Ivanas Welt: Gekommen, um zu speiben

23. Februar 2023

Seit wann, bitte, ist Mehrsprachigkeit eine Bereicherung? … in Österreich?

 

von Ivana Cucujkić-Panić

 

„Es wäre toll, wenn die Eltern aus einem Buch in ihrer Muttersprache vorlesen.“ Huch, was ist denn da los? Die Erzieherin meines Fünfjährigen hat sich bestimmt vertippt in ihrer Rundmail an die Eltern. Ja, wo samma denn. Im Betreff: ‚Fest der Bücher‘. Sie hat sich nicht vertippt. Sie stiftet sogar weiter an: Es sei „eine Bereicherung, multikulturelle Familien an unserer Schule zu haben“, und sie möchten, dass alle Kinder davon profitieren. Spoiler: Der Spross besucht einen französischen Kindergarten mit internationalem Umfeld. Das feine Kontrastprogramm zu unserem Brigittenauer Ghetto.

Eine Woche später saß ich mit Lampenfieber auf einem kleinen Hocker vor der versammelten Gruppe und trug ein berühmtes Gedicht meiner Kindheit vor. Auf Serbisch. Zwanzig kleine Hände klatschten Beifall und verlangten nach einem Sternchen in ihrem Buchfest-Heft. Von den gegenwärtigen Pädagoginnen gab es ein würdigendes „Merci, wunderbar.“ Mein Muttersprachen-Trauma war geheilt.

 

Gute Sprache – schlechte Sprache

Von der Krabbelstube bis zum Uniabschluss habe ich 25 Jahre im österreichischen Bildungssystem verbracht. Nicht ein einziges Mal sollte meine Muttersprache dabei eine Rolle spielen. In einem wertschätzenden Kontext schon gar nicht. Und Serbisch erst recht nicht. Am besten ich erwähne nicht einmal, dass zu Hause so gesprochen wird. Zu sehr liegen mir die Worte meiner Mutter in den Ohren: „Schhhht. Sprich Deutsch!“ In der Straßenbahn sollte uns niemand als Serben entlarven.

 

Aber woher kommst du wirklich?

In den 1990er-Jahren war das rein imagetechnisch bestimmt die bessere Wahl und einfach nur gut gemeint. Die zehnjährige Ivana hat das unter Scham und wertlos abgespeichert. Einem ‚Woher kommst du? Aber woher kommst du wirklich?‘ bin ich deswegen nicht entkommen. „Aus Wien“ reichte den wenigsten. Auch heute noch. Sie brauchen die genaue Ortung für ihre kleinkarierten Diskriminierungsschubladen, das kulturelle Google-Maps verliert sonst die Route. Eine scharfe Grenze möchte gezogen werden zwischen ihr und mir. Als Neugier und weltoffenes Interesse am Gegenüber getarnt steckt doch hinter jedem „aber woher kommst du wirklich“ ein „na, von hier aber sicher nicht“.

 

Eine Runde kotzen

Man darf sich für diese Frage durchaus ein bisschen schämen. Wir haben 2023. Österreich ist nicht seit gestern, nicht seit den 90ern und auch nicht erst seit 1961 ein Einwanderungsland. Also können wir bitte aufhören, so peinlich zu sein und von „Österreicherinnen und Österreichern und allen, die hier leben“ zu reden. Da will ich einfach nur in einem Strahl erbrechen. Ja, wer begrenzt ist, der will Grenzen ziehen. Festungen errichten. Gäbe es diese, „dann wäre Wien noch Wien“, skandieren provinzielle Rassisten. Tschulligung, österreichische Politiker. Andere veranstalten Bücher-Feste und zitieren internationale Poeten. Ironischerweise eben nicht in einer österreichischen Bildungseinrichtung. Aber bleiben wir in unserer Bubble. Damit Wien noch Wien ist.  ●

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