Rassismus an Österreichs Volksschulen - Schnee von gestern?

Ich selbst habe keinen Migrationshintergrund und schon im Volksschulalter gemerkt, wie sehr ich davon profitiere. Beispielsweise ging ich zu Volksschulzeiten in den Hort, in den großteils jene Schüler:innen gingen, die keinen Migrationshintergrund hatten und aus Akademiker:innenhaushalten kamen. Jene Mitschüler:innen, die nicht von diesen Privilegien profitierten, kamen in den „Lern-Club“, der wesentlich kostengünstiger war und in den hauptsächlich migrantische und sozial benachteiligte Kinder gingen. Das führte - wie sollte es anders sein – zu einer Trennung zwischen privilegierten und benachteiligten Kindern und verhinderte jegliche Art von gelungener sozialer, nicht migrationsverbundener Integration, die so dringend notwendig gewesen wäre. Außerdem fand der römisch-katholische Religionsunterricht, den überwiegend Kinder ohne Migrationshintergrund besuchten, zumindest ein Jahr lang vormittags zu einer Uhrzeit, wo noch alle in der Schule sein mussten, statt - zeitgleich zum Deutsch-Förderkurs. So waren alle Kinder, die kein römisch-katholisches Religionsbekenntnis hatten, welche in unserer Klasse hauptsächlich Kinder mit Migrationshintergrund waren, mehr oder weniger gezwungen, den Deutsch-Förderkurs wahrzunehmen – vollkommen unabhängig von ihren Deutsch-Kenntnissen.
Doch haben Gleichaltrige mit Migrationshintergrund, die andere Volksschulen besuchten, bereits im Volksschulalter Rassismus erlebt, oder sind meine Erinnerungen ein Einzelfall?

Alina hat russischen Migrationshintergrund und erzählt mir, dass Klassenkolleg:innen ohne Migrationshintergrund oft besser behandelt wurden als jene mit. Sie selbst wurde von ihrer Volksschullehrerin rassistisch behandelt, doch darauf haben weder Alina noch ihre Eltern reagiert, da sie sich gegenüber der Lehrerin, die eine gewisse Autorität darstellte, machtlos fühlten. Dazu kam, dass Alina der Rassismus, den sie im Volksschulalter erlebte, erst nachträglich bewusst wurde und sie somit erst dann ihren Eltern davon erzählte. Außerdem fühlte sich Alina nicht wirklich gut in die Klassengemeinschaft integriert und hatte innerhalb der Klasse hauptsächlich mit ihrem Bruder und einem türkischen Jungen zu tun. Kinder mit Migrationshintergrund wären im Allgemeinen unbeliebter gewesen, abgesehen von einem Jungen mit italienischen Wurzeln.
Generell hatte Alina den Eindruck, dass Bilingualität bei italienischen, französischen oder englischen Personen bewundert und geschätzt wurde, während slawische Sprachen als Manko gewertet wurden.

Auch Maryam – sie hat palästinensischen Migrationshintergrund - hat bereits im Volksschulalter Rassismus erlebt, insbesondere antimuslimischen. Drei Jahre lang wurde sie von einer Lehrerin während des Ramadan dazu gezwungen, Wasser zu trinken. Da Maryam in der Volksschule stets Einser hatte, war klar, dass sie ins Gymnasium kommen würde. Dort hatte Maryam oft das Gefühl, die „extra mile gehen zu müssen“, um bei gleicher Leistung dieselben Noten zu erhalten wie ihre nicht-migrantischen Mitschüler:innen. Nicht nur Alina, sondern auch Maryam hatte innerhalb der Klasse hauptsächlich mit Kindern zu tun, die ebenfalls Migrationshintergrund hatten. Sie erzählt mir, dass sie sich mit diesen Kindern viel eher identifizieren konnte und sie noch etwas verband – die Sprache. So hatten sie die Möglichkeit, untereinander Arabisch zu sprechen.

Alina und Maryam meinen beide, dass es dringend eine Initiative gebraucht hätte, die gegen Diskriminierung ankämpft, alle Klassenkolleg:innen miteinander vereint und Kinder angemessen fördert, anstatt den Fokus bewusst auf schulische Schwächen und kulturelle Unterschiede zu legen. Wer denkt, dass Rassismus nur von Mitschüler:innen ausgehen würde, liegt falsch. Sowohl in Maryams als auch in Alinas Fall stellten die Lehrer:innen selbst ein maßgebliches Problem dar. Was also tun, wenn die Lehrperson, die eigentlich als Bindeglied zwischen den Volksschulkindern fungieren und beim Schlichten von Streitereien helfen sollte, stattdessen spaltet und selbst das größte Problem ist?

Flora ist 18 Jahre alt und hat dieses Jahr an einem Wiener BORG maturiert.

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