart, erzählt mir Jana: “Wir finden schon ab und zu Unterschlupf in leerstehenden Häusern. Aber wenn uns dann die Polizei vertreibt, müssen wir draußen schlafen, in unserem Zelt.” Nuka freut sich vor allem darüber, dass man dort Alkohol konsumieren darf: “Das ist der einzige Weg, um wirklich bei den Leuten anzukommen. Nur wenn sie sich wohlfühlen, kannst du mit ihnen in eine Richtung arbeiten, in die sie sich dann entwickeln können.”

 

Allein die Tatsache, dass dort nur Männer unterkommen können, beunruhigt die beiden: “Es wäre klüger, dort Männer und Frauen zu betreuen. So ist es einfacher für beide Geschlechter, wieder zurück in eine geregelte Gesellschaft zu finden. Danach sind sie ja auch nicht nur unter Männern”, meint Jana. “Und die Anwesenheit von Frauen hat auch etwas Beruhigendes”, ergänzt Nuka.

 

Anfängliche Bedenken von Bezirksvorstand und Anrainer

 

Schon beim Start des Projekts haben misstrauische Anwohner ihre Sorgen geäußert. Sie meinten, dass völliges Chaos ausbrechen würde, wenn 24 ehemalige Obdachlose auf einem Fleck zusammenkommen. Der stellvertretende Bezirksvorsteher Wilfried Zankl (SPÖ) sagte gegenüber dem ORF, dass er in diesem Projekt nicht sehe, wie man den Leuten helfen soll, wie es ihnen besser gehen soll und dass sie dort eine Entwicklung machen können. Auf meine Anfrage an die Bezirksvorstehung wurde nicht reagiert.

Zimmer, VinziDorf, Renovierung
Sandro Nicolussi

Um den Menschen in der Umgebung das VinziDorf zu zeigen, wurde zum Beispiel ein Flohmarkt veranstaltet, bei dem Marillenmarmelade aus dem eigenen Garten angeboten wurde. “Vor einiger Zeit haben wir auch mit der Bezirksvorsteherin nochmal ein Gespräch geführt. Sie war sehr interessiert und wollte, dass wir sie auf dem Laufenden halten. Nach einem kurzen Gespräch war’s das aber schon”, erzählt mir Regine Gaber.

 

Hier kann sie allerdings beruhigen: “Unsere Gäste werden 24 Stunden am Tag betreut. Es ist immer jemand von uns da und bei unserem Grazer Vorreiter sehen wir, dass das super funktioniert.” Aber das scheint nicht alle Anrainer zu überzeugen. “Früher wurden oft die Behörden auf den Plan gerufen, aber jetzt haben wir den Baubescheid und einem Bau steht nichts mehr im Wege”, sagt sie mir, bevor sie mich mit optimistischer Miene verabschiedet.

 

 

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